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Detektivarbeit in Feld, Wald und Wiese

Kartenansicht von Solothurn
Bis ins Jahr 1845 reicht das verfügbare Kartenmaterial der Region Solothurn zurück. (Quelle: Swisstopo)

Egal, wo wir unterwegs sind, alles trägt einen Namen: Felder, Hügel, Gewässer, Ortschaften und Strassen. Woher kommen diese Benennungen und was verraten sie uns? Die Linguistin Dr. Jacqueline Reber gibt Einblick in ihre Arbeit in der Orts- und Flurnamensforschung.

21. Februar 2022

Kartenansicht von Solothurn
Bis ins Jahr 1845 reicht das verfügbare Kartenmaterial der Region Solothurn zurück. (Quelle: Swisstopo)

Im Kanton Solothurn gibt es das Chäsloch, den Göiferlätsch und Golpen. Es sind Flurnamen, sie bezeichnen also ein unbewohntes Stück Land. Die Leute benannten diese Flächen, um sie auseinanderzuhalten und sich zu orientieren. Heute übernehmen diese Funktion Parzellennummern, die alten Namen sind jedoch vielerorts geblieben. Auch viele Strassennamen gehen auf Flurnamen zurück.

Die Orts- und Flurnamenforschung trägt diese Namen zusammen, um sie zu bewahren – sowohl jene, die heute noch in Gebrauch sind, als auch nicht mehr verwendete. Dazu gehen die Forschenden in Archive und schauen sich Quellen an: Urkunden, Urbare, Grundbücher, Güterverzeichnisse, Karten. «Die ältesten Urkunden stammen aus dem 13. Jahrhundert, wir haben für Messen aber auch eine Königsurkunde aus dem 9. Jahrhundert gefunden. Wenn ich so etwas in den Händen halte, werde ich sehr ehrfürchtig», sagt Jacqueline Reber. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Departement Sprach- und Literaturwissenschaft der Universität Basel, ist Leiterin der Forschungsstelle und für die Herausgabe des Solothurner Namenbuchs verantwortlich.

Solche Anekdoten und Volksetymologien nehmen die Forschenden meistens mit ins Lexikon auf, vor allem dann, wenn sie keine andere Erklärung oder Herleitung für einen Namen finden. Volksetymologien entstehen meist, wenn die Leute nicht verstehen, was ein Name beziehungsweise ein Wort bedeutet. Dann denken sie sich selbst eine mögliche Erklärung aus, zum Beispiel für die Goldgasse in Solothurn: Sie hat nichts mit Gold zu tun, der Erstbeleg von 1303 weist das Bestimmungswort Gol auf, das «grober Steinschutt» bedeutet. Die Goldgasse war also eine ‹Gasse am schuttführenden Bach›. Durch diese Gasse floss bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhundert. der Stadtbach, der heute auch Goldbach genannt wird.

Ungelüftete Geheimnisse

Aller Bemühungen um eine Deutung zum Trotz: Auch in der Orts- und Flurnamenforschung gibt es hoffnungslose Fälle. Es kommt vor, dass Namen zwar seit Jahrhunderten belegt sind, sich aber nicht abschliessend klären lässt, woher sie kommen. Weder Kartenmaterial noch Wörterbücher und Sprachkenntnisse helfen weiter. Ein Beispiel dafür ist Golpen. Im Lexikon steht dann entweder «unklar» – dazu werden die verschiedenen Deutungsmöglichkeiten aufgeführt – oder schlicht «ungedeutet». Jacqueline Reber nimmt es gelassen: «Die Generationen nach uns müssen ja auch noch etwas zu tun haben.»

Generationen-Projekte: Orts- und Flurnamenforschung in der Schweiz

Orts- und Flurnamen zu erfassen und zu deuten, dauert Jahrzehnte. Durch die Befragung älterer Menschen ergibt sich ein Stand von vor circa 80 Jahren. Diesen festzuhalten, solange es noch geht, ist ein Lauf gegen die Zeit. Ebenso wichtig ist es, die jungen Leute miteinzubeziehen: Sie nennen manche Orte anders als frühere Generationen. In Basel-Stadt gab es daher eine Online-Umfrage zu Parallelnamen: Florabeach für einen Abschnitt am Rheinufer oder Kiffer-Balkon als Übername der Pfalz sind Beispiele. Diese fanden Eingang ins Orts- und Flurnamenbuch des Kantons Basel-Stadt. Die Forschung zu den Kantonen Basel-Stadt und Basel-Landschaft ist bereits abgeschlossen. An beiden Projekten waren Forschende der Universität Basel beteiligt.

Das Solothurner Projekt läuft seit 1989. Professor Rolf Max Kully hatte es ins Leben gerufen und betrieb es ehrenamtlich. Mit seiner Emeritierung 2006 übernahm die Universität Basel die Weiterführung. Der fünfte Band zur Amtei Solothurn-Lebern ist soeben im Schwabe-Verlag erschienen. Nun bleibt noch die Amtei Bucheggberg-Wasseramt – mit 47 ursprünglichen, also nicht-fusionierten Gemeinden die grösste im Kanton. Abgeschlossen sein dürfte das Projekt im Jahr 2025.

In der Deutschschweiz ist die Orts- und Flurnamenforschung bereits weit fortgeschritten. Weisse Flecken sind die Kantone Aargau und Obwalden. In der Romandie fängt die Orts- und Flurnamenforschung allmählich an, im Tessin gibt es das Repertorio toponomastico ticinese, das sämtliche Flurnamen des Kantons sammelt.

Unter www.ortsnamen.ch sind die Forschungsergebnisse für alle zugänglich gemacht und auf den Karten von swisstopo sind Zeitreisen bis mindestens ins Jahr 1870 möglich (sogenannte Siegfriedkarte).

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