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Augenforschung: Sehkraft erneuern (02/2019)

Wie soll das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU in Zukunft aussehen, Christa Tobler?

Text: Christa Tobler

Ansichten zum Stand der Dinge von einer Juristin und einem Ökonomen.

illustriertes Portrait von Christa Tobler
Prof. Dr. Christa Tobler (Illustration: Studio Nippoldt)

Das Verhältnis zur EU steht fast immer ganz oben auf der politischen Traktandenliste der Schweizer Regierung und Verwaltung – und damit sehr oft auch in der öffentlichen Diskussion. Mich interessieren vor allem die rechtlichen Rahmenbedingungen dieses Verhältnisses, also das bilaterale Recht. Sein Anfang liegt in den 1950er- und 1960er-Jahren, als die Schweiz erstmals mit den damaligen Europäischen Gemeinschaften – die EU wurde erst viel später geschaffen – internationale Abkommen schloss, etwa über den Handel mit Uhren. Dies ist übrigens ein Abkommen, das heute noch bestens funktioniert. Mit der Zeit kamen immer mehr Abkommen zu unterschiedlichen Themen hinzu. Heute stellt das bilaterale Recht ein grosses und vielfältiges, aber auch komplexes Netz dar, welches das rechtliche Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU regelt – ein Unikum, das so mit keinem anderen EU-Nichtmitglied besteht.

Hierzulande zitiert man gerne den «Sonderfall Schweiz», für den nur besondere Regeln gut genug seien. Von aussen sieht dies aber etwas anders aus: Die Schweiz ist eines von vielen Ländern, mit denen die EU Abkommen unterhält. In deren Augen gibt es durchaus Parallelen zwischen unterschiedlichen Abkommen und Staaten, etwa im Wirtschaftsrecht: Etliche Länder haben mit der EU Abkommen geschlossen, die ihren Staatsangehörigen und Unternehmen den Zugang zum grossen Binnenmarkt der EU erlauben (und umgekehrt).

Die EU spricht heute von einem erweiterten Binnenmarkt, bei dem nicht nur ihre eigenen Mitgliedstaaten mitmachen, sondern bis zu einem gewissen Grad auch gewisse weitere Staaten. Am engsten ist die Verbindung mit Liechtenstein, Island und Norwegen, die mit den EU-Staaten den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) bilden. Hier gelten praktisch die gesamten EU-Binnenmarktregeln. Andorra, Monaco und San Marino planen ebenfalls ein umfassendes Rechtsverhältnis zum EU-Binnenmarkt. Durch das bilaterale Recht ist die Schweiz zwar nicht bei allen Aspekten dabei, aber in gewissen Bereichen doch sehr nahe dran. Dann folgen weitere Länder wie etwa die Türkei und die Ukraine. Schliesslich sah der Vertragsentwurf über den EU-Austrittsvertrag des Vereinigten Königreichs von Grossbritannien und Nordirland vor, dass für eine Übergangszeit die EU-Binnenmarktregeln weiter gelten.

Christa Tobler ist seit 2005 Professorin für Europarecht am Europainstitut der Universität Basel und seit 2007 auch als Professorin an der Universität Leiden (NL) tätig. Sie forscht zu verschiedenen Bereichen des Rechts der Europäischen Union, mit zwei Schwerpunktgebieten: Fragen der Rechtsgleichheit und der Diskriminierung sowie das rechtliche Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU.

Weitere Artikel in der aktuellen Ausgabe von UNI NOVA.

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