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Gesund älter werden – Wunsch oder wissenschaftliche Realität?

Prof. Dr. Heike A. Bischoff-Ferrari am Schweizer Campus für gesunde Langlebigkeit.

Professorin Heike A. Bischoff-Ferrari forscht an der Universität Basel zur Frage, wie wir nicht nur länger, sondern gesünder leben können. Im Interview erklärt sie, warum kleine Veränderungen im Alltag Grosses bewirken, was moderne Altersmedizin heute leisten kann und welche Rolle Förder*innen dabei spielen, dieses Wissen der ganzen Gesellschaft zugänglich zu machen.

Frau Professor Bischoff-Ferrari, wie sind Sie zur Longevity-Forschung gekommen?

Über Basel! Ich hatte das Glück, als Assistenzärztin mit Prof. Hannes Stähelin zu arbeiten, der an der Universität Basel den ersten Lehrstuhl für Altersmedizin in der Schweiz aufgebaut hat. Er war überzeugt, dass wir den Alterungsprozess selbst erforschen müssen, um so die Wurzel aller chronischen Krankheiten wie Demenz, Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen direkt zu beeinflussen. Diese Idee hat mich seither begleitet und ist heute aktueller denn je.

Was fasziniert Sie an diesem Thema?

Die Tatsache, dass unsere Gene nur etwa 10 bis 30 Prozent unserer Lebenserwartung bestimmen. Der weitaus grössere Teil wird durch den Lebensstil geprägt wird und diesen können wir aktiv beeinflussen. Das birgt enormes Potenzial. Besonders spannend finde ich, dass bereits kleine Veränderungen in verschiedenen Lebensstilfaktoren in Kombination eine grosse Wirkung entfalten können, weil sie unterschiedliche biologische Prozesse des Alterns gleichzeitig positiv beeinflussen.

Was verstehen Sie unter „Longevity“?

Longevity bedeutet für mich nicht nur ein langes, sondern vor allem ein gesundes Leben. In Europa liegt die durchschnittliche Lebenserwartung bei rund 80 Jahren, aber die gesunde Lebenserwartung liegt nur bei 64 Jahren. Unser Ziel ist es, diese Lücke zu verkleinern und die gesunde Lebenserwartung zu verlängern. Damit Menschen möglichst lange aktiv und gesund und selbstbestimmt leben können.

Altern wir, weil wir krank werden, oder werden wir krank, weil wir alt werden?

Unser Alterungsprozess ist der Hauptrisikofaktor für die allermeisten chronischen Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Demenz, Krebserkrankungen und Diabetes. Wir werden mit zunehmendem Alter anfälliger zu erkranken, weil Reparaturmechanismen unseres unserer Gene schwächer werden. Die gute Nachricht ist, dass wir über gesunde Lebensstilfaktoren diese Reparaturmechanismen stärken und Krankheiten, die in unserem Erbgut verankert sind, unterdrücken oder hinauszögern können.

Welche Lebensstilfaktoren beeinflussen das gesunde Altern?

Am stärksten wirken Bewegung, gesunde Ernährung, soziale Kontakte, guter Schlaf, Achtsamkeit und der Verzicht auf Rauchen. Besonders effektiv ist die Kombination verschiedener Massnahmen. In der DO-HEALTH-Studie mit über 2’000 generell gesunden Frauen und Männern ab 70 Jahren in Europa, darunter 1’000 aus der Schweiz, konnten wir zeigen: Die Einnahme von Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren sowie ein einfaches Trainingsprogramm senken in Kombination das Krebsrisiko und die Gebrechlichkeit über drei Jahre deutlich, um bis zu 61 beziehungsweise 39 Prozent.

Spielt auch die Genetik eine Rolle?

Ja, aber eine kleinere als oft angenommen. Entscheidend ist, dass wir durch unseren Lebensstil genetische Risiken beeinflussen können. Wir können sie zum Beilspiel „anschalten“ durch einen ungesunden Lebensstil, aber eben auch hinauszögern oder gar ausschalten mit einem gesunden Lebensstil.

Gibt es technologische Fortschritte, die das Feld besonders prägen?

