Unisonar S7|EP2: Manipuliert uns China?
Wie weit reicht Chinas Einfluss in der Schweiz – und welche Mittel werden eingesetzt, um Meinungen zu lenken und kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen? Der Politikwissenschaftler Ralph Weber analysiert im Gespräch die Strategien der Volksrepublik China im Ausland.
Wann ist Einflussnahme legitim – und wann wird sie zur systematischen Manipulation? Der Politikwissenschaftler und Professor für European Global Studies, Ralph Weber, analysiert in dieser Podcast-Folge die subtilen und direkten Versuche der Volksrepublik China, Meinung und Handlungsspielräume in der Schweiz zu beeinflussen.
Insbesondere im Fokus: die tibetische und uigurische Diaspora sowie Formen der Spionage und transnationalen Repression. «Manipulation ist ein Phänomen, das menschlich ist, aber auch in der internationalen Politik ein fest verankerter Bestandteil», erklärt Weber.
Die Schweiz nimmt für China eine strategisch bedeutende Rolle ein, insbesondere dort, wo sie über Fachwissen, Ansehen oder internationale Netzwerke verfügt. «Die Schweiz wird oft auch als Zugang zu Europa angeschaut, wenn es mit der EU nicht klappt, dann versucht man es mit der Schweiz», so Weber.
Transnationale Repression: Einschüchterung jenseits der Landesgrenzen
Im Rahmen eines zweijährigen Forschungsprojekts untersuchte Weber zusammen mit seinem Team, wie China versucht, durch transnationale Repression Druck auf Tibeter*innen und Uigur*innen in der Schweiz auszuüben. «Ein Teil der Einschüchterung ist ganz offen kommuniziert: Schon die Aussage ‹Ich bin vom chinesischen Nachrichtendienst› kann auf der Strasse einen Effekt erzielen», sagt der Politikwissenschaftler.
Besonders perfide seien indirekte Druckmittel, etwa über bedrohte Familienmitglieder in China oder durch nächtliche Anrufe. Diese subtile Form der Kontrolle führt laut Weber dazu, dass Betroffene sich zunehmend aus dem öffentlichen Raum zurückziehen.
Zwischen Soft Power und Spionage: manipulative Strukturen erkennen
Neben offener Propaganda setzen chinesische Akteure auch auf die Instrumentalisierung zivilgesellschaftlicher Strukturen. Vereine, Kulturveranstaltungen oder Bildungseinrichtungen können Teil einer gezielten Einflussnahme sein. Dies sei aber nicht immer der Fall, betont Weber: «Man sollte nicht aus einem Reflex heraus jedes chinesische Fest sofort als Propaganda bezeichnen. Aber wenn gewisse Triggerpunkte erreicht werden, ist es ein Gebot der Klugheit, skeptisch zu sein.»
Ein konkreter Fall sorgte für mediale Aufmerksamkeit: Der Betreiber eines Hotels in der Nähe des Militärflugplatzes Meiringen wurde festgenommen, weil der Verdacht auf Spionage bestand. «Bis zum Schluss können wir nicht mit Sicherheit sagen, dass es sich hier um Spionage gedreht hat, aber es gibt Indizien, die darauf hindeuten», so Weber.
Die Schweizer Behörden sprachen lediglich von Verstössen gegen das Gewerbegesetz, was den Verdacht erhärtet, dass Spionagefälle oft nicht offen verfolgt werden. Laut Weber verfolgt die Schweiz eine eher zurückhaltende Strategie im Umgang mit Spionage, um diplomatische Spannungen zu vermeiden.
Manipulation sichtbar machen – ohne in Alarmismus zu verfallen
Für Weber ist entscheidend, dass Manipulation nicht nur erkannt, sondern auch offen benannt wird. Gleichzeitig warnt er vor Generalverdacht und Pauschalisierung: «Man muss wirklich unterscheiden zwischen dem Regime in Beijing und den Menschen chinesischer Herkunft, die in der Schweiz leben. Viele von ihnen sind selbst Opfer der Repression.»
Als zentrales Gegenmittel nennt Weber Transparenz und öffentlichen Diskurs: «Manipulation muss aufgebrochen werden, indem man sie sichtbar macht. Dann kann die Bevölkerung in einer Demokratie selbst entscheiden, wie sie damit umgehen will.»