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Migration mal anders: Warum immer mehr Schweizerinnen und Schweizer nach China auswandern

Die Skyline von Peking bei Sonnenuntergang
Etwa 4000 Auslandschweizerinnen und -schweizer leben in chinesischen Städten wie Peking – Tendenz steigend. (Bild: N509FZ/wikimedia | CC BY-SA 4.0)

Die Zahl der Schweizerinnen und Schweizer, die in China leben, hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Eine Basler Kulturanthropologin hat die Motivation sowie den beruflichen und biografischen Werdegang dieser Auswanderer genauer unter die Lupe genommen. Die meisten wollen den wirtschaftlichen Aufschwung in China zu ihren Gunsten nutzen – doch die Wege, die sie dafür einschlagen, sind unterschiedlich.

23. September 2019

Die Skyline von Peking bei Sonnenuntergang
Etwa 4000 Auslandschweizerinnen und -schweizer leben in chinesischen Städten wie Peking – Tendenz steigend. (Bild: N509FZ/wikimedia | CC BY-SA 4.0)

Viele Schweizer und Schweizerinnen träumen davon, eines Tages in ein fernes Land auszuwandern. Obwohl China dabei meist nicht auf der Wunschliste steht, suchen immer mehr dort ihr Glück: Mittlerweile leben etwa 4000 Auslandsschweizerinnen und -schweizer in China, fast doppelt so viele wie noch vor 25 Jahren. Diesen Aufwärtstrend untersuchte die Kultur- und Sozialanthropologin Aldina Camenisch im Rahmen ihrer Doktorarbeit am Fachbereich Kulturwissenschaft und Europäische Ethnologie der Universität Basel: «Die Migrationsforschung in Europa konzentriert sich im Allgemeinen auf die Einwanderung in westliche Länder. Mich interessierte China als Land, in das immer mehr Menschen aus Industrieländern zuwandern.»

Portrait von Aldina Camenisch
Dr. Aldina Camenisch

Für ihre Studie befragte Camenisch über dreissig Schweizerinnen und Schweizer, die zwischen einem und 23 Jahren in China leben oder gelebt haben – etwa ein Drittel davon Frauen. In diesem Rahmen wohnte sie selbst mit ihrer Familie für 16 Monate in China, um vor Ort ethnologische Feldforschung zu betreiben – dabei beobachtete sie das Leben der Schweizer Migrantinnen und Migranten und machte wertvolle eigene Erfahrungen. Brigitte Suter, eine Dozentin an der Universität Malmö in Schweden führte ähnliche Untersuchungen unter schwedischen und Schweizer Auswanderinnen und Auswanderern in China durch, was zu mehreren gemeinsamen Publikationen führte.

Wirtschaftswachstum als Chance für Pioniere und Pionierinnen

Wie einer dieser Artikel aufzeigt, waren knapp die Hälfte der Befragten leitende Angestellte, die von internationalen Firmen in chinesische Niederlassungen geschickt wurden. Bei diesen sogenannten Expats war der Entscheid nach China zu gehen, meist von der Unternehmenspolitik bestimmt. Doch die Autorinnen stiessen auch auf viele Schweizerinnen und Schweizer, die einen anderen Weg wählten und aus eigener Initiative nach China übersiedelten. «Dass solche neuen Formen der Migration dermassen gängig geworden sind, war eine Haupterkenntnis meiner Studie», sagt Camenisch.

Diese neuartigen Migranten und Migrantinnen knüpfen oft während eines Studienaufenthalts oder einer Reise erste Kontakte zu China und kehren dann zurück, um sich auf eigene Faust eine Arbeitsstelle in einer chinesischen Firma zu suchen. Einige davon gründen auch eigene Unternehmen – beispielsweise Handelsfirmen, Beratungsagenturen, Kunstgalerien oder Sprachschulen.

Als Motivation nennen diese Menschen oft das Bedürfnis, aus den starren Lebensmustern in der Schweiz auszubrechen und sich weiterzuentwickeln. «Dabei steht die Selbstentfaltung im Rahmen einer beruflichen Karriere im Vordergrund – Menschen, die das Hippieleben suchen, gehen nicht nach China», so Camenisch. Viele dieser Auswandererinnen und Auswanderer empfinden China aufgrund der dort stattfindenden Umbrüche und des Wirtschaftswachstums entsprechend als Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

Gute Visa-Optionen fehlen

Im Moment haben Schweizerinnen und Schweizer in China gute Karten, denn sie geniessen aufgrund ihrer westlichen Herkunft und Ausbildung viel Wertschätzung. Aber auch wenn ein langjähriger Bezug zu China und chinesische Sprachkenntnisse unter den Befragten verbreitet sind und viele eine chinesische Partnerin oder einen Partner haben, fehlt es an längerfristigen Aufenthaltsperspektiven: Fast alle Auslandsschweizerinnen und -schweizer müssen ihr Visum jedes Jahr verlängern lassen, eine Integration in die chinesischen Gesellschaft ist nicht vorgesehen. Camenisch ist sich daher nicht sicher, wie lange der Trend zur Auswanderung nach China noch anhalten wird: «Das hängt vor allem auch stark von der Entwicklung der chinesischen Wirtschaft ab.»

Originalbeitrag

Aldina Camenisch, Brigitte Sutter
European Migrant Professionals in Chinese Global Cities: A Diversified Labour Market Integration
International Migration (2019), doi: 10.1111/imig.12585

 

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