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Angst. (01/2022)

Knochen, Samen, Sedimente

Text: Angelika Jacobs

Es ist eine Rettungsaktion auf Knien, mit Schaufel, Sieb und blossen Händen. Wo bald an der Zürcherstrasse in Windisch eine neue Grossüberbauung mit Tiefgarage stehen soll, versucht die Kantonsarchäologie Aargau, Überreste des Römerlagers Vindonissa zu bewahren.

Forscher bei der Ausgrabung
Ausgrabung an der Zürcherstrasse in Windisch. (Foto: Universität Basel, Christian Flierl)

Dabei kamen ein Gräberfeld aus dem 1. Jahrhundert nach Christus, eine Strasse, Gebäudereste, Abfallgruben und Latrinen zum Vorschein.

Mit dabei waren Forschende und Studierende der Universität Basel im Rahmen eines Feldkurses. Sie suchten auf dem Grabungsgelände nach Knochen und Pflanzenresten, die auf Tiere und Nutzpflanzen der Vindonissa-Bewohner schliessen lassen. Parallel dazu entnahmen sie Proben der Sedimente, in denen sich diese Überreste befanden. Das Material gelangt – wie Fundstücke anderer Grabungen auch – an den Fachbereich Integrative Prähistorische und Naturwissenschaftliche Archäologie (IPNA) zur weiteren Analyse. Die Erkenntnisse daraus können das Bild des Alltags in Vindonissa ergänzen.

Studierende entnehmen Sedimentproben in weissen Plastikboxen.
(Foto: Universität Basel, Christian Flierl)

In etwa 1,3 Metern Tiefe entnehmen die Studierenden Sedimentproben in weissen Plastikboxen. Gut beschriftet und sorgfältig verpackt gelangen diese sogenannten orientierten Blockproben ins Labor, wo die Forschenden sie später mit Kunstharz fixieren, um das Sediment in seiner originalen Struktur zu erhalten. In einem späteren Schritt werden Anschliffe sowie Dünnschliffe für die mikroskopische Analyse angefertigt.

Weitere Bodenproben werden noch am Ort der Grabung über eine Reihe immer engmaschigerer Siebe aufbereitet.
(Foto: Universität Basel, Christian Flierl)

Weitere Bodenproben werden noch am Ort der Grabung mit der «Goldwaschtechnik» über eine Reihe immer engmaschigerer Siebe aufbereitet. Pflanzen oder Knochenstücke lösen sich so vom Sediment und die leichten, schwimmenden Pflanzenreste lassen sich vom schweren Material wie Knochen, Keramikscherben oder Kies separieren. Ein Teigschaber hilft, die Probe vorsichtig von den Sieben einzusammeln.

Forscherin untersucht Dünnschliff
(Foto: Universität Basel, Christian Flierl)

Die Forschenden sortieren alle Fundstücke tierischer und pflanzlicher Herkunft, vom grossen Tierknochen bis zum kleinsten Samenkorn, und bereiten den Transport an die IPNA in Basel vor, wo das Material genauer untersucht wird. Alle Funde bleiben aber im Besitz des Kantons Aargau und gehen schliesslich wieder dorthin zurück.

Am Institut studieren die Forschenden Dünnschliffe der gehärteten Blockproben unter dem Mikroskop. Struktur und Zusammensetzung der Ablagerungen geben beispielsweise Einblick in Ereignisse wie Brände, die Vindonissa heimgesucht haben, aber auch weniger Dramatisches wie beispielsweise die Verfüllungen von Gruben oder Latrinen oder die Benutzung von Lehmböden in einem Haus.

Samenmaterial unter dem Binokular.
(Foto: Universität Basel, Christian Flierl)

Unter einem Binokular analysieren die Archäobotaniker des Teams Samenmaterial verschiedener Ausgrabungen und vergleichen es mit einer Referenzsammlung, um die Pflanzenarten zu bestimmen. Daraus ergeben sich beispielsweise Rückschlüsse auf landwirtschaftliche Praktiken.

Ebenso verfügen die Forschenden der IPNA über eine umfangreiche Sammlung von Knochen grösserer und kleinerer Tierarten, die sie als Referenz nutzen. So reichen oft Bruchstücke, um die bei Ausgrabungen freigelegten Knochen einer Tierart zuzuordnen und herauszufinden, welche Haus und Wildtiere die Menschen in vergangenen Jahrhunderten nutzten.


Der Archäobiologisch-geologische Feldkurs fand unter der Leitung von Sabine Deschler-Erb (im Bild), Örni Akeret, Simone Häberle und Christine Pümpin von der Universität Basel statt. Im Rahmen des alljährlichen Kurses lernen Studierende die Techniken und Arbeitsprozesse während und nach einer Ausgrabung kennen. Am Fachbereich IPNA werten die Forschenden Fundmaterial von verschiedensten archäologischen Stätten in der Schweiz und dem Ausland aus.


Weitere Artikel in der aktuellen Ausgabe von UNI NOVA.

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