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«Die Verbindung mit der Siliziumindustrie ist für dieses Projekt ganz entscheidend»

Prof. Dr. Richard J. Warburton, Direktor des NFS SPIN. (Bild: Universität Basel, Christian Flierl)
Prof. Dr. Richard J. Warburton, Direktor des NFS SPIN. (Bild: Universität Basel, Christian Flierl)

Schaltkreise auf Basis von Silizium bilden die Grundlage heutiger Computer. Weshalb dieses bewährte Material auch eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung von Quantencomputern spielen wird, erklärt der Leiter des neuen Nationalen Forschungsschwerpunkt SPIN, der Physiker Prof. Richard J. Warburton.

17. Dezember 2019

Prof. Dr. Richard J. Warburton, Direktor des NFS SPIN. (Bild: Universität Basel, Christian Flierl)
Prof. Dr. Richard J. Warburton, Direktor des NFS SPIN. (Bild: Universität Basel, Christian Flierl)

Herr Warburton, Quantencomputer rechnen statt mit Bits mit Qubits, die sich auf sehr unterschiedliche Art realisieren lassen. Weshalb setzen Sie auf Silizium?

Aktuell werden in Experimenten vielleicht 10 oder 50 Qubits verwendet, aber für das Fernziel eines funktionsfähigen, leistungsstarken Quantencomputers ist das viel zu wenig. Wenn man aber eine Milliarde Qubits braucht, dann müssen sie ordentlich klein sein. Mit Silizium kann man extrem kleine Bauelemente fabrizieren, und bereits heute werden Chips mit mehreren Milliarden Silizium-Transistoren produziert. Genau diese Technologie möchten wir für eine Quantenanwendung umsetzen. Kommt hinzu: Die Silizium-Qubits können nicht nur klein sein, sondern auch schnell. Das ist sehr wichtig, denn wenn jede Operation lange dauert, wartet man viel zu lang auf das Ergebnis.

Für Experimente mit Elektronenspins wurden bisher oft Halbleiter aus Galliumarsenid verwendet. Was ändert sich mit dem Wechsel zu Silizium?

Ich sehe einen weiteren Vorteil, der deutlich technischer ist: Die Atomkerne von Gallium und Arsen haben magnetische Momente, sogenannte Spins, die fluktuieren. Das verursacht störendes Rauschen, und es ist sehr schwierig, diese Kernspins unter Kontrolle zu bekommen. Bei Silizium gibt es hingegen ein Isotop namens Silizium-28, das keinen Kernspin hat. Wenn wir reines Silizium-28 verwenden, verschwindet dieses Problem – dies ist wirklich grossartig.

Wenn die Vorteile so deutlich sind, weshalb arbeiten Sie dann nicht schon längst mit Silizium?

Es gibt weltweit zwar einige Forschungsgruppen, die mit Silizium arbeiten, aber das ist in einem universitären Umfeld sehr anspruchsvoll. Die Industrie kann das, aber erstens sind die Geräte, die man benötigt, sehr kompliziert und sehr teuer. Und da die meisten Gruppen in den letzten zehn, zwanzig Jahren mit Galliumarsenid geforscht haben, fehlt zweitens das Know-how. Wir kennen zwar zahlreiche Möglichkeiten, mit Silizium ein Qubit zu definieren. Welches die beste Möglichkeit ist, weiss heute aber noch niemand.

Aber am Ende werden sich Silizium-Qubits auf der Grundlage von Elektronenspins durchsetzen?

Ganz sicher! Der Elektronenspin ist ideal, um ein Qubit zu definieren. Aber auch hier gibt es viele Möglichkeiten, wie man dieses Konzept umsetzt. Da gibt es noch sehr, sehr viel zu tun.

Mit IBM Research Zürich haben Sie einen grossen Industriepartner mit an Bord. Was erhoffen Sie sich von dieser Zusammenarbeit?

Diese Verbindung zwischen universitären Gruppen nicht nur an der Universität Basel, sondern auch an der ETH Zürich und an der EPF Lausanne sowie der Siliziumindustrie ist für dieses Projekt ganz entscheidend. Die Partner bei IBM Research Zürich wissen, wie man mit Silizium umgeht. Und sie haben das Binnig und Rohrer Nanotechnology Center, in dem sie diese winzigen Bauteile herstellen können.

Was bedeutet das für Ihre Experimente?

Wir werden Prototypen bei IBM produzieren lassen, hier bei uns untersuchen, die Ergebnisse mit ihnen besprechen und Änderungen vornehmen mit dem Ziel, richtig gute Qubits zu bauen. Das wird uns die erste Phase des Projekts beschäftigen. Wenn man in die Zukunft schaut, besteht auch die Möglichkeit, ein Silizium-Fab, also eine Chipfabrik zu benutzen, um damit eine runde Siliziumscheibe, den Wafer, mit Bauelementen zu versehen. Aber das ist eher eine Sache für die zweite oder dritte Phase des Projekts. Die Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern bei IBM Research hat riesige Vorteile, denn die Innovationszyklen sind viel kürzer. Auf diese Weise hoffen wir, rasch voranzukommen.

Quantencomputing galt lange als theoretisches Konzept, doch heute sehen wir ein globales Rennen um praxistaugliche Technologien. Wo sehen Sie aktuell die grösste Herausforderung?

Wir Wissenschaftler müssen uns mit den Grundlagen beschäftigen und die einzelnen Elemente optimieren, das bildet die Basis für tragfähige Lösungen. Wenn man diese Arbeit nicht macht, könnte es extrem schwierig werden. Vielleicht baut man ein Qubit, und dann 2, 10 und 50, aber plötzlich geht es nicht mehr weiter. Das ist dann interessante Quantenphysik, aber noch lange kein Quantencomputer.

Ein Nationaler Forschungsschwerpunkt wird bis zu 12 Jahre lang gefördert – was ist Ihre Vision für 2032?

Das Ziel ist, alles erforscht zu haben, um einen Quantencomputer zu bauen: Die einzelnen Elemente und wie sie miteinander verknüpft werden können. Das Ziel ist ein Konzept zu finden, um gemeinsam mit der Siliziumindustrie einen skalierbaren Quantencomputer zu bauen.

Silizium-Qubits auf der Grundlage von Elektronenspins

Quantencomputer benötigen zum Rechnen Qubits – elementare Bausteine zum Verarbeiten und Speichern von Information. Qubits können zwei definierte Zuständen einnehmen, aber dank ihrer quantenphysikalischen Eigenschaften können sich die beiden Zustände auch für eine bestimmte Zeit überlagern. Erst wenn mehrere Qubits untereinander verschränkt werden, entstehen leistungsfähige Systeme zur Informationsverarbeitung. Mit dem NFS SPIN möchten die Schweizer Physiker Qubits auf Siliziumbasis bauen, die sich den Spin von einzelnen Elektronen zunutze machen.

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