Wie sich die Universität Basel mit dem Ehrendoktor modernisierte
Wenn Universitäten Ehrenpromotionen verleihen, betreiben sie immer auch Selbstdarstellung. Die Einführung der Auszeichnung vor rund zweihundert Jahren trug dazu bei, aus den verstaubten Hochschulen moderne Universitäten zu machen.
21. November 2024 | Text: Urs Hafner
Der Star hatte keine Zeit, für die Titelverleihung nach Basel zu kommen, aber er bedankte sich per Videobotschaft überschwänglich für die «absolute riesige grandiose grosse Ehre». 2017 kürte die Universität Basel an ihrem 557. Dies academicus den Tennisspieler Roger Federer zum Ehrendoktor, das erste und bisher letzte Mal einen Profisportler. Seither dürfte Federer sich, wenn er denn wollte, «Dr. med. h.c.» nennen, was er natürlich nicht tut. «H.c.» steht für «honoris causa», ehrenhalber, «med.» verweist auf die Medizinische Fakultät, die Federer nominiert hatte. Die Fakultäten bestimmen ihre Ehrendoktoren und Ehrendoktorinnenen selber, die an der Jahresfeier der Universität geehrt werden.
Die Titelverleihung stiess auf Kritik. Einige Medien machten sich über die «PR-Aktion» lustig, und wieso ausgerechnet der Schulabbrecher und Selbstvermarktungskönig mit Luxuswohnung in Dubai akademische Weihen erhalten sollte, ging manchen Professoren und vielen Bürgerinnen und Bürgern nicht in den Kopf. Doch so gross die Irritation war: Mit dem Federer-Doktor machte die Universität Basel nichts anderes, als die angelsächsische Tradition nach Europa zu importieren.
Dr. Marketing
In dieser Tradition sind der akademische Doktortitel, der PhD, der erst im 19. Jahrhundert gebräuchlich wurde, und der Ehrendoktor zwei verschiedene Paar Schuhe. Letzterer wird mehrheitlich für gesellschaftliche Verdienste verliehen und hat akademisch einen beschränkten Wert. In den USA darf der Ehrendoktor deshalb auch nicht im Namen geführt werden. Er wird an Mäzene, berühmte Sportlerinnen und Sportler und andere Prominente vergeben. Das Ziel ist klar: Die überwiegend privat alimentierten Unis machen mit der Titelvergabe PR und suchen neue Finanzquellen.
In Europa dagegen ist das Ehrendoktorat eng mit dem akademischen Doktorat verbunden, das im Mittelalter von der Universität Bologna eingeführt wurde. Dies zeigt Beat Münch, promovierter Romanist und ehemaliger Adjunkt des Rektors der Universität Basel, in seinem Buch zur Geschichte der Ehrenpromotion von ihren Anfängen bis 2015. Im Fokus steht die Universität Basel, aber Münch liefert nicht weniger als einen umfassenden Blick auf die gesamte Entwicklung des eigenartigen Titels.
So benutzt die Universität Basel für beide Titel – Ehrendoktorat und herkömmliches Doktorat – die gleiche Urkunde. Der Ehrendoktor hat in Europa akademisches Gewicht, Professorinnen und Doktoren schmücken sich mit dem Titel. Er hat sogar zur Entstehung der modernen Universität zu Beginn des 19. Jahrhunderts beigetragen, die als Forschungsuniversität konzipiert wurde. Basel war an vorderster Front mit dabei.
Ehre, wem Ehre gebührt
Am Ende des 18. Jahrhunderts sind die meisten Universitäten Europas in einem lamentablen Zustand. Oft werden Lehrstühle innerhalb der Familie vererbt, akademische Leistungsausweise sind käuflich oder nicht einmal nötig für die Erlangung einer Professur. Damit macht die neue Humboldt-Universität in Berlin 1810 Schluss. Benannt nach ihrem Gründer, dem Gelehrten und Staatsmann Wilhelm von Humboldt, führt die Reforminstitution die Einheit von Lehre und Forschung, ferner das «freie Studium», das Zeit für Musse lässt, sowie den «Dr. h.c.» ein. Die Fakultäten verleihen den Titel denjenigen Personen, die sie für wissenschaftlich kompetent erachten. Er ist dem regulären Doktorat gleichgestellt, das ist neu.
