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Neurowissenschaftliche Untersuchungen mit Jugendlichen: ein Kinderspiel?

Im Rahmen von MRT-Untersuchungen ist es wichtig, dass sich die Kinder und Jugendlichen wohl fühlen. (Bild: Universität Basel, Florian Moritz)
Im Rahmen von MRT-Untersuchungen ist es wichtig, dass sich die Kinder und Jugendlichen wohl fühlen. (Bild: Universität Basel, Florian Moritz)

Die Neurowissenschaftlerin Dr. Nora Maria Raschle untersucht Störungen des Sozialverhaltens bei Kindern und Jugendlichen. Hierzu nutzt sie die Möglichkeiten der pädiatrischen Bildgebung mittels Magnetresonanztomographie (MRT). Die Untersuchung von Kindern erfordert viel Kreativität und Einfühlungsvermögen.

05. Dezember 2016

Im Rahmen von MRT-Untersuchungen ist es wichtig, dass sich die Kinder und Jugendlichen wohl fühlen. (Bild: Universität Basel, Florian Moritz)
Im Rahmen von MRT-Untersuchungen ist es wichtig, dass sich die Kinder und Jugendlichen wohl fühlen. (Bild: Universität Basel, Florian Moritz)

Nora Raschle, sie forschen als Neurowissenschaftlerin an der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität Basel. Was genau untersuchen Sie?

In der Forschungsgruppe von Prof. Christina Stadler leite ich die Untersuchungen zu typischer und atypischer Hirnentwicklung. Das heisst, mein Interesse liegt in der Erforschung von Hirnfunktionen, Hirnstrukturen und ihrer Entwicklung. Das beinhaltet zurzeit die Frage, wie Emotionen vom Gehirn verarbeitet und reguliert werden. Im Rahmen zweier grösserer Studien untersuchen wir zum Beispiel Störungen des Sozialverhaltens bei Kindern ab 9 Jahren.

Wie erkennt man Störungen des Sozialverhaltens bei Kindern und Jugendlichen?

Kinder und Jugendliche mit Störungen des Sozialverhaltens verletzen wiederholt die grundlegenden Rechte anderer oder verstossen mit ihrem Verhalten gegen wichtige altersentsprechende gesellschaftliche Normen und Regeln. Die Betroffenen können aggressives Verhalten zeigen oder ihre Emotionen weniger gut steuern. Sie verhalten sich aber zum Teil auch geplant aggressiv, stehlen, lügen, laufen von zu Hause weg oder quälen Tiere. Dabei wirken sie zum Teil emotional völlig unbeteiligt.

„Schwer aggressive Jugendliche haben oft Probleme bei der Verarbeitung von Emotionen“, erklärt Dr. Nora Maria Raschle. Die Untersuchung von derlei Störungsbildern im Gehirn stellt einen der Forschungsschwerpunkte der Neurowissenschaftlerin dar. (Bild: Universität Basel, Florian Moritz)
«Schwer aggressive Jugendliche haben oft Probleme bei der Verarbeitung von Emotionen», erklärt Dr. Nora Maria Raschle. Die Untersuchung von derlei Störungsbildern im Gehirn stellt einen der Forschungsschwerpunkte der Neurowissenschaftlerin dar. (Bild: Universität Basel, Florian Moritz)

Was passiert im Gehirn von schwer aggressiven Jugendlichen?

Ein typisches Verhalten ist zum Beispiel, dass emotionale Signale anderer Personen nicht erkannt oder falsch verstanden werden oder dass die eigenen Emotionen weniger gut reguliert werden können. Für solche Verhaltensweisen gibt es im Gehirn unterschiedliche Netzwerke, die bei Gebrauch aktiviert werden. Wir können zum Beispiel erkennen, dass diese Netzwerke bei aggressiven Jugendlichen weniger stark arbeiten.

