Ohne Gewalt.
Text: Andreas Grote
In der Schweiz nehmen Übergriffe gegen Frauen in der Partnerschaft zu. Lernprogramme sollen Täter anleiten, Konflikte künftig anders zu lösen.
Von Jahr zu Jahr kommen in der Schweiz mehr Frauen durch häusliche Gewalt ums Leben. Ein Femizid stellt die absolute Eskalation dar, Tausende andere Frauen erleben jeden Tag Übergriffe durch ihren Partner. Laut WHO haben in der Schweiz rund 12 Prozent der Frauen schon häusliche Gewalt erlebt. Bei rund 180'000 Frauen passierte es in den letzten zwölf Monaten. Die Dunkelziffer liegt deutlich höher.
Um häusliche Gewalt zu reduzieren, muss man an den Ursachen arbeiten, ist Marc Graf überzeugt. Was Jugendliche und Erwachsene zu Tätern werden lässt, beschäftigt den Professor für forensische Psychiatrie im Rahmen verschiedener Forschungsprogramme. «Häufig sind soziale Zurückweisung, Armut, Arbeitslosigkeit, keine Anerkennung im Beruf oder wenig Einkommen die Stressoren, die das Risiko für Gewalt gegenüber der Partnerin steigern», erklärt Graf.
«Gefährlich wird es, wenn dann die Frau auch nur diskret andeutet, dass sie das Zusammenleben mit ihrem Mann weniger attraktiv findet und er ihre Bedürfnisse nicht erfüllt.» Dann könne panische Aggression die Folge sein, denn ohne Frau fühlen sich viele Männer sozial gedemütigt und gesellschaftlich abgehängt. «Der Mann will dann die absolute Kontrolle über sein – vermeintlich – wichtigstes Gut.»
Konfliktbewältigung lernen
Die meisten Täter haben keine Strategien gelernt, mit Konflikten in der Partnerschaft umzugehen. Sie suchen nicht gemeinsam mit ihrer Partnerin nach Lösungen, sondern isoliert oder orientieren sich in Chatgruppen und sozialen Medien an Gleichgesinnten – und greifen am Ende zur ungünstigsten Lösung: Hassliebe, also Gewalt. Kommt es zum Gewaltausbruch, ist das oft kein einmaliger Ausrutscher. Etwa jeder vierte gewalttätige Partner wird selbst nach einer Anzeige wieder rückfällig.
«Doch internationale Studien zeigen auch: Ein gewaltfreier Neubeginn nach häuslicher Gewalt ist möglich», sagt Graf. Denn nur selten liegt der Gewalt eine psychiatrische Störung wie Narzissmus zugrunde. Daten, ob Interventionen Rückfälle verhindern, liegen für die Schweiz aber bislang nicht vor.
Graf und seine Kollegen haben daher in einer eigenen Studie geprüft, ob das Lernprogramm «Partnerschaft ohne Gewalt» des Kantons Zürich weitere Übergriffe verhindert. Die Teilnehmenden des Programms treffen sich regelmässig zu Gruppensitzungen, zunächst wöchentlich, um Problembewusstsein zu entwickeln und Bewältigungsstrategien kennenzulernen.
Eine Verhaltensanalyse zeigt dem Täter auf, dass eben nicht «die Umstände» zur Tat führten, sondern er selbst zu diesen «Umständen» beitrug. Er soll lernen, Verantwortung dafür zu übernehmen, und in der Folge sein Verhalten tatsächlich ändern wollen. In weiteren Sitzungen im Abstand von drei Monaten frischen die Teilnehmenden die Lösungsstrategien auf. «Am Erfolg der anderen, die schon einige Wochen dabei sind, sehen neue Teilnehmer, dass man etwas an sich ändern kann», sagt Graf.
Das Ergebnis der Studie gibt Hoffnung: Bei Gewalttätern, die nur Standardangebote wie eine Beratung besuchten, kam es in den zwei Jahren Folgebeobachtung bei 22 Prozent zu Rückfällen. Bei den Teilnehmern der Zürcher Interventionsgruppe nur bei 6 Prozent. «Das ist noch nicht optimal, aber wir können damit viel Leid vermeiden», sagt Graf. Weitere Studien müssten aber die Ergebnisse noch bestätigen, und die Methodik muss laufend verbessert werden.
Quellen erschienen in
Journal of interpersonal Violence (2025), doi: 10.1177/08862605251357852
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