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Wo das Vertrauen endet: Fanny Lalot erforscht die Folgen des Verrats

Fanny Lalot sitzt mit ihrem Computer in einem Gang der Fakulät für Psychologie
Fanny Lalot forscht während ihres Postdoktorats an der Fakultät für Psychologie zu Vertrauen und Verrat. (Foto: Universität Basel, Eleni Kougionis)

Fanny Lalot betrügt ihre Mitmenschen. Allerdings nur im Rahmen einer Studie. Die Psychologin will so erfahren, wie Vertrauen entsteht und gebrochen wird. Das ist aber nicht ihr einziger Themenschwerpunkt: Die Genferin forscht an allen Ecken und Enden zum Verhalten der Menschen.

02. März 2023 | Anika Zielenski

Fanny Lalot sitzt mit ihrem Computer in einem Gang der Fakulät für Psychologie
Fanny Lalot forscht während ihres Postdoktorats an der Fakultät für Psychologie zu Vertrauen und Verrat. (Foto: Universität Basel, Eleni Kougionis)

Fanny Lalot wollte eigentlich alles studieren. «Ich konnte mich überhaupt nicht entscheiden», erzählt die 33-Jährige über ihren Weg zur Psychologie. Die Postdoktorandin studierte zuerst ein Semester Medizin. Das gefiel ihr aber überhaupt nicht und sie wechselte das Studienfach: «Ich habe mich dann in die Psychologie verliebt.»

Besonders die experimentelle Psychologie hatte es ihr angetan und sie blieb an der Universität hängen: Auf das Studium in Genf folgte ein Doktorat im Bereich Sozialpsychologie: «Ich habe in der Gruppe als Hilfsassistentin angefangen. Nach dem Ende meines Studiums bot mir einer der Professoren ein Doktorat an. Das war eine tolle Gelegenheit», schwärmt die Genferin.

Von Genf über Kent nach Basel

Von Genf zog es Lalot erstmal ins Ausland, an die Universität Kent in Grossbritannien. «Ich hatte schon länger ein Auge auf England geworfen, einerseits, weil es nah genug ist um auch mal nach Hause zu fahren, andererseits weil ich das Land auch immer schon gerne besucht habe», erklärt sie. In Kent konnte Lalot während eines zweieinhalbjährigen Postdoktorats unter anderem an einem Projekt zum sozialen Zusammenhalt während der Covid-19 Pandemie forschen.

Der Plan war aber immer, in die Schweiz zu ihrer Familie und ihrem Partner zurückzukehren. 2021 kam sie an die Universität Basel. Hier kann Lalot dank einer sechsjährigen Postdokoratsstelle das tun, was sie am liebsten tut: Zu ganz vielen verschiedenen Themen forschen.

Flexibel bei den Forschungsthemen

Wie beim Studieren sind auch Lalots Forschungsinteressen sehr divers: «Ich mag die Vielfalt der Sozialpsychologie. Ich bin nicht gerne einfach auf eine Sache fixiert, sondern möchte mich an die verschiedensten Projekte dranhängen.»

So forschte die Genferin unter anderem schon zum Verhalten von Menschen bei Themen wie Umwelt und Klimawandel, zum sozialen Ausschluss in den sozialen Medien, dem Vertrauen der Bevölkerung in die Politik während der Covid-19 Pandemie und ganz allgemein, wie das Verhalten in der Vergangenheit die Zukunft beeinflussen kann. «Ich würde mich wohl als Sozialpsychologin bezeichnen, die aber auch in die Politik- und Umweltpsychologie reinschaut», beschreibt sich Lalot.

Ein Porträt von Fanny Lalot
Dr. Fanny Lalot. (Foto: Universität Basel, Eleni Kougionis)

Vertrauen und Verrat

In ihrem jüngsten Projekt befasst sich die Forscherin mit dem Thema Vertrauen. Genauer gesagt, mit den Auswirkungen von einem Verrat auf das Vertrauen. In Kent hatte Lalot bereits erste Erfahrungen mit dem Thema gemacht, jedoch mehr in Bezug auf das Vertrauen in die Politik. Jetzt möchte sie den Fokus mehr auf die Auswirkungen eines Verrats in zwischenmenschlichen Beziehungen legen. Was Lalot dabei unter anderem interessiert: «Wenn, zum Beispiel, eine Person A von, sagen wir, einer jungen, italienischen Frau verraten worden ist, wie wirkt sich das auf das Vertrauen von Person A gegenüber ähnlichen jungen, italienischen Frauen aus?»

