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Für einen Tag Prinzessin sein

«Die Hochzeit bietet für Paare eine besondere Gelegenheit, Geschlechterdifferenz zu zelebrieren und dadurch symbolisch etwas Wiederherzustellen, was im Alltag brüchig geworden ist.» Fleur Weibel vor dem Zivilstandsamt Basel-Stadt. (Foto: Universität Basel, Florian Moritz)
«Die Hochzeit bietet für Paare eine besondere Gelegenheit, Geschlechterdifferenz zu zelebrieren und dadurch symbolisch etwas Wiederherzustellen, was im Alltag brüchig geworden ist.» Fleur Weibel vor dem Zivilstandsamt Basel-Stadt. (Foto: Universität Basel, Florian Moritz)

Für ihre Forschung hat Fleur Weibel vom Zentrum Gender Studies der Universität Basel zehn Paare an ihrem Hochzeitstag begleitet. In Folgeinterviews mit insgesamt 24 Brautleuten hat sie die aktuelle Bedeutung der Hochzeit für hetero- und homosexuelle Paare in der Schweiz untersucht.

17. Mai 2016

«Die Hochzeit bietet für Paare eine besondere Gelegenheit, Geschlechterdifferenz zu zelebrieren und dadurch symbolisch etwas Wiederherzustellen, was im Alltag brüchig geworden ist.» Fleur Weibel vor dem Zivilstandsamt Basel-Stadt. (Foto: Universität Basel, Florian Moritz)
«Die Hochzeit bietet für Paare eine besondere Gelegenheit, Geschlechterdifferenz zu zelebrieren und dadurch symbolisch etwas Wiederherzustellen, was im Alltag brüchig geworden ist.» Fleur Weibel vor dem Zivilstandsamt Basel-Stadt. (Foto: Universität Basel, Florian Moritz)

Fleur Weibel, trotz der schwindenden Bedeutung und der schlechten Erfolgsquote der Ehe sind Hochzeiten hoch im Kurs. Wie sind Sie für Ihre Dissertation auf das Thema gekommen?

Beziehungen und das intime Zusammenleben von Menschen haben mich schon immer interessiert. Dass mein Doktoratsprojekt sich nun ausgerechnet um Hochzeiten dreht, hat wohl auch mit meinem Alter zu tun: Um mich herum gab es auf einmal immer mehr davon und ich habe mich gefragt, was Paare heute noch dazu bewegt, zu heiraten. Die Scheidungsraten sind hoch, für das Zusammenleben ist eine Ehe nicht mehr zwingend, sie scheint immer mehr an Bedeutung zu verlieren. Andererseits habe ich all diese Hochzeiten um mich herum mitbekommen und festgestellt, wie wichtig sie für das Paar und ihr Umfeld waren. Ausserdem fiel mir aus geschlechtertheoretischer Perspektive auf, dass die Feste sehr traditionell gestaltet waren– mit klar zugeschriebenen Geschlechterrollen, wie man sie im Alltag meist nicht mehr lebt.

Was wollen die Paare mit dieser Darstellung bezwecken?

In meinen Augen wollen die Paare ihrer Hochzeit einen traditionellen Anstrich geben. Viele der Bräute haben mir erzählt, was für ein schönes Gefühl es gewesen sei, das Brautkleid zu kaufen. Sie sagen sich: «Wenn ich schon heirate, dann doch richtig – mit weissem Kleid und allem Drum und Dran», und sie haben ihren Spass dabei.

Wie interpretieren Sie die Darstellung der Geschlechterrollen am Hochzeitstag?

