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Wie hört das Gehirn?

Wer nicht richtig hört, kann nicht richtig kommunizieren. Die Ursache für das Problem liegt dabei nicht immer im Ohr, sondern auch im Gehirn. Die Neurowissenschaftlerin Tania Barkat erforscht deshalb, wie das Gehirn Töne verarbeitet und warum das manchmal nicht klappt.

Tania Barkat hat gemeinsam mit ihrem Team ein Mausmodell für Cochlea-Implantate entwickelt, die den Hörnerv durch elektrische Impulse stimulieren und tauben Menschen das Hören ermöglichen (Bild: © Christian Flierl, Universität Basel).
Tania Barkat hat gemeinsam mit ihrem Team ein Mausmodell für Cochlea-Implantate entwickelt, die den Hörnerv durch elektrische Impulse stimulieren und tauben Menschen das Hören ermöglichen (Bild: © Christian Flierl, Universität Basel).

Schon als Kind wollte Tania Barkat immer wissen, wie Sachen funktionieren. Eine zukünftige Karriere in der Naturwissenschaft schien damit vorgezeichnet. Nach einem Studium in Physikalischer Chemie an der EPFL Lausanne fand sie durch ihre Doktorarbeit in der Neurowissenschaft schliesslich ihre wahre Berufung. «Jeder Mensch fragt sich doch, wie Wahrnehmungen und Gefühle im Gehirn entstehen», sagt Barkat. «Es ist unglaublich befriedigend, die Antwort auf solche Fragen zu finden.»

Nach Stationen an der amerikanischen Harvard-Universität und der Universität Kopenhagen ist sie nun seit 2015 Tenure Track-Professorin für Neurophysiologie am Departement Biomedizin der Universität Basel. Sie hat sich auf die Erforschung des sogenannten Hörgehirns spezialisiert – denn erstaunlicherweise ist bis jetzt noch wenig darüber bekannt, wie das Gehirn Töne wahrnimmt und verarbeitet.

Konkrete Hilfe für Hörgeschädigte

Mit ihrem Forschungsprojekt will sie letztendlich den vielen Menschen helfen, die unter Fehlfunktionen im Hörgehirn leiden. So werden etwa mehr als zehn Prozent der Bevölkerung von durch Tinnitus ausgelösten Phantomtönen geplagt.

Der Weg von der Grundlagenforschung bis zur praktischen Anwendung ist dabei mitunter sehr kurz – beispielsweise, wenn es um die Verbesserung von Cochlea-Implantaten geht: Solche Hörprothesen stimulieren den Hörnerv durch elektrische Impulse und ermöglichen tauben Menschen das Hören, wenn auch in eingeschränkter Qualität. Barkat hat nun gemeinsam mit ihrem Team ein Mausmodell für diese Implantate entwickelt. So kann sie genau sehen, wie die verschiedenen Areale des Hörgehirns auf die Stimulation reagieren. Nun arbeitet sie daran, die Impulse so zu optimieren, dass die Hirnzellen präziser angesprochen werden – und gleichzeitig die Batterie des Implantats länger hält.

Grundlegendes Verständnis der Nerven-Schaltkreise

Neben diesem Mausmodell setzt Barkat für ihre Experimente noch eine Vielzahl an anderen Methoden ein, darunter Verhaltensstudien, Computersimulationen sowie biochemische und molekularbiologische Techniken wie die sogenannte Optogenetik, bei der bestimmte Hirnzellen durch farbiges Licht gezielt ein- oder ausgeschaltet werden.

Hiermit konnte sie schon zwei getrennte Nervenschaltkreise im Hörgehirn identifizieren, die jeweils verschiedene Aufgaben wahrnehmen. Laut Barkat sind solche Erkenntnisse wichtig, auch wenn sich daraus keine unmittelbare Anwendung ergibt: Denn ein besseres Verständnis der grundlegenden Prozesse kann helfen, Hörprobleme besser zu verstehen und ihre Entstehung zu verhindern.

So gibt es etwa in der frühkindlichen Entwicklung des Hörgehirns mehrere kritische Zeitfenster: Erfolgt ein akustischer Input nicht zur rechten Zeit, so kann dies später Folgen für das Hörverständnis haben. Barkat untersucht deshalb nun am Beispiel der Maus, wie sich die Schaltkreise im Gehirn im Kindesalter entwickeln. Und ein weiteres Projekt widmet sich dem Unterschied zwischen dem aktiven Zuhören und dem passiven Hören von Hintergrundgeräuschen. Denn hier liegt möglicherweise eine Mitursache für Aufmerksamkeitsstörungen wie ADHS oder Autismus.

Tania Barkat möchte mit ihrem Forschungsprojekt den vielen Menschen helfen, die unter Fehlfunktionen im Hörgehirn leiden. Bis jetzt ist erstaunlicherweise noch wenig darüber bekannt, wie das Gehirn Töne wahrnimmt und verarbeitet (Bild: © Christian Flierl, Universität Basel)
Tania Barkat möchte mit ihrem Forschungsprojekt den vielen Menschen helfen, die unter Fehlfunktionen im Hörgehirn leiden. Bis jetzt ist erstaunlicherweise noch wenig darüber bekannt, wie das Gehirn Töne wahrnimmt und verarbeitet (Bild: © Christian Flierl, Universität Basel).


Basler Umfeld fördert Forschergeist

Seit dem Wechsel von Kopenhagen nach Basel wird Barkat massgeblich durch den Schweizerischen Nationalfonds unterstützt (siehe Kasten). Den Schritt zurück in die Schweiz hat sie bis jetzt noch nie bereut: So gibt es in Basel zahlreiche herausragende neurowissenschaftliche Forschungsgruppen, etwa am Friedrich Miescher Institute, am Biozentrum und am Departement Biomedizin, welche eine einmalige «Forschungs-Community» bilden und sich gegenseitig unterstützen. «Das schraubt natürlich auch die Ansprüche hoch, die man an sich selbst stellt», so Barkat.

In Basel hat sie ausserdem zu einer optimalen Work-Life-Balance gefunden. Da sie ihre beiden kleinen Töchter tagsüber bestens betreut weiss, kann sie sich nun voll und ganz auf ihre Arbeit konzentrieren: «Man untersucht das Gehirn und auf einmal kommt die Erkenntnis: Oh, so hören wir also. Das sind die Momente, die mich immer weiter antreiben.»

Funktion von Nerven-Schaltkreisen beim Hören

Tania Barkat leitet das Brain & Sound Lab am Departement Biomedizin der Universität Basel. Dort untersucht sie im Detail, wie akustische Reize im Gehirn verarbeitet werden. Der Schweizerische Nationalfonds finanziert diese Forschung mit rund 1.3 Millionen Franken über fünf Jahre und kompensiert so den Starting Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC), der Tania Barkat durch den Wechsel von der Universität Kopenhagen an die Universität Basel verloren ging.

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