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Darm-Hirn-Achse beeinflusst Multiple Sklerose

Fluoreszenzmikroskopische Aufnahme von Zellen
Nachweis von IgA-produzierenden B-Zellen im entzündeten Hirngewebe eines MS-Patienten mittels Fluoreszenzmikroskopie. Rot gefärbt ist IgA, grün CD19 als Marker für B-Zellen und blau die Zellkerne. (Foto: A.-K. Pröbstel, Universität Basel, L. Schirmer, Universität Heidelberg)

Ein internationales Forschungsteam unter Basler Leitung hat eine Verbindung zwischen der Darmflora und Entzündungsherden im zentralen Nervensystem bei Multipler Sklerose entdeckt. Bei dieser neu identifizierten Darm-Hirn-Achse spielt eine bestimmte Klasse von Immunzellen eine zentrale Rolle. Die Entdeckung könnte den Weg zu neuen Therapien gegen MS weisen, die auf die Darmflora abzielen.

20. November 2020

Fluoreszenzmikroskopische Aufnahme von Zellen
Nachweis von IgA-produzierenden B-Zellen im entzündeten Hirngewebe eines MS-Patienten mittels Fluoreszenzmikroskopie. Rot gefärbt ist IgA, grün CD19 als Marker für B-Zellen und blau die Zellkerne. (Foto: A.-K. Pröbstel, Universität Basel, L. Schirmer, Universität Heidelberg)

Was tun, wenn das eigene Immunsystem das Nervensystem angreift? Neuere Therapien gegen die Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose (MS) setzen darauf, bestimmte Immunzellen (die B-Zellen) aus dem Blut der Betroffenen zu entfernen. Allerdings entdeckten Forschende von Universität und Universitätsspital Basel bereits vor einigen Jahren, dass man dabei besser kein zu breites Spektrum der verschiedenen B-Zellen entfernen sollte, da dies die Erkrankung sogar noch verschlimmern kann.

Eine neue Studie im Fachblatt «Science Immunology» wirft nun ein neues Licht auf diese Beobachtung: Ein internationales Forschungsteam um PD Dr. Anne-Katrin Pröbstel von der Universität Basel und vom Universitätsspital Basel hat entdeckt, dass bestimmte B-Zellen eine Art Brücke zwischen der Darmflora und den Entzündungsherden im zentralen Nervensystem schlagen und hier entzündungshemmend wirken.

«Aus früheren Studien wissen wir, dass die Zusammensetzung der Darmflora eine Rolle bei MS spielt. Aber wie genau sich Darmbakterien und Immunzellen gegenseitig beeinflussen, war bisher unbekannt», erklärt Pröbstel.

Immunzellen für Darm und Hirn

Im Mittelpunkt der neuen Studie standen sogenannte IgA-produzierende B-Zellen, kurz IgA-B-Zellen. Bei Immunglobulin A (IgA) handelt es sich um eine Klasse von Antikörpern, die insbesondere die Immunabwehr der Schleimhäute sicherstellt. Die IgA-B-Zellen sind damit beispielsweise für die Darmgesundheit zentral.

Durch Analysen von Stuhlproben von MS-Patientinnen und -Patienten sowie gesunden Personen stellten die Forschenden fest, dass MS-Betroffene im Darm IgA-B-Zellen tragen, die sich insbesondere gegen MS-typische Darmbakterien richten – also solche, die gehäuft bei MS-Betroffenen vorkommen.

In einem weiteren Schritt analysierten die Forschenden die Rolle dieser Immunzellen im Krankheitsverlauf bei insgesamt 56 MS-Patientinnen und -Patienten. Demnach häuften sich die IgA-B-Zellen bei MS-Betroffenen mit akuten Entzündungsherden in der Hirn-Rückenmarks-Flüssigkeit und im Hirngewebe.

«Offenbar wandern diese Immunzellen aus dem Darm zu den Entzündungsherden im zentralen Nervensystem und schütten dort einen entzündungshemmenden Botenstoff aus», fasst Pröbstel die Ergebnisse zusammen. «Das erklärt, warum sich die Erkrankung verschlimmert, wenn man diese Immunzellen mit Medikamenten aus dem Blut entfernt.»

Auslöser noch unbekannt

Was genau die IgA-B-Zellen als Helfer gegen MS aktiviert und dazu anregt, vom Darm ins zentrale Nervensystem zu wandern, wird weiter untersucht. «Wenn wir den Auslöser dafür finden, könnten wir dies therapeutisch zur Behandlung von MS nutzen», so Pröbstel. Denkbar wäre beispielsweise, die Zusammensetzung der Darmflora von Betroffenen gezielt zu verändern, um die IgA-B-Zellen als Helfer gegen die Entzündungen im Nervensystem zu mobilisieren.

Neben der Universität Basel waren an der Studie auch die University of California San Francisco, die Technische Universität München, die Universitäten Heidelberg, Umeå (Schweden) und Toronto (Kanada) sowie das Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam beteiligt. Finanziert wurde die Studie unter anderem durch die National Multiple Sclerosis Society und den Schweizerischen Nationalfonds.

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