Eine Studie in Deutschland ist zu dem Schluss gekommen, dass die Hochzeit für Paare eine besondere Gelegenheit bietet, Geschlechterdifferenz zu zelebrieren und dadurch symbolisch etwas Wiederherzustellen, was im Alltag brüchig geworden ist. Heute machen Frauen Karriere und Männer kümmern sich auch um Kinder, aber an der Hochzeitsfeier kann die Braut für einmal die Prinzessin und der Bräutigam der romantische Prinz sein. Für einen Tag wird das traditionelle Paar, das wir aus den Märchen kennen, zelebriert. Dazu gehört in diesem Zusammenhang ganz wesentlich auch der Heiratsantrag, der nach wie vor sehr traditionell funktioniert: es wird erwartet, dass er vom Mann kommt, romantisch ist und eine gute Geschichte für später bietet. Diesen Praktiken wird eine grosse Bedeutung beigemessen und entsprechend werden sie ausführlich auf den sozialen Medien dokumentiert und zur Schau gestellt. Generell geht es bei Hochzeiten sehr stark darum, Liebesglück darzustellen und es wird grosser Aufwand betrieben, um dieses zu präsentieren und festzuhalten.

Verändern sich die Beziehungen der Paare durch die Hochzeit, was sagen Ihre Interviewpartnerinnen und -partner dazu?

Die Antworten auf diese Frage sind sehr interessant. Abgesehen von den rechtlichen Auswirkungen haben alle Befragten gesagt, es hätte sich an der Beziehung grundsätzlich nichts geändert; sie schlafen immer noch auf derselben Seite des Bettes und sitzen auf denselben Stühlen am Tisch, sinnbildlich gesprochen. Trotzdem verändere der Tag der Hochzeit, an dem man sich vor allen Freunden und der Familie verspricht, für immer zusammen zu bleiben, die Situation aber schon. Angesprochen wird damit die emotionale Dimension der Beziehung, die sich vertieft und verfestigt habe. Viele erzählen, dass sich die Gefühle füreinander durch die Hochzeit verstärkt haben.

Was ist denn das Besondere an der Hochzeit, die ja auch als «schönster Tag des Lebens» gilt?

Die meisten Paare distanzieren sich von dieser Zuschreibung des «schönsten Tages des Lebens», sagen aber, dass die Hochzeit einer der schönsten und auch emotionalsten Tage für sie gewesen sei. Für alle stellt das Hochzeitsfest tatsächlich ein äusserst positives Erlebnis dar, wobei das Besondere darin liegt, dass alle Menschen, die dem Paar nahestehen, da sind, um mit ihnen ihre Beziehung zu feiern. Soviel entgegengebrachtes Wohlwollen erlebt man in dieser Grössenordnung nicht oft. Ausserdem stellt der Tag für die Paare, die ihren Namen anpassen, einen bedeutenden Einschnitt dar.

Welche Beobachtungen haben Sie im Umgang mit der Namensänderung gemacht?

Bei den Paaren, die ich untersucht habe, war es etwa fünfzig-fünfzig – auch, weil viele im akademischen Feld arbeiten. Da bleiben die Frauen oft bei ihrem Mädchennamen mit dem Argument, dass sie ja bereits publiziert hätten und ein neuer Name ihrer Karriere nicht förderlich wäre. Anderen war ihr Name einfach als Teil ihrer Identität wichtig. Interessant fand ich, wie die Männer jeweils reagiert haben. Manche fanden es schade, dass die Frau ihren Nachnamen nicht annimmt, manche fanden es aber auch seltsam, dass sie es tat. «Ich habe mich noch nicht daran gewöhnt, plötzlich meinen Namen zu hören, wenn ich sie anrufe», erzählte einer zum Beispiel. Die Änderung des Namens ist also nicht nur für die Frauen eine Umstellung. Eine Meinung, die aber fast alle teilten, ist das Bedauern darüber, dass keine Doppelnamen mehr möglich sind.

Wie präsent ist der Gedanke an eine Scheidung am Hochzeitstag?

Dissertation zur Inszenierung der Heirat

Fleur Weibel ist Doktorandin der Graduate School of Social Sciences (G3S) und Kollegiatin im Graduiertenkolleg IV des Zentrum Gender Studies der Universität Basel. Im Herbst 2012 begann sich die Soziologin mit Hochzeiten zu beschäftigen und seit Oktober 2013 wird das Projekt «‹Wir heiraten› – Zur individuellen Bedeutung von Hochzeitsinszenierungen für intime Paarbeziehungen» unter der Leitung von Prof. Dr. Andrea Maihofer vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützt. 2017 wird die Dissertation im Rahmen des Forschungsprojektes abgeschlossen sein.

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