Um das herauszufinden, entwirft die Sozialpsychologin Online-Experimente in Form von Spielen. Die Teilnehmenden spielen dabei hauptsächlich gegen einen computergenerierten Avatar, den Lalot und ihr Team programmiert haben und der einen echten Menschen simulieren soll. Die Avatare können die Teilnehmenden entweder verraten oder mit ihnen kooperieren. So kann Lalot über mehrere Runden des Spiels messen, wie sich ein Verrat auf das zukünftige Verhalten der Versuchspersonen auswirkt.

Ein Faultier, ein Fisch und ein alter Mann

Fragt man Fanny Lalot, was sie in der Forschung am liebsten macht, antwortet sie mit einem strahlenden Lächeln: «Eigentlich alles. Ich hatte extrem viel Spass dabei, die Experimente und Spiele für mein neues Vertrauens-Projekt zu entwickeln. Also zum Beispiel die kleinen Avatare zu gestalten, gegen die die Teilnehmenden dann spielen. Ich bin auch ein bisschen ein Nerd, was die Datenanalyse angeht. Ich sehe mir gerne die Statistiken an und schaue, was funktioniert und was nicht».

Ein Faultierkopf aus Keramik, ein Teller mit einem Fisch und ein gemälde eines alten Mannes hängen an einer Wand
An der Wand in Fanny Lalots Büro finden sich allerlei Erinnerungsstücke. (Foto: Universität Basel, Eleni Kougionis)

Nur wenn es um den Publikationsprozess geht, verfinstert sich ihre Miene ein wenig. Ihr letztes Projekt nennt sie «The Sloth», also das Faultier. Es dauerte über ein Jahr, um die Studie zum Einfluss von Vertrauen in die Regierung auf die Einhaltung der Covid-Massnahmen in England zu publizieren. Weil es so lange ging, vergleicht sie die Studie mit dem gemächlichen Säugetier. Um die Publikation dann zu verewigen, hat Lalot einen kleinen Faultierkopf an ihre Bürowand gehängt.

Dort macht sich das Faultier gut neben den beiden anderen Erinnerungsstücken. «Das hier ist ein Fisch, der extra etwas abstossend aussieht» erklärt Lalot und zeigt auf einen kleinen, runden Keramikteller, der neben dem Faultier hängt. «Den habe ich meiner Bürokollegin geschenkt, als Erinnerung an eine ihrer Studien, bei der die Teilnehmenden sich virtuell einen solchen Fisch zuwerfen mussten. Eine Person wurde dabei aus dem Spiel ausgeschlossen. Dabei wollten wir testen, ob dieser Ausschluss schmerzhaft ist, obwohl das Objekt des Ausschlusses eigentlich total widerlich ist», erklärt Lalot.

Komplettiert wird diese etwas skurrile Sammlung durch ein Bild von einem alten Herrn. «Wir haben ihn in der Brocki gefunden und fanden, dass er ein bisschen wie Sigmund Freud aussieht, daher nennen wir ihn immer den ‹Schweizer Freud›».

Die Weltenbummlerin

Wenn Lalot nicht gerade in ihrem Büro am Ende des langen Ganges im zweiten Stock der Fakultät für Psychologie sitzt und mit viel Freude neue Experimente entwirft, Daten analysiert oder ihre Bürowände schmückt, dann geht sie ihrer zweiten grossen Passion nach: dem Reisen.

Chile, Peru, Indonesien, Vietnam: Die Liste von Lalots Wunsch-Reisezielen ist lang. Als nächstes geht es aber erstmal gemeinsam mit ihrem Partner nach Japan. «Wir waren schon einmal dort und haben vor allem die Hauptinsel besucht. Wir wollten eigentlich schon seit einigen Jahren wieder zurück, aber das war jetzt lange nicht möglich. Dieses Jahr geht es endlich los!», erzählt Lalot begeistert.

Wo die Forschungsreise von Fanny Lalot nach ihrem Postdoc in Basel hingeht, weiss sie noch nicht: «Ich habe mich für einen SNF-Grant beworben, da bekomme ich aber erst in einigen Monaten eine Rückmeldung. Das würde mir noch mehr Freiheiten geben und ich könnte auch eine Doktoratsstelle betreuen, das wäre super.» Grundsätzlich möchte sie in Basel bleiben. «Aber es ist halt Forschung, da man weiss es nie so recht, wohin es einen verschlägt.»

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