1818 gerät die in der Krise steckende Universität Basel unter staatliche Aufsicht. Die Fakultäten bestimmen jedoch weiter über die Promotionsordnungen. 1823 führen sie den Ehrendoktor nach dem Modell der Humboldt-Universität ein. «Zu verdanken hat die Universität die Modernisierung höchstwahrscheinlich dem kurz zuvor berufenen deutschen Theologen Wilhelm Martin Leberecht de Wette, der die Einrichtung aus Berlin mitbringt», sagt Beat Münch.
Gewürdigt wird als Erster Rudolf Hanhart, Rektor des Basler Gymnasiums am Münsterplatz und ausserordentlicher Professor der Pädagogik, für seine Verdienste um das lokale Schulwesen. «Der Ehrentitel wird an Personen vergeben, die wissenschaftliche Leistungen vorweisen können, aber entweder nicht an der Universität tätig sind oder keinen akademischen Titel haben», sagt Münch. Darunter sind im 19. Jahrhundert Lehrer und Pfarrer, die sich in der aufstrebenden Geologie Verdienste erworben haben und europaweit Reputation geniessen.
Akademische Leistung vs. Prominenz
Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts behält der Ehrendoktor den Charakter der Anfangszeit. Er wird nicht öffentlich vergeben, die Geehrten sind meist Personen aus dem lokalen Umfeld, und sie erfahren von ihrer Ernennung durch eine Urkunde. «Mit der Integration der Titelverleihung in den Dies academicus um die Mitte des 20. Jahrhunderts erhält ‹der h.c.› seinen heutigen Stellenwert», sagt Beat Münch. Die Presse berichtet nun über das Ritual, die Geehrten reisen an und werden von den Medien porträtiert. «Damit wird der Ehrendoktor zu einem Instrument der Selbstdarstellung der Universität, mit dem sie ihre Verbindung mit der Gesellschaft verstärkt.»
Ausgezeichnet werden zunehmend internationale Kapazitäten, Prominente und auch Mäzene, während lokale Ehrungen abnehmen. Indem die Universität den Titel öffentlich vergibt – etwa 2006 an den Basler Filmproduzenten und Oscar-Preisträger Arthur Cohn –, hofft sie, dass ein wenig von deren Glanz auf sie zurückfällt. Das verleitet sie dazu, Prominenz über akademische Leistung oder gesellschaftliches Engagement zu stellen. Dieser Trend erfasst alle Universitäten Europas, nicht nur Basel.
Der Federer-Doktor könnte für die Universität Basel allerdings ein Kipppunkt gewesen sein. So vergeben die um die Jahrtausendwende neu gegründeten Fakultäten für Wirtschaftswissenschaften und Psychologie das Ehrendoktorat mehrheitlich an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Trend, auf Wissenschaftlichkeit zu setzen, ist sogar in den USA sichtbar, wo Universitäten wie das Massachusetts Institute of Technology prinzipiell keine Ehrendoktorate verleihen, um den Wert des akademischen Doktorats nicht zu schmälern.
Anfang Juni 2024 aber hat das Dartmouth College, das der elitären Ivy-League angehört, Roger Federer einen weiteren Ehrendoktortitel verliehen. Anders als in Basel 2017 ist er angereist und hat eine Rede gehalten.
Geschichte der Basler Ehrenpromotion
Der ehemalige Adjunkt des Rektors, Dr. Beat Münch, ordnet in seinem Buch die Ehrenpromotion in die Entwicklung der akademischen Grade in Europa und in den Kontext der Universitätsgeschichte ein. Er gibt einen Überblick über die Ehrendoktorate an der Universität Basel und listet alle 786 bis 2015 verliehenen Ehrenpromotionen mit Namen, Kurzbiographie und Begründung auf. Ein alphabetisches und ein chronologisches Register runden den Band ab.
Beat Münch: Die Geschichte der Ehrenpromotion an der Universität Basel 1823–2015. Schwabe Verlag, Basel 2024, 72.00 CHF.