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Angst. (01/2022)

Stärker als die Furcht.

Text: Niklas Bienbeck

Die Angst vor einem gefährlichen Tier oder einer riskanten Situation ist nachvollziehbar. Überkommt einen dieses Gefühl jedoch auch in offensichtlich ungefährlichen Momenten, wird es zur Belastung. Was dagegen hilft.

aufgerissenes Auge
(Foto: Robson Teixeira/ EyeEm/Getty Images)

Herzrasen, Zittern und Erröten, in extremen Fällen gar Atemnot oder Ohnmacht. «Bei einer diffusen Angststörung oder Panikattacke können Betroffene ihre Gefühle meist nicht genau benennen und sind ihnen ausgeliefert», erklärt die Psychologin Anja Zimmer. Ähnliche Symptome zeigen sich auch bei einer spezifischen Phobie, diese bezieht sich jedoch auf ein klar definierbares Objekt oder eine spezielle Situation. Betroffenen ist meist bewusst, dass ihre Angst irrational ist. Dennoch vermeiden sie diese Situationen und ziehen sich zurück. Im Zentrum der Phobie steht die Angst vor einem Kontrollverlust.

Der Ursprung der Phobie

«Oftmals führen traumatische Erfahrungen oder Beobachtungen zur Ausbildung einer Phobie. Die frühe Jugend ist hierfür besonders anfällig – Kinder schauen sich von ihren Eltern oder engen Bezugspersonen ein ängstliches Verhaltensmuster ab», so Zimmer. Aber auch lang andauernder Stress kann die Manifestation einer Phobie begünstigen. Genetische Hintergründe kommen ebenfalls für eine Übertragung von Phobien infrage. Sie werden derzeit noch erforscht.

Soziale und spezifische Phobie

Ängste können sich auch explizit auf soziale Situationen beziehen. Bei der sozialen Phobie befürchten Betroffene, sich zu blamieren, wenn sie im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. So werden nicht nur Vorträge und Prüfungen, sondern auch private Feiern und Veranstaltungen zur Herausforderung.

Verwandt mit der sozialen Phobie ist die Agoraphobie. Hier beziehen sich die Ängste auf bestimmte Orte oder Situationen, wie weite Plätze oder Menschenansammlungen. «Betroffene befürchten, dass sie in einem Notfall nicht rechtzeitig flüchten können, Hilfe nicht schnell genug verfügbar ist», so Zimmer.

Oft tritt die Agoraphobie auch gemeinsam mit Panikattacken auf, die in unterschiedlicher Intensität auftreten können. Als Folge kann sich eine «Angst vor der Angst» entwickeln, die dazu führt, dass Betroffene diese Situationen wenn immer möglich meiden. Die Angst vor der nächsten Panikattacke mündet in einen Teufelskreis.

An konkrete Objekte oder Situationen gebunden sind die spezifischen Phobien. Darunter fällt die Angst vor Tieren, Naturgewalten oder Situationen, die gefährlich erscheinen, wie ein Blick in die Tiefe. Zu den bekanntesten Tierphobien zählen «Arachnophobie» (Angst vor Spinnen) und «Ophidiophobie» (Angst vor Schlangen). Angst vor der Höhe («Akrophobie») oder vor engen, geschlossenen Räumen («Klaustrophobie») sind ebenfalls verbreitet. Auch Zahnbehandlungen («Dentophobie») und das Fliegen («Aviophobie») stehen häufig im Zentrum von Phobien.

Fünf Strategien gegen die Angst

 

1 Ängste hinterfragen

In den meisten Fällen können Betroffene ihre Angstreaktion selbst beeinflussen. Katastrophenszenarien versetzen den Körper in einen Alarmzustand. Daher sollten sich Betroffene überlegen, was sie genau befürchten und wie realistisch ihre Sorgen sind. Das kann helfen, die Ängste zu relativieren und die körperlichen Reaktionen zu mindern.

2 Gelassenheit üben

Die ständige Angst vor einer Situation oder einem Objekt kann dazu führen, dass Betroffene eine «Angst vor der Angst» entwickeln und damit ihre Angststörung fördern. Präventive Meditation, Achtsamkeits- und Entspannungsübungen können helfen, die Symptome und Gedanken zuzulassen und eigenen Ängsten gelassener entgegenzutreten.

3 Bewegung

Regelmässige sportliche Aktivitäten können körperliche Stressreaktionen langfristig reduzieren. Die während der Angstreaktion ausgeschütteten Hormone werden so abgebaut und gleichzeitig Endorphine durch die Bewegung freigesetzt.

4 Konfrontation

Reichen die oben genannten Strategien nicht aus, hilft bei einer spezifischen oder sozialen Phobie oft nur eine Konfrontationstherapie. Bei diffusen Ängsten, Panikattacken oder einer Agoraphobie kann sie Teil der Behandlung sein. Betroffene suchen mit professioneller Unterstützung die angstauslösenden Orte oder Situationen ganz bewusst regelmässig auf. So können sie lernen, dass die Situation oder das Objekt harmlos ist, und gleichzeitig ihr Selbstbewusstsein stärken. Sind die Ängste stark ausgeprägt, ist es ratsam, sich langsam an eine steigende Intensität zu gewöhnen. Neuartige Smartphone-Apps, wie sie auch Anja Zimmer entwickelt, könnten zukünftig bei spezifischen Phobien und sozialen Ängsten eine einfach zugängliche Option zur Therapie sein. Auch für andere Angststörungen gibt es bereits viele Apps auf dem Markt, die jedoch oft nicht wissenschaftlich fundiert und getestet sind.

5 Medikamentöse Behandlung

Viele Angststörungen lassen sich ohne Medikamente nicht vollständig behandeln. In den meisten Fällen kommen Antidepressiva zum Einsatz, die jedoch nicht ohne Nebenwirkungen bleiben. Daher forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie Prof. Undine Lang an den Universitären Psychiatrischen Kliniken und der Universität Basel seit einigen Jahren an neuen Behandlungsmöglichkeiten, etwa mit psychedelischen Substanzen wie LSD.

«Die Behandlungsmöglichkeiten sind vielfältig: neben langfristigen Therapien gibt es auch zahlreiche effektive Kurztherapien. Allen ist jedoch gemeinsam, dass sie für die Betroffenen sehr anstrengend sein können. Gerade für spezifische Phobien bieten Apps eine gute Möglichkeit zur Selbsthilfe, die bei Bedarf auch in eine professionelle Behandlung integriert werden können», fasst Anja Zimmer zusammen.

Anja Zimmer ist Psychologin und Doktorandin an der Fakultät für Psychologie der Universität Basel. Sie forscht an der Abteilung für Kognitive Neurowissenschaften zur Nutzung von Virtual und Augmented Reality Apps bei Phobien.


Weitere Artikel in der aktuellen Ausgabe von UNI NOVA.

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