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Rund um den Mund. (01/2025)

Inspiriert vom Unfassbaren.

Text: Irène Dietschi

Obwohl Andrea Hofmann in der Schule nur zwei Jahre Physikunterricht hatte, wählte sie das Fach für ihr Studium in Zürich. Heute entwickelt sie mit ihrer Basler Forschungsgruppe Quantenbits.

Andrea Hofmann
Andrea Hofmann leitet die Gruppe «Quantum Electronic Devices» am Departement Physik. (Foto: Universität Basel, Florian Moritz)

«So, wie funktioniert das nun?» Erwartungsvoll setzt sich Andrea Hofmann an den Besprechungstisch ihres Büros am Departement Physik. Die junge Professorin hat für das Interview ihre Mittagspause geopfert. Seit sie Mutter ist, hat sie wenig freie Zeit. Dafür ist sie zu 200 Prozent präsent und wirkt fast ein wenig unter Strom. Andrea Hofmann ist im vierten Jahr ihrer Tenure-Track-Professur an der Universität Basel. Ihr Forschungsfeld ist die Quantenphysik: Mit ihrer mittlerweile zehnköpfigen Gruppe entwickelt sie Qubits – die kleinste Rechen- und Informationseinheit eines Quantencomputers.

«Wir bauen hier keinen fertigen Quantencomputer», betont Hofmann. Vielmehr erarbeiten die Forschenden am Departement Physik die physikalischen Grundlagen für diese Rechner der Zukunft. Hofmann erklärt, es gebe verschiedene Wege und Materialien, um Qubits herzustellen. Ihre Gruppe verfolge drei Ansätze: «Die eine Projektgruppe arbeitet mit Halbleiter-Nanostrukturen, eine zweite Gruppe versucht die Kopplung von Halbleitern an Supraleiter und ein drittes Projekt experimentiert mit Graphen.» Graphen ist ein ultradünnes Material aus Kohlenstoff, «eine Art Wundermaterial», so Hofmann. Unter den richtigen Bedingungen ist es extrem stabil und reissfest, obwohl es aus nur einer einzigen Schicht an Atomen besteht.

Als Gruppenleiterin hat Andrea Hofmann neben der Forschung auch viele administrative und organisatorische Aufgaben. Die Experimente macht sie darum nicht mehr alleine. Sie bespricht mit ihren Mitarbeitenden die Daten, berät sie zu den technischen Aufbauten und dem nächsten experimentellen Schritt, «aber ich bin nicht mehr eins zu eins an jeder Messung beteiligt», sagt sie. Für die Quantenphysik aber brennt die Forscherin nach wie vor – das wird bei unserem kurzen Mittagstreffen mehr als deutlich. Warum fasziniert sie gerade dieses Thema so?

Jenseits der klassischen Physik.

«Es ist dieses Unerwartete», antwortet sie, «dieses komplett Andere als das, wie ich die Welt vorher kannte.» Die normale Welt sei fassbar und gehorche den klassischen physikalischen Gesetzen. «Ein Ball ist entweder blau oder rot, unabhängig davon, wann und wie oft ich ihn anschaue.» Die Quantenwelt mit ihren Qubits funktioniert anders, und sie übersteigt das normale Vorstellungsvermögen: «Plötzlich kommt da etwas, das zum Beispiel sagt: ‹Ich bin weder rot noch blau, sondern: Jetzt bin ich rot, dann bin ich blau, und manchmal bin ich irgendwas dazwischen.›» Anders gesagt: Ein Messresultat sei nicht deterministisch – bestimmt durch die Vorbedingungen –, sondern es werde zufällig. Doch als Physikerin könne sie die Wahrscheinlichkeit manipulieren, mit der ein bestimmtes Ergebnis herauskommt, «also je nach Zeitpunkt des Messens bestimmen, ob es wahrscheinlich rot oder blau ist oder ob sich das Resultat komplett zufällig ergibt».

Als Andrea Hofmann in den Nullerjahren in der Ostschweiz die Schulen besuchte, war nicht absehbar, dass aus ihr einmal eine Physikprofessorin werden würde. Sie war zwar gut in Mathematik, aber im Gymnasium getraute sie sich nicht, den Mathe-Physik-Schwerpunkt zu wählen. «Es hiess, das sei sehr schwierig.» Also entschied sie sich für Latein, denn sie war auch sprachbegeistert. Physik hatte sie am Gymnasium gerade mal für zwei Jahre.

Nach vier Jahren Tenure Track ist für sie klar: «Ich will diesen Job!» Klar sei es anstrengend, die Forschung laufe nicht immer nur rund, und mit einem kleinen Kind – ihre Tochter kam 2024 zur Welt – sei der Druck nochmals gewachsen. Gleichzeitig schätzt sie das «quantenlastige Umfeld» in Basel enorm: Das Departement Physik der Universität leitet beispielsweise den Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) zur Entwicklung eines Quantencomputers auf Silizium-Basis.

«Zusammengenommen ist das alles megagut und spannend!», sagt sie. Deshalb ist ihre Botschaft an die Adresse von Schülerinnen und Schülern, die Sorge haben, ein Physik-Studium sei zu schwierig: «Nehmt euren Mut zusammen und getraut euch! Schon nur, wenn es Spass macht, hat es sich gelohnt, es zu probieren.»

Andrea Hofmann stammt aus Zuzwil im Kanton St. Gallen. 2013 schloss sie ihr Physik-Studium an der ETH Zürich mit dem Master ab, ihre Masterarbeit schrieb sie allerdings während eines Studienaufenthalts in Santa Barbara, Kalifornien. Für ihre Doktorarbeit in der Gruppe von Klaus Ensslin und Thomas Ihn an der ETH Zürich wurde sie 2017 mit der ETH-Medaille und mit dem Preis für Metrologie der Schweizerischen Physikalischen Gesellschaft ausgezeichnet. Nach einem Forschungsaufenthalt in Österreich und einer Anstellung als Risikomodelliererin bei Swiss Re wurde sie 2021 zur Assistenzprofessorin mit Tenure Track am Departement Physik der Universität Basel ernannt. Andrea Hofmann ist verheiratet und Mutter einer kleinen Tochter.

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