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Neue Perspektiven auf die antike Welt

Klimawandel, Familienleben, Pandemien – die Althistorikerin Sabine Huebner untersucht den Alltag der Menschen vor 2000 Jahren und lässt sich dabei von aktuellen Fragestellungen leiten.

Sabine Huebner
Sabine Huebner untersucht den Einfluss von Klimawandel und Pandemien als Triebkraft gesellschaftlicher Umwälzungen während der Krise des Römischen Reiches im 3. Jh. n. Chr. (Bild: © Andreas Zimmermann, Universität Basel)

Welchen Einfluss hatte der Monsunregen auf den Alltag der antiken Bevölkerung? Wie gestaltete sich das Familienleben im 3. Jahrhundert nach Chr.? Wie sehr unterschieden sich die ersten Christen von ihrer heidnischen Umwelt? Es sind solche sozial-, wirtschafts- und religionsgeschichtlichen Fragen, die im Zentrum von Prof. Dr. Sabine Huebners wissenschaftlicher Arbeit stehen. Jenseits von Platon, Homer und den Kaisern konzentriert sich ihre Forschung ganz auf das Leben der einfachen Leute. Dafür nutzt sie neben den traditionellen Quellen auch natürliche Archive und Klimadaten, um eine ganzheitlichere Sicht auf die Antike zu schaffen.

«Basel bietet ideale Voraussetzungen für meine Forschungsrichtung», sagt Prof. Huebner, die 2014 die Fachbereichsleitung der Alten Geschichte übernahm. «Wir besitzen eine eigene Papyrussammlung und die umfangreichste altertumswissenschaftliche Bibliothek im deutschsprachigen Raum. Und dank ausgezeichneter Forschungsförderung sind wir mittlerweile ein international bekanntes Zentrum für griechisch-römische Ägyptenforschung und Papyrologie und bei vielen Entwicklungen ganz vorne mit dabei.»

Neue Daten für alte Fragen

Noch in diesem Frühjahr startet Huebners jüngstes Forschungsvorhaben, The Roman Egypt Lab. Das vierjährige Projekt bringt Klimawissenschaftler, Althistoriker und Archäologen zusammen, um Wechselbeziehungen zwischen Klimawandel, Umweltstress und sozio-politischen Veränderungen im 3. Jahrhundert nach Chr. zu untersuchen. In dieser Zeit war das ganze Römische Reich von schweren Krisen betroffen und neuere Forschung deutet darauf hin, dass ein Klimawandel zum Niedergang des Imperiums beigetragen haben könnte. «Bislang ist das aber nur eine Theorie», so die Althistorikerin. «Wir wollen diese Hypothese anhand einer umfassenden interdisziplinären Untersuchung aller verfügbaren Quellen testen.»

Ziel ist es, eine historische Klimadatenbank aufzubauen, die hochaufgelöste Daten für die römische Epoche bieten soll. Im Zentrum steht dabei eine Rekonstruktion der Nilschwemmen, die durch den Monsunregen ausgelöst wurden. Es wird angenommen, dass Schwankungen beim Monsunregen zu niedrigen Wasserständen und Wasserknappheit führten. Dies wiederum hatte Auswirkungen auf die Landwirtschaft und Bevölkerungsentwicklung in der römischen Provinz Ägypten. Mittels kombinierter Analysen von schriftlichen und archäologischen Quellen sowie natürlichen Archiven – wie etwa Seesedimenten, Eisbohrkernen und Baumringen – soll geklärt werden, inwieweit Klimaveränderungen und auch Pandemien als Treiber gravierender gesellschaftlicher Veränderungen mitverantwortlich gemacht werden können.

Prägende Jahre in den USA

Huebners Interesse an einer Kooperation mit den Naturwissenschaften kommt nicht von ungefähr. Schon früh begeisterte sie sich für Latein und Griechisch, aber auch für Mathematik und Chemie; in die Alte Geschichte sei sie eher zufällig «hineingerutscht». Prägend für ihre wissenschaftliche Arbeit sei dann vor allem ihre Postdoc-Zeit in den USA gewesen. Nach dem Studium in Münster, Rom, London und Jena forschte und lehrte sie für fünf Jahre an der Columbia University, der University of Berkeley und am Institute for Advanced Study in Princeton. Bis heute verbringt sie regelmässig Forschungssemester in den USA, um neue Ideen und Anregungen für ihre wissenschaftliche Arbeit zu gewinnen.

Die Jahre in den USA hätten auch sehr ihr Hierarchieverständnis beeinflusst. «Ich war damals überrascht zu sehen, wie offen die amerikanische Forschungskultur war. Schon als Postdoc wurde ich als vollwertige Kollegin betrachtet und auch das interdisziplinäre Arbeiten war ganz selbstverständlich». Mittlerweile finden Nachwuchsforschende aus aller Welt den Weg nach Basel, um mit Huebner an der Aufklärung der griechisch-römischen Welt zu arbeiten.
 

Sabine Huebner
Sabine Huebner erforscht Papyri aus dem Alten Ägypten und dem antiken Mittelmeerraum in griechisch-römischer Zeit. (Bild: © Universität Basel)

Die Antike zugänglich machen

Das Klima-Projekt folgt kurz nach Abschluss der Editierung der Basler Papyrussammlung. Diese befindet sich schon seit Ende des 19. Jahrhunderts im Besitz der Universität und war bislang aber nur in kleinen Teilen editiert. In Zusammenarbeit mit ihrer Forschungsgruppe und dem Digital Humanities Lab hat Huebner die Sammlung mit Texten in Griechisch, Lateinisch, Koptisch und Hieratisch vollständig aufgearbeitet, digitalisiert und erstmals öffentlich zugänglich gemacht.

Dabei konnten einige wertvolle Dokumente zutage gefördert werden, wie unter anderem der weltweit älteste bekannte christliche Privatbrief, der aufschlussreiche Erkenntnisse über das Leben der frühsten Christen liefert. Für die antike Sozialgeschichte sind die Papyri – das sogenannte Papier der Antike – eine überaus wichtige Quelle. Sie wurden universell von allen Schichten der Gesellschaft für alle möglichen Alltagsgeschäfte benutzt und bieten daher vielseitige Einblicke in den Alltag der einfachen Leute.  

Das Editionsprojekt der Basler Papyrussammlung wurde auch als Ausstellung gezeigt. Der Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit ist Huebner wichtig. «Die antiken Gesellschaften mussten sich vielen Herausforderungen stellen, die uns auch heute noch beschäftigen», sagt sie. «Mich interessieren die Anpassungsstrategien. Es gibt da überaus viele faszinierende Parallelen und ich denke das ist auch von grossem öffentlichem Interesse.»

Antike Sozialgeschichte und Klimawandel

Im Februar 2021 startete das Projekt Roman Egypt Lab: Climate Change, Societal Transformations, and the Transition to Late Antiquity. Ziel ist es, die Kluft zwischen den Natur- und Geisteswissenschaften zu überwinden und den Einfluss von Klimawandel und Pandemien als Triebkraft gesellschaftlicher Umwälzungen während der Krise des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert nach Christus zu untersuchen. Das interdisziplinäre Projekt wird vom Schweizerischen Nationalfonds mit knapp einer Millionen Franken über vier Jahre gefördert. Leading House ist der Fachbereich Alte Geschichte der Universität Basel; das Institut für Umweltwissenschaften der Universität Genf fungiert als Projektpartner.

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