Wie gehen wir mit Hitze um, Frau Ragettli?
Text: Martina Ragettli
Tage mit weit über 30 Grad sind im Sommer keine Seltenheit mehr. Was können wir tun, um die Folgen abzufedern? Antworten aus der Epidemiologie und den Atmosphärenwissenschaften.
Hohe Temperaturen belasten den Körper und wirken sich negativ auf die Gesundheit aus. Besonders gefährdet sind ältere Menschen, Pflegebedürftige, Personen mit chronischen Krankheiten und Schwangere. Studien zeigen beispielsweise, dass sich bei Hitze chronische Krankheiten des Herz-Kreislaufs- und Atemwegssystems verschlimmern, psychische Leiden zunehmen, die Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz sinkt und das Risiko für Frühgeburten zunimmt.
Bei einer Befragung des Swiss TPH im Auftrag des Bundes im Sommer 2023 gaben über die Hälfte der Befragten über 50 Jahre an, dass sie Hitze als Belastung empfinden. Das Risiko für hitzebedingte Sterblichkeit steigt in der Schweiz bereits ab Tageshöchsttemperaturen von 25 Grad und nimmt mit jedem zusätzlichen Grad stark zu. Auswirkungen von Hitze auf das Sterbegeschehen werden schon ab einem heissen Tag beobachtet und nicht erst bei anhaltender Hitze. Warme Nächte sind besonders für ältere Menschen eine zusätzliche gesundheitliche Belastung.
Um die Gesundheit der Bevölkerung vor Hitze zu schützen, braucht es Massnahmen auf drei Ebenen: Erstens sollen die Bevölkerung und Akteure im Gesundheitswesen für mögliche Gesundheitseffekte und richtige Verhaltensweisen bei Hitze sensibilisiert und darüber informiert werden. Dazu zählen etwa Empfehlungen für Risikogruppen, wie: körperliche Anstrengung während der heissesten Tageszeit vermeiden, Hitze vom Körper fernhalten sowie viel trinken und leicht essen.
Zweitens braucht es spezielle Massnahmen während einer akuten Hitzewelle. Dazu gehören Hitzefrühwarnsysteme und der Schutz von besonders vulnerablen Personen, etwa indem man die Arbeitszeiten bestimmter Berufsgruppen anpasst oder älteren Menschen mehr Aufmerksamkeit schenkt.
Und drittens braucht es langfristige Bemühungen in der Städteplanung und an Gebäuden. Für einen wirksamen Hitzeschutz müssen verschiedene Akteure zusammenarbeiten. In einigen Westschweizer Kantonen und im Tessin koordiniert das Kantonsarztamt bereits die Präventions- und Anpassungsmassnahmen von verschiedenen Behörden und Institutionen im Gesundheits- und Sozialbereich anhand von Hitzeaktionsplänen.
Solche Pläne wurden schon bald nach dem Rekordsommer 2003 eingeführt und regeln die Umsetzung von Massnahmen vor und während dem Sommer. Sind Kommunikationswege und Mechanismen vorgezeichnet, ist schnelles Handeln möglich, wenn sich eine Hitzewelle ankündigt.
Die Forschung zeigt, dass Regionen, die über Hitzeaktionspläne verfügen, weniger Todesfälle infolge extremer Hitze verzeichnen. Wie sich in Zukunft die klimatischen Veränderungen auf unseren Alltag auswirken werden und wie wir uns an die zunehmende Hitzebelastung anpassen, ist schwierig vorherzusagen.
Fakt ist, dass die Anpassung langsamer verläuft als die Klimaerwärmung voranschreitet. Im Umgang mit hohen Temperaturen und zum Schutz der Gesundheit braucht es nicht nur Lösungsansätze im Gesundheitssektor, sondern auch in der Gestaltung unserer Städte, Gebäude und im Arbeitsalltag. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit ist daher wichtig.
Martina Ragettli ist Epidemiologin am Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH) und Lehrbeauftrage an der Universität Basel. Sie forscht zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit und zu Anpassungsmöglichkeiten an die zunehmende Hitzebelastung.
Weitere Artikel dieser Ausgabe von UNI NOVA (Mai 2024).