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Im Fokus: Adam Hearn will Nachhaltigkeit fair machen

Adam Hearn bindet seine frisch gedruckte Dissertation in einer Bindemaschine. Er lächelt.
Adam Hearn strahlt: Endlich ist seine Dissertation fertig. In seinem Projekt evaluierte er Modelle, die nachhaltiges Wohnen kostengünstiger machen könnten. (Foto: Universität Basel, Eleni Kougionis)

Dass Adam Hearn seine Dissertation in den Händen hält, ist nicht selbstverständlich. Der 45-Jährige hat lange auf eine akademische Karriere verzichtet. Als Akademiker setzt er sich für nachhaltige Energie ein. Und zeigt mit privaten Engagements, was jeder Einzelne für die Klimawende tun kann.

25. August 2022

Adam Hearn bindet seine frisch gedruckte Dissertation in einer Bindemaschine. Er lächelt.
Adam Hearn strahlt: Endlich ist seine Dissertation fertig. In seinem Projekt evaluierte er Modelle, die nachhaltiges Wohnen kostengünstiger machen könnten. (Foto: Universität Basel, Eleni Kougionis)

Adam Hearn steht vor dem Drucker und schaut gebannt auf jedes Blatt, das die Maschine auswirft. Es ist seine Dissertation, die gerade fertig geworden ist. Zweieinhalb Jahre Arbeit, geprägt auf 196 Seiten.

Hearn ist kein typischer Doktorand. Er ist dieses Jahr 45 Jahre alt geworden, hat davor über 15 Jahre als Flugbegleiter gearbeitet und ein Buch zum Bau von Trommeln veröffentlicht, die er selbst auch heute noch in Vollmondnächten herstellt. Er hat sich während zwei Jahren zum Schamanen weitergebildet und pflegt in seinem Zuhause einen Garten mit Bienenstock und Hausenten.

All das erzählt Hearn, wenn man ihn nach seinem Werdegang bis hin zu seiner Dissertation fragt. Wenn er erst einmal angefangen hat, von Nachhaltigkeit und erneuerbaren Energien zu sprechen, gibt es kein Halten mehr. «Ich möchte Hoffnung verbreiten», sagt er immer wieder. Hoffnung, dass es nicht zu spät ist, unseren Planeten zu retten. Mit kleinen Taten jeder einzelnen Person.

Erneuerbare Energie über den Eigenbedarf hinaus

Adam Hearn steht auf seinem Trotinett vor dem Eingang eines Bürogebäudes.
Adam Hearn setzt auch im Alltag auf Nachhaltigkeit. (Foto: Universität Basel, Eleni Kougionis)

Auch wenn Hearn seinen Arbeitsplatz an der Universität Basel im Fachbereich Nachhaltigkeit hat, gehört er eigentlich zum europäischen Programm «Smart-BEEjS Horizon2020». 15 Doktorierende forschen verteilt über ganz Europa an Möglichkeiten für den Ausbau von Bezirken, die nicht nur die gesamte Energie für den Eigenbedarf produzieren, sondern sogar darüber hinaus Energie ins Stromnetz einspeisen können.

Die Europäische Union hat sich zum Ziel gesetzt, dass bis 2025 in ganz Europa 100 solcher «Positive Energy Districs» entstanden sein sollen, 2022 sind es 63. Hearns Forschung fokussiert darauf, Wege zu finden, das Leben in solchen PEDs allen Gesellschaftsschichten zu ermöglichen. «In Holland gibt es zum Beispiel ein PED, in dem die Leute in Hausbooten leben. Aber die gibt es nicht zur Miete und ein Grossteil der Bevölkerung kann sich ein eigenes Hausboot nicht leisten.» 

Damit grundsätzlich jedem Menschen offensteht, in so einem Bezirk zu leben, sucht Hearn nach Modellen, mit denen das Leben dort finanzierbar wird. Denn Neubauten sind meistens teuer, Eigentum ist nicht für alle erschwinglich und vielen Leuten fehlt das Netzwerk, um überhaupt an so einem Ort wohnen zu können.

Studieren und um die Welt fliegen

Aufgewachsen ist Adam Xavier Gabriel Hearn, wie er mit vollem Namen heisst, in Madrid. Mit 17 Jahren verliess er sein Zuhause in Richtung England. «Ich habe auch den englischen Pass, deshalb war es für mich logisch, dort zu studieren», erzählt er. Auf seinen Bachelor in Development Studies und Social Studies folgten einige Jahre als Flugbegleiter bei British Airways.

