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Hell und Dunkel. (02/2024)

Aus dem Takt.

Interview: Yvonne Vahlensieck

Ohne den natürlichen Wechsel von Tag und Nacht gerät unsere innere Uhr durcheinander. Der Schlafmediziner Corrado Garbazza erklärt, welche Folgen das haben kann und warum Tageslicht manchmal die beste Medizin ist.

Wecker auf Schwarz
(Bild: SUAN Conception Design GmbH)

UNI NOVA: Herr Garbazza, wie haben Sie heute Nacht geschlafen?

Corrado Garbazza: Gut, danke. Ich schlafe normalerweise gut. Allerdings bin ich im Sommer, wenn es früh hell wird, schon früher wach. Im Winter verschiebt sich das dann ein bisschen nach hinten. Das bestätigt den Effekt von Licht auf den Schlaf-Wach-Rhythmus.

Heutzutage ist der Schlaf-Wach-Rhythmus bei vielen Menschen gestört. Woran liegt das?

Bevor es künstliches Licht gab, haben die Leute ihren Tag anders organisiert. Wenn es hell war, haben sie draussen gearbeitet. Wenn es dunkel wurde, sind sie schlafen gegangen. Das eine Problem in unserer Gesellschaft ist, dass wir am Abend zu viel künstlichem Licht ausgesetzt sind; das andere, dass wir auch tagsüber viel zu wenig Tageslicht abbekommen. Kunstlicht hat im Vergleich zur Sonne eine viel geringere Intensität und immer dieselbe Farbe. Der Farbton von natürlichem Licht ändert sich im Tagesverlauf von eher blau am Morgen, das wach macht, zu mehr rot am Abend.

Welche Konsequenzen hat so eine Störung des zirkadianen Rhythmus?

Bei der zirkadianen Schlafmedizin geht es in erster Linie nicht darum, wie viel wir schlafen, sondern wann wir schlafen. Das klassische Beispiel sind Schichtarbeiter, die nachts in künstlichem Licht arbeiten und dann am Tag schlafen. Das ist völlig gegen die innere Uhr. Viele Studien belegen, dass dies zu verschiedenen Erkrankungen bis hin zu Krebs führen kann. Licht ist für die innere Uhr der wichtigste Zeitgeber. Und wenn der Hell-Dunkel-Zyklus der äusseren Welt nicht mehr mit dem inneren Schlaf-Wach-Rhythmus übereinstimmt, kommt es zu einer Fehlausrichtung, die sich negativ auf unsere Gesundheit auswirkt.

Sie haben unter anderem Studien zum Schlaf-Wach-Rhythmus bei Menschen mit Depressionen durchgeführt. Wie ist da der Zusammenhang?

Viele psychiatrische Störungen einschliesslich Depressionen gehen mit Störungen des zirkadianen Rhythmus einher. Wobei manchmal schwer zu unterscheiden ist, ob diese Störungen eine Ursache oder eine Folge der Erkrankung sind. Aber es ist bewiesen, dass es den Betroffenen hilft, wenn der Rhythmus wieder richtig eingestellt wird. Darüber hinaus hat Licht eine starke antidepressive Wirkung. Das konnte ich beispielsweise in einer grossen, multizentrischen Studie zu Depressionen während und nach der Schwangerschaft zeigen. Weltweit leiden etwa 14 Prozent der Mütter darunter, was natürlich auch negative Konsequenzen für das Kind haben kann. Patientinnen, welche mit Lichttherapie behandelt wurden, ging es innerhalb weniger Wochen besser und sie erlitten auch keine Rückfälle.

Wie kann man einen gestörten zirkadianen Rhythmus wieder herstellen?

Das geht ganz ohne Medikamente durch Lichtexposition am Tag, im Sommer idealerweise mit Tageslicht, im Winter mit speziellen Lichttherapie-Lampen. Eine mögliche Ergänzung ist die Einnahme des natürlichen Hormons Melatonin zur Steuerung des Schlaf-Wach-Rhythmus, wenn dieses am Abend zu spät ausgeschüttet wird. Eine solche Therapie kann schon nach wenigen Wochen eine Wirkung zeigen. Zurzeit führen wir an den Universitären Psychiatrischen Kliniken UPK eine Studie durch, die ermittelt, ob Tageslicht oder Lichttherapie-Lampen besser gegen klinische Depressionen helfen.

Sie wollen in Basel eine Circadian Health Clinic aufbauen. Was soll diese bieten?

Das Angebot soll über die erwähnte Lichttherapie hinausgehen. Ich will beispielsweise Spitäler beraten, wie wir das vom Zentrum für Chronobiologie schon jetzt für einige Abteilungen des Universitätsspitals Basel machen. Denn nicht nur bei psychischen Störungen, sondern auch bei anderen Erkrankungen treten häufig Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen auf, die mittels Chronotherapien erfolgreich behandelt werden können. Ausserdem ist bewiesen, dass es bei manchen Medikamenten

Gibt es jenseits von Spitälern noch andere Bereiche, in denen die Circadian Health Clinic aktiv sein könnte?

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Förderung der öffentlichen Gesundheit. So könnte Schichtarbeit besser reguliert werden, indem etwa die Schichten dem individuellen zirkadianen Rhythmus der Arbeiter angepasst oder die Lichtbedingungen am Arbeitsplatz optimiert werden. Hierzu bieten wir schon jetzt Vorträge bei Firmen an. Wir wollen durch Aufklärungsarbeit auch mehr Bewusstsein für die Problematik in der Bevölkerung und in der Politik schaffen. Zum Beispiel in Hinsicht auf den Umgang mit älteren Menschen. Im Pflegeheim werden sie manchmal schon nachmittags ins Bett gebracht, wenn es draussen noch hell ist. Da ist es kein Wunder, wenn sie nachts nicht mehr schlafen können. Und Jugendliche haben eher das gegenteilige Problem: Sie gehen erst spät ins Bett und sind dann am Morgen in der Schule nicht fit. Da gibt es in vielen Bereichen strukturelle Probleme, die man unbedingt angehen muss.


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