Wie die Liebe uns prägt.
Text: Noëmi Kern
Partnerschaften spielen eine wichtige Rolle im Leben. Eine Untersuchung aus der Psychologie zeigt, wie unsere Beziehungen und unsere Persönlichkeit sich gegenseitig formen.
Beziehungen, wie sie funktionieren und wie wir mit Verlust und Trennung umgehen können, all das beschäftigt uns. Denn was sich die meisten Menschen wünschen, ist eine glückliche Partnerschaft – mit dem Ziel, dass diese Beziehung möglichst lange hält; im Idealfall für immer. So ist in Zusammenhang mit einer Trennung oft von «scheitern» die Rede, das Ziel der ewigen Liebe wurde verfehlt. Nur entspricht dieser Anspruch selten der Realität. Unsere Sicht auf Beziehungen und deren Ende ist also stark normativ geprägt.
Alexander Grob, Professor für Entwicklungs- und Persönlichkeitspsychologie, relativiert: «Man muss zuerst einmal herausfinden, wie sich die Rädchen zwischenmenschlicher Verbindungen ineinanderfügen. Das geschieht in den ersten Lebensjahrzehnten.» Natürlich sei der Anfang einer Beziehung in der Regel das schönere Ereignis als eine Trennung. Veränderungen können aber in beide Richtungen positiv sein. «Mir ist es deshalb ein Anliegen, die Stigmatisierung des Beziehungsendes aufzulösen.» Denn die Forschung zeigt, dass manche Menschen nach einer Trennung persönliches Wachstum erfahren.
Beziehungsstatus und Persönlichkeit.
Wie jemand den Beginn einer neuen Beziehung oder eine Trennung wahrnimmt, ist individuell. «Das subjektive Empfinden von Beziehungsübergängen wurde in Studien bisher kaum berücksichtigt», so Alexander Grob. Er forscht seit mehreren Jahren zu Fragestellungen rund um Beziehungen. Mit seiner Forschungsgruppe hat er nun untersucht, wie sich Persönlichkeit und romantische Beziehung gegenseitig beeinflussen und entwickeln. Die Studie begleitete rund 1800 Personen zwischen 18 und 40 Jahren während zweieinhalb Jahren und befragte sie in regelmässigen Abständen zu ihrem Beziehungsalltag. Das ermöglichte Einblicke in die Entwicklungsdynamik zwischen Persönlichkeit und romantischen Beziehungen bei Singles und Personen in einer Beziehung.
Die Hälfte der Teilnehmenden war zunächst Single, die andere Hälfte war in einer festen Partnerschaft. Im Verlauf der Studie ergaben sich zahlreiche Transitionen, also ein Wechsel des Beziehungsstatus von Single zu liiert und umgekehrt. Erste Auswertungen zeigen: Menschen mit reiferer Persönlichkeit gehen eher eine Beziehung ein als unsichere und zurückhaltende Menschen. Anders ausgedrückt: «Wenn ich in der eigenen Persönlichkeit gefestigt bin, kann ich mich auch besser auf jemand anderen einlassen», erklärt Grob. Zudem wirken sichere Personen auf andere attraktiver und werden gewissermassen eher in eine neue Beziehung eingeladen. «Es gehören schliesslich immer zwei dazu, damit etwas Neues entsteht. Wir suchen Stabilität und wissen gerne, was auf uns zukommt», so der Psychologe.
Demgegenüber haben weniger gefestigte Personen eine geringere Wahrscheinlichkeit einer Transition in Beziehungen und eine höhere Wahrscheinlichkeit, eine Beziehung zu verlassen. Umgekehrt wirkt sich der Beziehungsstatus auf die Persönlichkeit aus. Die Transition aus dem Singleleben in eine Beziehung hat dabei einen längerfristig wirkenden Einfluss als umgekehrt. «Eine Partnerschaft führt zur Reifung der Persönlichkeit, also zu höheren Werten in Extraversion, emotionaler Stabilität, Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit und Offenheit für neue Erfahrungen», sagt Alexander Grob.
Erst mal Abstand.
Bei Personen mit Bindungsangst bewirkt eine Beziehung, dass diese tendenziell abnimmt. Zwar nimmt die Bindungsangst nach einer Trennung wieder zu, die Persönlichkeitsmerkmale verändern sich aber weniger stark als beim Übergang von Singledasein zu einer Beziehung. «Die Partnerin oder der Partner formt einen mit. Man entwickelt zum Beispiel einen gemeinsamen Rhythmus im Alltag, plant die Freizeit zusammen und arrangiert sich in Fragen des Zusammenlebens», erläutert Grob.
Bleibt die Frage, wie man am besten damit umgeht, wenn eine Beziehung zu Ende geht. Manchmal brauche es zuerst schlichtweg Abstand, um Wut, Trauer und Angst Platz einzuräumen. «Aber danach hilft es, dem Erlebten einen Sinn zu geben und nicht zu verbittern.» Wie erkläre ich mir meine Beziehungsgeschichte? Mache ich mein Gegenüber dafür verantwortlich, wie es mir geht? Oder reflektiere ich mich selber und meine Rolle in diesem Gefüge?
«Selbstreflexion sowie partnerschaftliche Reflexion sind wichtig. So kommt man möglicherweise zum Schluss, dass man sich auseinandergelebt hat und es gut ist, nun getrennte Wege zu gehen.» Der Psychologe rät auch dazu, sich zu fragen, was man vom anderen gelernt hat. Das zeige Wertschätzung. Immerhin hat man diese Person einmal geliebt. «Einen Zwischenstopp zwischen Beziehungen einzulegen, ist wichtig. Wer sich gleich in die nächste Beziehung stürzt, verpasst die Chance, sich selber besser kennenzulernen», ist Grob überzeugt. Und eben: Gefestigter in der Persönlichkeit zu sein ist von Vorteil beim Start einer nächsten Beziehung.
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