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Rund um den Mund. (01/2025)

Von Schlund bis Mund.

Texte: Angelika Jacobs und Noëmi Kern

Von den Fischen bis zu den Menschenaffen haben Wirbeltiere eine unglaubliche Vielfalt an Mundwerkzeugen entwickelt. Was wissen wir über ihre Ursprünge und ihre Geschichte?

Collage eines Hasen mit einem Raubtiergebiss
(Collage: SUAN Conceptual Design GmbH)

Woher kommt der Mund?

Er könnte kaum unterschiedlicher aussehen als das Gehirn. Und doch entwickeln sich bei Wirbeltieren viele Strukturen des Mundes – wie Kiefer, Zähne oder Gaumen – aus Vorläuferzellen des Gehirns. Diese sogenannten Neuralleistenzellen entstehen beim Menschen ab der dritten Schwangerschaftswoche, wenn sich am Rücken des Embryos röhrenartig das zentrale Nervensystem bildet. Ab der vierten Schwangerschaftswoche lösen sich die Zellen ab, wandern zur Vorderseite des Kopfes und entwickeln sich zu Knorpel, Knochen und Zähnen.

Entdeckt hat sie der Basler Anatomie- und Physiologieprofessor Wilhelm His (1831–1904). Auch heute wird an der Universität Basel noch an diesen Zellen geforscht: Das Team von Patrick Tschopp untersucht, wie aus unterschiedlichen Vorläuferzellen im Embryo – darunter auch Neuralleistenzellen – das gleiche Gewebe entsteht: einerseits die Knochen des Gesichts, andererseits die der Gliedmassen und des Torsos.

Räuber und Beute.

Alle Lebewesen müssen Nährstoffe aufnehmen und verwerten. Die frühen Wirbeltiere filtrierten ihre Nahrung aus dem Wasser oder lebten – wie das heutige Neunauge – parasitisch. Vor rund 430 Millionen Jahren erfolgte dann einer der grossen Sprünge in der Evolution: die Innovation eines Mauls mit einem Kiefer.

Beispiele für Maulformen: Fischfresser, Insektenfresser, Schlammgräber, Felsenkratzer
Einige Beispiele für Maulformen der Buntbarsche im Tanganjikasee in Afrika. (Bild: Universität Basel)

Das eröffnete völlig neue Nahrungsquellen; sowohl Pflanzen als auch Tiere liessen sich damit packen und zerkauen. Tiere wurden zu Räubern und Beute. Dank vielfältiger Maulformen spezialisierten sich die Wirbeltiere auf verschiedenste Nahrungsquellen und fanden ihre Nischen. Prominentes Beispiel dafür, wie die Evolution alle Möglichkeiten des Nahrungserwerbs ausschöpft, sind die nach Charles Darwin benannten Finken auf den Galapagos-Inseln mit ihren verschiedenen Schnabelformen. Aber auch die Buntbarsche im Tanganjikasee in Afrika haben spezialisierte Mäuler entwickelt. Die Forschungsgruppe von Walter Salzburger erforscht am Beispiel der atemberaubenden Vielfalt dieser Fische grundlegende Mechanismen der Evolution.

Mikrospuren am Gebiss.

Was frass ein Tier? Wurde es geritten? Kaute es vor Stress an den Stäben seines Käfigs? Dorota Wojtczak vom Fachbereich Integrative Prähistorische und Naturwissenschaftliche Archäologie analysiert Gebrauchsspuren und Nahrungsrückstände an Tierzähnen. Die winzigen Gruben und Kratzer auf der Zahnoberfläche verraten viel über das Leben eines Tieres: Weiche Nahrung wie Stroh und Heu hinterlässt andere Spuren als Körner. Zaumzeug nutzte das Gebiss von Reittieren erkennbar ab. Bisweilen lassen sich Eingriffe durch Menschen feststellen: Bei einem jungen Braunbären, dessen Skelett in Augusta Raurica gefunden wurde, waren die Zähne mit einer Feile abgeschliffen worden, damit das Tier weniger gefährlich war.


Weitere Artikel in dieser Ausgabe von UNI NOVA (Mai 2025).

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