Beispiele von Schnittbildern des Gehirns. In gelber Farbe sind Anstiege, in blauer Farbe Verminderungen der Hirnaktivierung als Reaktion auf eine MRT-Aufgabe abgebildet. (Bild: Nora Raschle )
Beispiele von Schnittbildern des Gehirns. In gelber Farbe sind Anstiege, in blauer Farbe Verminderungen der Hirnaktivierung als Reaktion auf eine MRT-Aufgabe abgebildet. (Bild: Nora Raschle)

Welche Erkenntnisse können Untersuchungen mit einem MRT liefern?

Mit der Bildgebung bei Kindern und Jugendlichen können neurobiologische Grundlagen und die Entstehung verschiedener Verhaltensmuster dargestellt werden. Wir überprüfen aktuell, ob sich nach einem verhaltensbezogenen Trainingsprogramm eine verbesserte Emotionsregulation auch im Gehirn abbilden lässt. Eine genaue Abbildung einer Erkrankung hilft bei der Wahl geeigneter Therapien oder rechtfertigt ihren Einsatz. Patienten, die im Bereich der Emotionsverarbeitung Probleme haben, erhalten ein gezieltes Training, das ihnen helfen soll, Emotionen besser zu erkennen und zu regulieren.

Welche Besonderheiten muss man bei MRT-Untersuchungen mit Kindern beachten?

Die Arbeit mit Kindern und Familien macht sehr viel Spass, die Vorgehensweise muss aber altersentsprechend angepasst werden. Wir wollen zum Beispiel zunächst das Verständnis der Kinder und Eltern dafür gewinnen, um was es bei der Untersuchung geht und was sie mit ihrer Teilnahme zur Forschung beitragen. Mit angewandten Beispielen und altersgerechten Formulierungen erklären wir, was während der Untersuchung passiert. Die Tests werden vor allem so gestaltet, dass die Kinder Spass haben und den Untersuchungsraum mit einem guten Gefühl verlassen. Das erfordert Kreativität. Je nach Alter des Kindes passen wir auch die Länge der Untersuchung an.

Wo finden Sie Versuchsteilnehmer für Ihre Studien?

Patienten werden meist über die Klinik rekrutiert, aber auch über Heime und Jugendzentren. Wir gehen zudem in Schulen und halten Vorträge darüber, was unsere Forschung ausmacht und was Hirnentwicklung ist. Mir ist es ein persönliches Anliegen, Kindern dieses Wissen zu vermitteln und unsere Forschungsergebnisse auf allen Ebenen zu teilen. Ein gutes Beispiel dafür ist unser Artikel zum Thema Emotionsverarbeitung und ihre Untersuchung mit MRT in der Zeitschrift «Frontiers for Young Minds» oder auch Videopublikationen, in denen wir unsere Methoden verständlich darstellen.


Zurzeit sucht die Forschungsgruppe von Prof. Christiana Stadler männliche Probanden im Alter von 9 bis 15 Jahren und weibliche Probanden im Alter von 9 bis 18 Jahre (Kontrollpersonen sowie Personen mit der Diagnose Störung des Sozialverhalten). Kontakt: Janine.Alfano@upkbs.ch

                                      Neurowissenschaftlerin mit Herz für Kinder

Dr. Nora Maria Raschle studierte Neuropsychologie an der Universität Zürich und promovierte an der Harvard Medical School und dem Kinderspital in Boston, wo sie für fünf Jahre zunächst als Doktorandin und anschliessend als Postdoc arbeitete. Seit 2013 forscht die Neurowissenschaftlerin in der Forschungsgruppe von Prof. Christina Stadler an der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität Basel. Sie beschäftigt sich im Rahmen der affektiven, kognitiven und entwicklungsbezogenen Neurowissenschaften schwerpunktmässig mit pädiatrischer Bildgebung. Kürzlich erhielt sie die Auszeichnung eines «Early Career Research Fellowship» (2017–2019) von der Jacobs Foundation for Youth Development.

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