Mein Semester in der Weltstadt Seoul

Südkorea boomt nicht nur als Kultur-Export dank K-Pop und Netflix-Serien, sondern zieht auch immer mehr Austauschstudierende an. Anna Düringer, Absolventin der Universität Basel in Englisch und Kulturanthropologie, berichtet von ihrem Mobilitätssemester in der Megacity Seoul.
Inzwischen liegt mein Austauschsemester in Seoul bereits einige Monate zurück. Durch das Austauschprogramm der Universität Basel konnte ich für fünf Monate in der Hauptstadt Südkoreas an der Seoul National University (SNU) studieren.
Für Seoul entschied ich mich, da ich als 14-Jährige in das K-Pop-Fandom gerutscht bin. Da viele Interaktionen der Sänger*innen nur mit einem gewissen kulturellen Hintergrundwissen vollständig verstanden werden können, begann ich, mich auch immer mehr für die Sprache und Kultur Koreas zu interessieren. Vor drei Jahren machte ich dann zusammen mit einer Freundin einen Sprachaufenthalt in Seoul. Dass ich mir so bereits ein bisschen Koreanisch aneignen konnte, kam mir dann auch während des Austausches gelegen.
Der Bewerbungsprozess für den Austausch lief reibungslos über die Website der Universität Basel ab. Dafür benötigte ich ein Motivationsschreiben, ein Referenzschreiben eines Dozierenden und einen Englisch-Sprachnachweis (da ich nur auf Anfängerniveau Koreanisch «beherrsche»). Nach der Zusage der Universität Basel war der Prozess jedoch nicht beendet: Die SNU musste mich schliesslich noch annehmen. Zumindest konnte ich die Anmeldungsunterlagen der Universität Basel übernehmen. Und doch dauerte es noch eine ganze Weile, bis ich die endgültige Zusage erhalten habe und mich um das Visum kümmern konnte. Dies war als Austauschstudentin zwar kein Problem, musste dann aber schnell gehen. Die Unterkunft bereitete mir anfangs viel Sorgen, da ich kein Platz im Studierendenheim der SNU erhielt. Ich hatte dann doch noch Glück und fand eine WG. Ich wohnte mit fünf koreanischen Frauen und zwei ausländischen Arbeiterinnen im Herzen Gangnams.
Und dann ging es auch schon los. Um den Jetlag auszukurieren und mich an die neue Umgebung zu gewöhnen, flog ich zwei Wochen vor dem Semesterstart nach Seoul. Der Wechsel von einem kleinen Dorf in der Schweiz zu einer der grössten Städte der Welt ist am Anfang etwas überwältigend. Doch einige Dinge veränderten sich auch in Seoul nicht: Ich musste weiterhin 45 Minuten an die Uni pendeln, welche im Südwesten Seouls am Fuss des Berges Gwanaksan liegt.
Der Campus der SNU war riesig. Um rechtzeitig den Kurs zu wechseln, musste ich oft die Campus-Busse benutzen. Aus Basel war ich gewohnt, dass die Kurse immer um Viertel ab beginnen. An der SNU beginnen die Kurse immer ganz unterschiedlich. Deshalb hatte ich manchmal sehr wenig Zeit zwischen den Lektionen und ich hatte Mühe, immer rechtzeitig in den Kursen zu erscheinen.
Im falschen Film?
Dadurch, dass es sich um eine Campus-Uni handelte, fühlte ich mich teilweise wie in einem amerikanischen College-Film, da ich das Studi-Leben von Basel anders kannte: So begrüsste mich gleich am Haupteingang ein riesiges Sportfeld. Ausserdem fanden auf dem Uni-Gelände verschiedene Events statt: Mein Semester fing mit dem Festival der SNU an. Dieses dauerte eine Woche und am letzten Tag gaben K-Pop-Künstler*innen ein Konzert, so zum Beispiel Zico, ein berühmter koreanischer Rapper. Für mich war das natürlich ein Highlight meines Austausches.
Obwohl immer viel auf dem Campus los war, wollte ich nicht meine ganze Zeit dort verbringen. Deshalb belegte ich nur vier Kurse und einen Sprachkurs. Doch der Workload pro Kurs war um einiges intensiver als in Basel: Gleich drei Stunden dauerte ein Kurs. Ausserdem musste ich für die Kurse jeweils mehr Aufträge erledigen und hatte zwei Prüfungen pro Kurs. Doch die waren nicht schwieriger als in Basel.
So blieb mir Zeit übrig, zwei Clubs beizutreten: Damit ich fit bleibe, spielte ich Futsal und durfte auch am uni-internen Futsal-Wettkampf teilnehmen. Durch meine Mitspieler*innen vom Futsal-Club lernte ich auch Essen kennen, dass ich sonst wohl verpasst hätte. Ich probierte Wasserschnecken und Oktopus-Tentakel, die sich noch bewegten. Die koreanischen Studis hatten eine riesige Freude daran, uns Austauschstudierenden zuzuschauen, wie wir Angst vor den Tentakel hatten. Durch diesen kulinarischen Exkurs wurde dann auch das Eis zwischen uns gebrochen.
Die Hürde der Sprache
Zudem war ich Teil des Clubs für Austauschstudierende. So konnte ich mich in das Studi-Leben an der SNU integrieren und lernte nicht nur andere Austauschstudierende, sondern auch koreanische Studierende kennen. Der Kontakt zu koreanischen Studis war durch die Sprachbarriere anfangs etwas schwierig: Da ich nur sehr wenig Koreanisch sprach und viele der koreanischen Studis zwar Englisch sehr gut verstanden aber weniger gut sprechen konnten, scheiterte es oft an der Kommunikation. Dagegen half, im selben Team zu spielen oder zusammen feiern zu gehen.
Die Sprachbarriere zog sich durch mein Austauschsemester: Auch meine Behördengänge musste ich oft mit einem Translation-Programm lösen, oder blind vertrauen. Obwohl es Behördenstellen spezifisch für Ausländer*innen gab, konnte ich nicht davon ausgehen, dass jemand dort fliessend Englisch sprach. Zudem konnte ich mich nicht auf meine Kreditkarte verlassen, da nicht überall internationale Karten angenommen werden. Vor allem war es schwierig, Bankautomaten zu finden, die eine internationale Karte akzeptierten. Bargeld war besonders wichtig, vor allem, wenn man den ÖV benutzen will.
Doch ich konnte alle Hürden meistern und auch Seoul als Stadt geniessen. Seoul hat eine bunte Kaffeekultur und es gibt überall süsse Lokale. Deshalb eignete sich Café-Hopping zusammen mit Freund*innen sehr, um die verschiedenen Quartiere der Stadt zu entdecken oder wenn man eine Pause brauchte, nachdem man die Paläste und Tempel besucht hat. Zudem bieten sich in Südkorea kleine Trips an den Wochenenden an, da das ÖV-Netz breit ausgebaut ist und man mit dem Zug die meisten Städte gut erreicht. So konnte ich sogar Nordkorea mit blossen Augen sehen, und Busan besuchen, die zweitgrösste Stadt Südkoreas.