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«Die Daten sind beschränkt, doch die Ruinen sind noch da»

«Die Auseinandersetzung mit historischer Stadtentwicklung erweitert unsere Perspektive darauf, wie heute urbaner Raum gestaltet und genutzt wird.» Dr. Monika Baumanová vor dem Spalentor in Basel. (Bild: Universität Basel, Florian Moritz)
«Die Auseinandersetzung mit historischer Stadtentwicklung erweitert unsere Perspektive darauf, wie heute urbaner Raum gestaltet und genutzt wird.» Dr. Monika Baumanová vor dem Spalentor in Basel. (Bild: Universität Basel, Florian Moritz)

Die Archäologin Dr. Monika Baumanová untersucht, wie sich urbaner Raum in Afrika zwischen dem 14. und 20. Jahrhundert entwickelt hat. Vor allem das Wechselspiel zwischen räumlichem und sozialem Wandel interessiert die Wissenschaftlerin, die zurzeit am Zentrum für Afrikastudien der Universität Basel forscht.

23. Februar 2016

«Die Auseinandersetzung mit historischer Stadtentwicklung erweitert unsere Perspektive darauf, wie heute urbaner Raum gestaltet und genutzt wird.» Dr. Monika Baumanová vor dem Spalentor in Basel. (Bild: Universität Basel, Florian Moritz)
«Die Auseinandersetzung mit historischer Stadtentwicklung erweitert unsere Perspektive darauf, wie heute urbaner Raum gestaltet und genutzt wird.» Dr. Monika Baumanová vor dem Spalentor in Basel. (Bild: Universität Basel, Florian Moritz)

Monika Baumanová, Sie sind verbringen fast zwei Jahre als Gastwissenschaftlerin an der Universität Basel. Was hat Sie hierher geführt?

Seit meinem Archäologiestudium habe ich mich mit räumlichen und materiellen Aspekten historischer Städte an der ostafrikanischen Swahili-Küste befasst. Jetzt möchte ich meine Forschung mit Ansätzen der Ethnologie, der Geschichte und der Architekturgeschichte ergänzen. Vor allem aber geht es mir um eine Langzeitperspektive und um den Vergleich mit anderen Regionen, etwa mit Westafrika. Ich möchte wissen, welche Bedeutung der Kolonialismus für die Stadtentwicklung hatte, wie er den Charakter des urbanen Lebens prägte. Es besteht bislang wenig Austausch zwischen der afrikanischen Archäologie und den sozialwissenschaftlich geprägten Afrikastudien, obwohl sich beide gegenseitig viel zu bieten hätten. Die Universität Basel und das Zentrum für Afrikastudien bieten mir ein multidisziplinäres Umfeld und viele Anknüpfungspunkte für meine Arbeit.

Was kann denn die Archäologie den Afrikastudien und den Gesellschaftswissenschaften bieten?

Als Archäologin stehen für mich die Materialität und die materielle Kultur im Zentrum. Schon immer und überall wurde und wird durch materielle Objekte kommuniziert, etwa durch Kleider, Schmuck, Gebrauchsgegenstände oder eben auch Gebäude. Diese Art von Kommunikation ist vor allem in Städten omnipräsent. Es herrscht eine grosse Dichte an Menschen und daher auch an Botschaften von Individuen oder Gruppen, aber auch der Gesellschaft als Ganzes. Die Lebensweise der Menschen schlägt sich auch in der materiellen Beschaffenheit einer Stadt nieder, beispielsweise in grossen, zentral gelegenen Kirchen in einer christlich geprägten Stadt oder Moscheen in einer muslimischen Stadt. Genauso sagen einzelne Gebäude etwas über die Lebensweise und Identität von Individuen oder Gruppen von Menschen aus.

Wie lassen sich solche Aussagen über Lebensweisen und Identitäten erfassen? Mit welchen Methoden arbeiten Sie?

Ich arbeite mit räumlicher Analyse. In meinem letzten Forschungsprojekt habe ich untersucht, wie sich die Bauten der urbanen Eliten an der afrikanischen Ostküste entwickelt haben, um den ändernden gesellschaftlichen Bedürfnissen gerecht zu werden. In Kenia habe ich mich mit den Ruinen von Gede befasst. Ich habe dort Steinstrukturen untersucht, die hauptsächlich aus dem 13. bis 16. Jahrhundert stammen.

Im Zentrum meiner Arbeit stand ein Komplex aus Wohngebäuden, der als «Palast von Gede» bekannt ist. Er wurde nach dem Zweiten Weltkrieg ausgegraben – mit den damals üblichen Methoden. Dabei gingen viele Daten verloren, die man mit den heute zur Verfügung stehenden technischen Mitteln sichern könnte. Die Daten, die uns von dieser Stätte zur Verfügung stehen, sind also sehr beschränkt. Doch die Ruinen sind noch da. Durch Methoden der räumlichen Analyse konnte ich aus dem Vorhandenen neue Erkenntnisse gewinnen. Dazu habe ich systematisch die räumlichen Strukturen und ihre historische Entwicklung untersucht: Wie waren Räume zugänglich und miteinander verbunden? Wie bewegten sich die Menschen in und zwischen den Räumen? Welche Räume waren sichtbar und welche wurden durch bauliche Massnahmen im Verborgenen gehalten?

Zu welchen Erkenntnissen sind Sie gekommen?

Im Fall vom «Palast von Gede» waren die Bauherren Händler. Ein wichtiger Teil ihrer Arbeit bestand darin, Besucher zu empfangen – andere Händler, bestehende oder potenzielle Geschäftspartner aus Indien und Arabien, aus anderen Städten entlang der afrikanischen Ostküste oder aus dem Landesinneren. Der «Palast» sollte auf diese Gäste Eindruck machen, Macht und Status demonstrieren. Jeder Besucher sollte sehen, welchen Wohlstand sich die Händler erwirtschaftet hatten. Entsprechend waren die Räume konzipiert. Im Laufe der Zeit wurde die Struktur aber vermehrt durch Räume erweitert, die den Besuchern verborgen blieben. Die Besitzer stellten ihren Reichtum weiterhin zur Schau, leisteten sich aber gleichzeitig mehr Privatsphäre. Die architektonischen Strukturen dieser Ruinen zeugen von Kommunikation durch materielle Objekte und lassen die Botschaften an die Gäste und Nachbarn der Hausbesitzer noch heute erkennen. Die Entwicklung der Gebäude über die Jahrhunderte zeugt aber auch von einem Wandel im Lebensstil der Eliten, vom Wandel sozialer und kultureller Normen.

Archäologin mit Marie-Curie-Fellowship

Die Archäologin Monika Baumanová arbeitet mit einem Marie Skłodowska-Curie Individual Global Fellowship der Europäischen Kommission am Zentrum für Afrikastudien Basel und am Departement für Archäologie und Frühgeschichte der Universität Uppsala in Schweden. Sie hat am University College London Archäologie studiert und sich dabei auf Afrika spezialisiert. 2012 wurde sie an der Westböhmischen Universität in Pilsen (Tschechien) promoviert.

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