Unbedingt. In den letzten Jahren wurden verschiedene molekulare Messwerte entwickelt, die das biologische Alter messen können. Besonders spannend sind die sogenannten biologischen «Organ-Alter-Uhren», welche durch den Schweizer Forscher Tony Wyss-Coray in Stanford entwickelt wurden. Basierend auf im Blut gemessenen Eiweissen kann das biologische Alter von elf Organen bestimmt und damit der Alterungsprozesse in einzelnen Organen sichtbar macht werden. Die Uhren zeigen zum Beispiel, dass gesunde Menschen mit einem erhöhten Alterungsprozess im Gehirn ein erhöhtes Risiko für eine zukünftige Demenz aufweisen. Solche Messinstrumente helfen, Prävention viel früher und gezielter einzusetzen. Prof. Wyss-Coray wird auch am Schweizer Campus für Gesunde Langlebigkeit mitarbeiten um gemeinsam zu untersuchen, ob Interventionen den Alterungsprozess in verschiedenen Organen beeinflussen.

Welche Bedeutung hat das für unser Gesundheitssystem?

Gesunde Langlebigkeit ist ein enormer Hebel. Nicht nur für die Lebensqualität, sondern auch zur Entlastung des Gesundheitssystems. Das Alter ist integral mit chronischen Erkrankungen verbunden. Wenn Menschen also länger gesund bleiben, bleiben sie länger aktiv in der Gesellschaft. Wir wissen heute aus verschiedenen gesundheitsökonomischen Modellen, dass Gesundheit zu fördern weniger kostet als Krankheiten zu behandeln. In einer modernen älter werdenden Gesellschaft ist das von grosser Bedeutung.

Wie kann der Zugang zu diesen Erkenntnissen möglichst breit ermöglicht werden?

Das ist ein zentrales Anliegen des Schweizer Campus für gesunde Langlebigkeit, den wir derzeit in Basel aufbauen. Er soll Forschung, Praxis und Bevölkerung verbinden. Unter anderem mit einer eigenen Campus-Klinik und dem Zugang zum WHO Programm ICOPE auf der volkgesundheitlichen Ebene in Zusammenarbeit mit Pro Senectute. Ziel ist es, wirksame Massnahmen niedrigschwellig und für alle zugänglich zu machen.

Welche Rolle spielt hierbei die Universität Basel?

Die Universität Basel ist ein Pionierstandort in der Altersmedizin: Von der ersten Memory Clinic Europas bis zur heutigen DO-HEALTH-Studie. Der Campus baut auf dieser Tradition auf und bringt Expert*innen aus Molekularbiologie, Public Health und klinischer Medizin zusammen. Damit treiben wir gemeinsam die Entwicklung einer „Medizin Version 2.0“ voran, die direkt am biologischen Alterungsprozess ansetzt.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft und welche Rolle können Förder*innen dabei spielen?

Wir wollen mit dem Campus eine Plattform schaffen, die Fortschritt in der Forschung direkt in greifbaren Nutzen für die Bevölkerung übersetzt. Damit das gelingt, braucht es engagierte Förder*innen. Öffentliche Mittel decken oft nur die Grundlagen. Für innovative Studien und mutige neue Ansätze braucht es privates Engagement. Dies macht den entscheidenden Unterschied zwischen guter und wegweisender Forschung. Philanthropinnen und Philanthropen können entscheidend dazu beitragen, dass neues Wissen nicht im Labor bleibt, sondern den Menschen weltweit zugutekommt. Zugleich eröffnet sich mit ihrem Engagement die Chance, Basel und die Schweiz als Vorreiterinnen im globalen Trend zu Healthy Longevity zu positionieren.

Zur Person

Prof. Dr. Heike A. Bischoff-Ferrari übernimmt per Juli 2025 den Lehrstuhl für Geriatrie an der Medizinischen Fakultät der Universität Basel. Gleichzeitig wird sie Chefärztin und Departementsleiterin für Akute Altersmedizin an der Universitären Altersmedizin Felix Platter (UAFP).

In dieser Doppelfunktion wird sie den Aufbau eines innovativen Schweizer Campus für gesunde Langlebigkeit vorantreiben – ein gemeinsames Projekt der Universität Basel und der UAFP.

Der Campus versteht sich als Weiterentwicklung des erfolgreichen europäischen Forschungsprojekts DO-HEALTH. Er verfolgt das Ziel, wissenschaftlich belegte Massnahmen und neuer molekularer Messwerte zur Förderung der gesunden Lebenserwartung systematisch zu erforschen, weiterzuentwickeln und in die klinische und öffentliche Gesundheitsversorgung zu überführen. Damit entsteht in Basel ein schweizweit einzigartiger Ort, an dem Forschung und Praxis für die Ausweitung der gesunden Lebenserwartung zusammengeführt werden.

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