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«AntiResist» könnte einen Paradigmenwechsel in der Antibiotikaforschung bewirken

Prof. Dr. Christoph Dehio, Direktor des NFS «AntiResist». (Bild: Universität Basel, Christian Flierl)
Prof. Dr. Christoph Dehio, Direktor des NFS «AntiResist». (Bild: Universität Basel, Christian Flierl)

Antibiotika-resistente Keime sind eine zunehmende Bedrohung für unsere Gesundheit. «Um innovative Antibiotika entwickeln zu können, müssen wir jedoch zunächst die Lebensbedingungen der Bakterien im Körper verstehen», sagt Infektionsbiologe Prof. Christoph Dehio, Leiter des neuen Nationalen Forschungsschwerpunktes «AntiResist».

17. Dezember 2019

Prof. Dr. Christoph Dehio, Direktor des NFS «AntiResist». (Bild: Universität Basel, Christian Flierl)
Prof. Dr. Christoph Dehio, Direktor des NFS «AntiResist». (Bild: Universität Basel, Christian Flierl)

Warum ist die Problematik Antibiotika-resistenter Keime so dringlich geworden?

Antibiotika-resistente Keime sind kein neues Problem. Nach der Markteinführung eines Antibiotikums treten diese meist innerhalb weniger Jahre auf. Jedoch gab es bis vor kurzem noch ein genügend grosses Arsenal wirksamer Antibiotika, um eine erfolgreiche Therapie zu gewährleisten. In den letzten Jahren treten jedoch vermehrt multi-resistente Keime auf, die die Therapiemöglichkeiten stark einschränken – in Einzelfällen sind solche Infektionen gar nicht mehr behandelbar.

Was hat das zur Folge?

Im klinischen Alltag hat dies weitreichende Konsequenzen. Medizinische Routineeingriffe wie Operationen, Krebstherapien oder Organtransplantationen stellen plötzlich wieder ein ernsthaftes Risiko dar. Sogenannte Antibiotika Stewardship-Programme können helfen die noch wirksamen Antibiotika gezielter einzusetzen und dadurch die Ausbreitung von Multiresistenzen einzuschränken. Um multiresistente Keime längerfristig in Schach zu halten, fehlen jedoch schlichtweg neue Antibiotika.

Wie begegnen Sie mit dem NFS dieser Problematik?

Mit «AntiResist» wollen wir dazu beitragen, die Antibiotikaforschung grundlegend neu auszurichten. Die konventionelle Antibiotikaentwicklung basiert auf der Kultur von Bakterien unter künstlichen Laborbedingungen. Nach Anfangs grossen Erfolgen hat sich dieser Forschungsansatz aber erschöpft und so wurde in den letzten Jahrzehnten kein Antibiotikum mit grundlegend neuem Wirkmechanismus mehr auf den Markt gebracht.

Was werden Sie in Ihrem Projekt anders machen?

Wir wollen uns in erster Linie die Lebensbedingungen der Keime im Patientengewebe anschauen, denn diese unterscheiden sich grundlegend von den künstlichen Wachstumsbedingungen im Labor, die bisher für die Wirkstoffentwicklung verwendet wurden. Wenn wir diese speziellen Lebensumstände der Bakterien im Patientengewebe besser verstehen lernen, werden sich ganz neuartige Angriffspunkte für innovative Antibiotika ergeben. Im Rahmen von «AntiResist» wollen wir die Achillesferse der Erreger im Patientengewebe identifizieren und dieses Wissen für die Entwicklung neuer Antibiotika nutzen.

Sie werden im Rahmen des NFS eng mit dem Universitätsspital zusammenarbeiten. Worin besteht Ihre Kooperation?

Um die Physiologie der Erreger im Patienten zu entschlüsseln, benötigen wir zunächst infiziertes Patientengewebe, welches wir vom Unispital aus laufenden klinischen Studien erhalten. Mit Hilfe ultra-sensitiver Analysemethoden wollen wir wichtige Biomarker identifizieren und physiologischen Messwerte erhalten, die ein Bild der Lebenszustände der Erreger im Patienten abbilden. Dieses Wissen nutzen wir dann, um menschliche Gewebekulturmodelle zu entwickeln, die diese Lebenszustände der Bakterien im Patienten naturgetreu nachstellen.

In einem weiteren Schritt planen Sie eine Kooperation mit Bio-Ingenieuren des D-BSSE Zürich in Basel?

Unsere Partner vom D-BSSE werden die von uns generierten menschlichen Gewebemodelle für die speziellen Bedürfnisse der Wirkstoffentwicklung weiterentwickeln – hierbei werden die Prozesse miniaturisiert und parallelisiert. Ziel der Bio-Ingenieure ist es, eine Hochdurchsatz-Screening-Plattform aufzubauen, die ein automatisiertes Screening chemischer Bibliotheken ermöglicht und den ersten Schritt für eine Wirkstoffentwicklung darstellt.

Wie entstand die Idee, das Thema «Antibiotikaforschung» im Rahmen eines NFS zu erforschen?

Das Biozentrum bietet uns Infektionsbiologen optimale Bedingungen für die Grundlagenforschung. Zusammen mit meinen Kollegen Dirk Bumann und Urs Jenal hier am Biozentrum entstand der Wunsch, unser Grundlagenwissen in der Infektionsbiologie mit Infektiologen am Unispital und Bio-Ingenieuren am D-BSSE zu vernetzen, um ein interdisziplinäres Forschungsprojekt über neuartige Strategien in der Antibiotikaforschung zu entwickeln. Dieses soll direkt im Patienten ansetzen und dort auch wieder enden.

Inwiefern ist der Standort Basel für dieses NFS geeignet?

Das Biozentrum, die Uniklinik, das Department Biomedizin und das D-BSSE werden in Zukunft auf einem zusammenhängenden Campusgelände angesiedelt sein – daraus ergeben sich optimale Rahmenbedingungen für ein solches interdisziplinäres Forschungsprojekt. Die Kooperationsmöglichkeiten mit KMUs und grossen Pharmafirmen vor Ort sind ein weiterer wesentlicher Standortvorteil für ein solches Forschungsprojekt in Basel. Deshalb freuen wir uns riesig, das «AntiResist» Projekt nun hier an der Universität Basel mit unseren Partnern zu verwirklichen.

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