In dieser Zeit begann Hearn mit freiwilligen Engagements. «Ich war schon immer eine Art Sozialaktivist und gleichzeitig spirituell veranlagt», sagt er. Einmal im Monat flog er für eine Woche nach Kenia, wo er in einem Waisenhaus für Kinder mit HIV arbeitete. Eine prägende Erfahrung für ihn: «Ich merkte, dass ich mehr tun will für die Allgemeinheit.» Daraufhin reduzierte er sein Arbeitspensum und machte seinen Master in medizinischer Ethnologie.

In England lernte er auch seine Frau Iljana Schubert kennen. Nach der Geburt der beiden Kinder stand ein Richtungsentscheid an: «Nachdem ich den Master abgeschlossen hatte, war klar, dass meine Frau ihre wissenschaftliche Karriere vorantreiben wird», erzählt er. Sie bekam ein Stellenangebot als Postdoc an der Universität Basel und die Familie zog nach Bad Säckingen. Er kümmerte sich um die Familie – bis vor drei Jahren seine Chance auf eine Dissertation kam.

Statt Reisen gibt es Online-Befragungen

«Diese Stelle ist für mich ein Traum», schwärmt Hearn. Für das Vorstellungsgespräch reiste er nach Nottingham, wo die 15 Doktorierenden ausgewählt wurden. «Das Interview dort war ein Destaster!», erzählt er. «Meine Mac-Präsentation wurde auf dem PC nicht richtig dargestellt. Da wusste ich: Es ist eigentlich vorbei. Also entspannte ich mich und begann zu reden. Offenbar so gut, dass ich den Job trotz vermasselter Präsentation bekam.»

Seine Forschungsarbeit begann er im September 2019. Die Idee war, zu verschiedenen PEDs zu reisen und zu untersuchen, wie das Leben dort organisiert wird und wie die Chancen für die breite Bevölkerung stehen, in so einem PED zu leben. Für das EU-Programm waren einige mehrwöchige Klausuren vorgesehen. Dann kam Corona und warf die ganze Planung über den Haufen. «Im Nachhinein war das aber gut», sagt Hearn. «So musste ich auf Online-Interviews umschwenken und konnte die Zahl der untersuchten PEDs enorm erhöhen.»

Nachhaltigkeit im Alltag

Statt der vorgesehenen Reisen wurde nun sein Büro in Basel zum Mittelpunkt seiner Forschung. Dorthin fährt Hearn mit dem Zug zum Badischen Bahnhof, danach bringt ihn sein Trottinett mit Muskelkraft bis zum Petersplatz. In seinem Büro hängt ein Bild, das er und seine Kollegin auf der Strasse gefunden hatten – «upcycling art» nennt er das. Und obwohl er aus seiner Zeit bei British Airways jedes Jahr einen Business-Class Flug für die ganze Familie geschenkt bekommt, verbringt die Familie ihre Ferien lieber in den Schweizer Alpen.

Dass ihm ökologisches Handeln wichtig ist, sieht man am freiwilligen Engagement Hearns. Er ist in seinem Wohnort Teil einer «Fair Teiler» Gruppe: Detailhändlern geben ihre abgelaufenen, aber noch geniessbaren Lebensmittel ab, Freiwillige rund um Hearn bringen sie an eine zentrale Abgabestelle. «Hier kann jeder, der möchte, Essen holen. Am Anfang blieb immer etwas zurück, seit dem Krieg in der Ukraine sind die Regale immer leer», erzählt er.

Schreiben oder reden – Hauptsache zu Nachhaltigkeit

In den letzten zweieinhalb Jahren war Hearn äusserst produktiv: Im Rahmen seiner Dissertation hat er fünf Papers veröffentlicht und wurde schon in diversen Wissenschaftsjournalen zitiert. Dennoch steht er einer akademischen Karriere skeptisch gegenüber: «In meinem Alter ist eine Postdoc-Stelle nicht der logische Weg. Vielleicht werde ich das universitäre Umfeld verlassen.»

Aber auch wenn er nicht weiter an der Universität tätig sein wird: Er weiss, dass sein Engagement und sein Enthusiasmus gefragt sind. Seit Anfang Jahr ist Hearn Botschafter für den EU-Klimapakt. Als solcher kann er genau das tun kann, worin er gut ist: leidenschaftlich über erneuerbare Energien sprechen und damit hoffentlich möglichst viele politische Entscheidungsträger überzeugen, zu handeln. Das nächste Mal im September, wenn er vor der UNO über das Potenzial von PEDs in Afrika spricht.

Im Fokus: die Sommerserie der Universität Basel

Das Format Im Fokus rückt junge Forschende in den Mittelpunkt, die zum internationalen Renommee der Universität beitragen. In den kommenden Wochen stellen wir insgesamt sieben Akademiker*innen aus unterschiedlichen Fachrichtungen vor, die stellvertretend für die über 3000 Doktorierenden und Postdocs der Universität Basel stehen.

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