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Forschen im Dienste der Nachhaltigkeit (01/2015)

Wenn Langweiler Probleme machen

Karin Bundschuh

Infektionskrankheiten lassen sich zunehmend schwieriger behandeln. Vor allem langsam wachsende Keime erschweren eine Therapie.

Ziemlich ungerecht geht es bei einer Infektion zu. Manche Krankheitserreger treffen auf perfekte Bedingungen. Sie sind bestens mit Nahrung versorgt und können sich millionenfach vermehren. Völlig gleiche Bakterien in unmittelbarer Nachbarschaft müssen dagegen darben und können sich nur schleppend teilen. Diese ungleichen Verhältnisse in ein und demselben Organ sind nicht nur für die Bakterien bedeutsam, sondern auch für ihre Wirte. Denn während man den sich flott reproduzierenden Keimen meist schon mit einer einzigen Antibiotikagabe den Garaus machen kann, können ihre langsam wachsenden Artgenossen hohe Antibiotika-Konzentrationen über Tage, Wochen und sogar Monate ertragen, ohne dass ihnen der Wirkstoff dauerhaft etwas anhaben kann. Dank ihrer gemächlichen Entwicklung können sie sich dem Angriff von Penicillin und Co. entziehen, ohne resistent gegen die Medikamente zu sein, wie Dirk Bumann mit seinem Team zeigen konnte. Diese «mittelmässigen, sonst kaum auffälligen Erreger», so der Infektionsbiologe, sind vor allem verantwortlich dafür, dass Infektionen nach einer Antibiotikatherapie neu aufflammen.

Keime wachsen unterschiedlich schnell

Warum derart ungleiche Verhältnisse in infizierten Geweben herrschen, weiss Dirk Bumann, der seit 2007 am Biozentrum forscht, allerdings noch nicht. Bisher ist wenig untersucht, wo sich Bakterien in einem Organ ansiedeln und wie sie sich darin verbreiten. «Man dachte, das macht keinen Unterschied», erklärt der Wissenschaftler und räumt ein: «Wir Mikrobiologen hatten die klassische Anatomie bisher eher nicht auf unserem Bildschirm.»

Dass sich das ändern wird, da ist sich der gebürtige Berliner sicher. Das ganze Forschungsfeld werde sich wandeln. In einem Review für die Fachzeitschrift «Cell Host & Microbe» hat der Professor gerade dargelegt, warum ein neuer Blick auf das Verhältnis von Wirt und Krankheitserreger so spannend und lohnend ist. Wenn die Forscher irgendwann genauer wissen, wie es einem Krankheitserreger an verschiedenen Orten eines Organs ergeht, dann können sie Antibiotikatherapien vielleicht gezielter als bisher einsetzen und auch das Immunsystem selbst in seinem Kampf gegen Salmonellen, Staphylokokken oder Mykobakterien passgenau unterstützen. Doch bis zu derartigen Verbesserungen in der Behandlung müssen noch viele völlig offene Fragen geklärt werden.

Warum gibt es überhaupt so grosse Milieuunterschiede auf engstem Raum? Gut beobachten lässt sich dieses Phänomen z.B. bei Tuberkuloseerkrankungen. «Unserem Immunsystem gelingt es, viele Erreger in der Lunge abzutöten, aber direkt daneben im Gewebe gibt es aktive Herde, von denen aus die Bakterien Zugang zu den Atemwegen haben und viele andere Menschen anstecken können», wundert sich der Forscher. Der Wirt kann also sehr viele Erreger besiegen, aber am Ende reicht das nicht aus, weil an einigen Stellen die Bakterien gewinnen. Doch warum sind die Bakterien letztendlich überlegen? Dirk Bumann vermutet, dass das Immunsystem im Wettkampf mit den sich schnell ausbreitenden Bakterien oft ein wenig hinterherhinkt.

Schnitt durch eine mit Salmonellen infizierte Milz.
Schnitt durch eine mit Salmonellen infizierte Milz. Die Bakterien haben sich über das ganze Gewebe verteilt, wo sie sich unterschiedlich schnell vermehren. In den hellblauen Bereichen befinden sich B- und T-Zellen, die den Erreger bekämpfen. Sie sind von einem Rand aus hell gefärbten Fresszellen umgeben. Dazwischen liegen Bereiche, in denen alte rote Blutkörperchen aufgefangen und abgebaut werden; die schwarzen Stellen sind Blutgefässe. Die Kombination Hunderter solcher Gewebeschnitte ermöglicht eine dreidimensionale Analyse darüber, mit welcher Dynamik sich eine Infektion in den verschiedenen Geweberegionen entwickelt. © Universität Basel, Biozentrum.

Unklar ist auch, welche Bedingungen die allermeisten Krankheitserreger vorfinden, wenn sie ein Gewebe infizieren. Bei ihren Untersuchungen an Salmonellen stellten die Basler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fest, dass nur etwa zehn Prozent der Bakterien gute Verhältnisse antreffen und sich optimal vermehren können. Der Rest muss sich in einer eher unwirtlichen Umgebung behaupten. Wahrscheinlich mangelt es diesen Erregern an Nahrung, während sie gleichzeitig den Attacken des Immunsystems ausgesetzt sind, das versucht, die Eindringlinge mit niedrigen pH-Werten, wenig Sauerstoff, aggressiven Radikalen und wehrhaften Immunzellen zu vernichten. Doch die genaue Analyse des Milieus steht noch aus. Zu klären ist auch, wie sich Infektionen im Gewebe ausbreiten. «Das sind für uns faszinierende Fragen, weil sie fundamental für ein besseres Verständnis und neue Behandlungsmöglichkeiten sind. Ihre Beantwortung wird uns sicher mehrere Jahre beschäftigen», vermutet der Infektionsbiologe, den diese Aussicht aber keineswegs schreckt.

Vermehrung im Gewebe messen

Ganz neue Möglichkeiten, um Antworten auf all ihre Fragen zu finden, liefern den Basler Forschern dreidimensionale mikroskopische Verfahren, die bisher nur in der Hirnforschung angewendet wurden. Schnittapparatur und Mikroskop sind in einem Gerät zusammengefasst, sodass von einem Organ ohne Deformationen Schicht um Schicht analysiert und abgetragen werden kann. «Das ist, wie wenn sie mit einer unglaublichen Auflösung von oben auf ein angeschnittenes Brot schauen», erklärt Dirk Bumann. Strukturen, die nur zwei tausendstel Millimeter auseinanderliegen, lassen sich mit diesen Hightech-Geräten voneinander unterschieden.

Verstärkt wird der Kontrast mithilfe fluoreszierender Farbstoffe, die die Bakterien im Gewebe leuchten lassen. Inzwischen funktioniert dieses Verfahren nicht nur im Licht-, sondern auch im Elektronenmikroskop. Dieses liefert Bilder zwar nur in Schwarz-Weiss, dafür liegt die Auflösung sogar im Nanometerbereich. Das erlaubt den Blick bis auf die Membran, die die Bakterien einhüllt. Drei Wochen dauert es, bis ein Organ Schnitt für Schnitt erfasst, fotografiert und ein Terabyte Daten gewonnen ist. Diese zu analysieren, ist eine der grossen Herausforderungen, vor denen Dirk Bumann und sein Team stehen.

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