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Innovation im Miniaturformat

Auf der Suche nach neuartigen Anwendungen kombiniert die Physikerin Cornelia Palivan künstlich geschaffene Materialien mit biologischen Substanzen. So entstehen unter anderem winzige molekulare Fabriken zu Therapie und Diagnose von Krankheiten.

Cornelia Palivan
Cornelia Palivan ist am NFS Molecular Systems Engineering beteiligt, der die Entwicklung molekularer Minifabriken vorantreibt, die von biologischen Prozessen inspiriert sind. (Bild: © Christian Flierl, Universität Basel)

Für ihre Forschung bewegt sich Cornelia Palivan ständig an der Schnittstelle zwischen Chemie, Physik, und Biologie. Denn die Systeme, die sie für Anwendungen in Medizin und Lebensmittelsicherheit sowie zur Verminderung von Schadstoffen in der Umwelt entwickelt, sind nur wenige Millionstel Millimeter gross – und in diesem Grössenbereich verschwimmen die Grenzen zwischen den Fachgebieten.

Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit sei deshalb der allerwichtigste Faktor für ihre Forschung, sagt Palivan. In Basel hat sie dafür das ideale Umfeld gefunden: So arbeiten im Swiss Nanoscience Institut Basel unter anderem Wissenschaftler der Universität und des Universitätsspitals Basel, der Fachhochschule Nordwestschweiz und Hightech-Unternehmen aus der Region gemeinsam an innovativen Projekten. Die Arbeitsgruppe von Palivan ist ebenfalls Teil des Nationalen Forschungsschwerpunkts «Molecular Systems Engineering» (MSE). Ausserdem kooperiert sie auf internationaler Ebene, etwa mit dem Departement Pharmazie der Universität Kopenhagen oder mit biomedizinischen Ingenieuren der National University in Irland.

Zusätzlich kann sie auf eigene breite Erfahrungen zurückgreifen: Nach dem Physik-Studium arbeitete sie zunächst in der pharmazeutischen Entwicklung. Danach folgten ein Doktorat in Physikalischer Chemie an den Universitäten Genf und Bukarest sowie Projekte an der Universität Basel und der ETH Zürich. Seit 2004 arbeitet sie am Departement Chemie der Universität Basel, wo sie im Jahr 2013 zur Titularprofessorin für Physikalische Chemie ernannt wurde.

Winzige Partikel – grosser Nutzen

In ihren Projekten verfolgt Palivan eine Vielzahl von verschiedenen Ansätzen – allen gemeinsam ist, dass sie dabei biologische Moleküle wie DNA oder Proteine und auch Zellen mit synthetischen Materialien kombiniert. Die dabei entwickelten Systeme finden zum Beispiel Anwendung auf Oberflächen: So kann eine antimikrobielle Beschichtung von Hüftimplantaten gefährliche Infektionen verhindern und Aufkleber mit winzigen Biosensoren zeigen an, ob Lebensmittel noch geniessbar sind.

Im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunkts MSE arbeitet Palivan vor allem mit sogenannten Vesikeln. Solche bläschenförmigen Container kommen natürlicherweise auch in unseren Zellen vor, wo sie Stoffe transportieren. Die von Palivan hergestellten Nachbauten aus synthetischen Materialien sind viel robuster als ihre natürlichen Vorbilder. Darin lassen sich beispielsweise Medikamente stabil verpackt in den Körper einschleusen und gezielt zum Krankheitsherd transportieren – die Voraussetzung für eine präzise und effektive Therapie mit wenig Nebenwirkungen.

Cornelia Palivan
Cornelia Palivan untersucht Proben mit einem Elektronenspinresonanz (ESR) Spektrometer. (Bild © Christian Flierl, Universität Basel)


Diagnose und Therapie gleichzeitig

Wie das in Zukunft aussehen könnte, zeigt ein neuer Ansatz zur Behandlung von Arterienverkalkung, den Palivan gemeinsam mit dem Departement Biosysteme der ETH Zürich entwickelt hat. Hierzu vereinen die Forschenden Diagnose und Therapie in einem Schritt, indem sie zwei verschiedene Arten von Vesikeln aneinander koppeln, die an die betroffenen Stellen in den Arterien binden: Ein Vesikel ist mit einen fluoreszierenden Farbstoff beladen und macht die verkalkten Stellen sichtbar; das andere Vesikel enthält ein Enzym, welches Botenstoffs Dopamin produziert und so die Bildung von weiteren Verkalkungen verhindert. Erste Tests zeigen, dass diese Methode im Reagenzglas gut funktioniert – auch wenn der Einsatz im Menschen noch weit entfernt ist.

Für Palivan ist dies nur ein erstes Beispiel für die Anwendung solcher gepaarten Vesikel: «Wir können dieses System nach dem Baukastenprinzip sehr schnell an verschiedene Bedürfnisse anpassen, indem wir einfach den Inhalt der Vesikel austauschen.» So könnte das erste Vesikel statt des Farbstoffs etwa ein Kontrastmittel enthalten und so die Andockstellen im MRI sichtbar machen. Und das zweite Vesikel könnte auch andere therapeutische Substanzen transportieren.

Mentorin für den Nachwuchs

Diese Fortschritte wären ohne den ständigen Austausch von Ideen in ihrem Team gar nicht möglich, meint Palivan. Deshalb gibt sie ihre Erfahrungen auch gerne an die nächste Generation weiter. Die Forschenden müssten beispielsweise lernen, immer einen Plan B parat zu haben und auch aus gescheiterten Experimenten wertvolle Schlüsse zu ziehen: «Auch wenn alles genau geplant ist, kommt nie exakt das heraus, was man möchte. Die Natur ist meist viel komplizierter, als wir denken.»

Besonders wichtig ist ihr dabei, dass angehende Forscherinnen ihre Karriere auch nach der Gründung einer Familie weiterführen können. Sie selbst hat zwei inzwischen erwachsene Kinder und konnte ihre Forschungstätigkeit nur dank grosser Unterstützung aus dem persönlichen Umfeld fortsetzen. Sie plädiert deshalb für bessere Lösungen in Politik und Gesellschaft: «Wenn junge, sehr talentierte Frauen einfach zu Hause bleiben, verliert unser Land ein riesiges Potenzial.»

Biologisch inspirierte Nanofabriken

Der Nationale Forschungsschwerpunkt «Molecular Systems Engineering» ist seit dem Jahr 2014 an der Universität Basel und der ETH Zürich beheimatet und wird vom Schweizerischen Nationalfonds mit über 35 Millionen Franken unterstützt. Das Ziel ist die Entwicklung von molekularen Minifabriken, die von biologischen Prozessen inspiriert sind. Hierzu werden biologische und synthetische Systeme und Substanzen miteinander kombiniert. Diese winzigen Produktionsketten sollen vor allem in der Therapie und Diagnose von Krankheiten, aber auch für die Herstellung von hochwertigen Chemikalien zum Einsatz kommen. An dem interdisziplinären Ansatz sind Forschungsgruppen aus der Biologie, Physik, Chemie und den Ingenieurswissenschaften beteiligt. Zudem gibt es zahlreiche internationale Kollaborationen, unter anderem mit Forschungsgruppen in Deutschland, Frankreich, Japan und den USA.

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