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Basler Gold-Ruderer: «Man kann alles schaffen, wenn man sich ein Ziel steckt»

Olympiasieger in Rio: Der Basler Sportstudent Simon Niepmann und der Medizinstudent Lucas Tramèr haben im Leichtgewichts-Vierer Gold gewonnen. (Bild: Universität Basel, Christoph Merki)
Olympiasieger in Rio: Der Basler Sportstudent Simon Niepmann und der Medizinstudent Lucas Tramèr haben im Leichtgewichts-Vierer Gold gewonnen. (Bild: Universität Basel, Christoph Merki)

Seit den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta haben die Schweizer Ruderer keine Goldmedaille mehr gewonnen. Umso grösser die Freude über den Olympiasieg des Leichtgewichts-Vierers in Rio de Janeiro. Mit Simon Niepmann (31, Sport) und Lucas Tramèr (27, Medizin) haben sich auch zwei Studenten der Universität Basel die höchste sportliche Auszeichnung erkämpft. Im Interview erzählen sie, wie sie Spitzensport und Studium in Einklang bringen.

19. August 2016

Olympiasieger in Rio: Der Basler Sportstudent Simon Niepmann und der Medizinstudent Lucas Tramèr haben im Leichtgewichts-Vierer Gold gewonnen. (Bild: Universität Basel, Christoph Merki)
Olympiasieger in Rio: Der Basler Sportstudent Simon Niepmann und der Medizinstudent Lucas Tramèr haben im Leichtgewichts-Vierer Gold gewonnen. (Bild: Universität Basel, Christoph Merki)

Simon Niepmann, Lucas Tramèr, wie fühlt sich ein Olympiasieger?

Niepmann: Es fühlt sich sehr gut an. Seit ein paar Jahren war dies das erklärte Ziel von uns. Wir wussten, dass es realistisch ist, aber auch extrem schwierig. Deswegen ist auch der Sieg super schön, zu wissen, etwas geschafft zu haben. Im Rudersport ist die Goldmedaille an den Olympischen Spielen das höchste Ziel überhaupt, das man sich setzen kann. Wenn man es erreicht, hat man die Gewissheit, dass man in diesem Sport doch sehr gut ist. Das ist ein angenehmes und befriedigendes Gefühl. Vor allem auch darum, weil wir unbedingt gewinnen wollten.

Tramèr: Gut natürlich! Aber auch irgendwie komisch. Plötzlich ist das grosse Ziel erreicht und der ganze Druck weg, man fühlt sich auch ein bisschen verloren.

Hat Ihnen das Studium bei den Vorbereitungen auf die Wettkämpfe geholfen?

Niepmann: Unmittelbar vor den Olympischen Spielen nicht mehr. Aber am Anfang, als ich im Spitzensport wirklich Fuss fasste, war es schon cool, die Hintergründe und Theorien über die Belastungen des Körpers zu verstehen. Aber als Athlet muss man Erfahrungen machen, da hilft die Theorie nur bedingt. Ich habe es aber geschätzt, dass ich dank des Sportstudiums verstand, was wir machen mussten.

Tramèr: Ab und zu schon. Gewisse Kenntnisse der Physiologie kann ich mitnehmen, aber ob ich wirklich ein besserer Sportler geworden bin, weil ich gewisse wissenschaftliche Hintergründe kenne, bezweifle ich.

Ist im Profisport ein Studium nebenher überhaupt noch möglich?

Tramèr: Rudern kann man meines Erachtens nicht als Profisport bezeichnen. Die meisten Spitzenruderer studieren oder arbeiten nebenher, zumindest zu Beginn der vierjährigen Zeitspanne vor den Olympischen Spielen. In der Schweiz legen die meisten Athleten des Olympiakaders im Olympiajahr ein Zwischenjahr ein, um sich voll auf den Sport zu konzentrieren.

Niepmann: Wenn man will, ist es sicher möglich. Man muss aber bereit sein, extrem viele Abstriche zu machen. Bei mir war klar, solange ich ernsthaft Spitzensport auf internationalem Niveau betreibe, steht das Rudern an erster Stelle. Darum habe ich auch Prüfungen teilweise ein oder zwei Jahre später geschrieben als vorgesehen. Dies war natürlich wieder mit einem grösseren Aufwand verbunden, da ich die Materie wieder aufarbeiten musste. Auch muss man in Kauf nehmen, dass sich das Studium extrem in die Länge zieht.

Gold für die Schweiz: Die Ruderer Simon Niepmann, Simon Schürch, Mario Gyr und Lucas Tramèr feiern den Sieg im Leichtgewichts-Vierer. (Bild: Universität Basel, Christoph Merki)
Gold für die Schweiz: Die Ruderer Simon Niepmann, Simon Schürch, Mario Gyr und Lucas Tramèr feiern den Sieg im Leichtgewichts-Vierer. (Bild: Universität Basel, Christoph Merki)

Wurden Sie von Ihrer Fakultät oder Ihrem Departement unterstützt?

Niepmann: Die Verantwortlichen waren immer zuvorkommend. Viele Extras benötigte ich aber nicht. Auch bei den zu absolvierenden Lagern zeigte sich die Leitung meist sehr flexibel. Aufgaben wurden mir aber nicht erlassen.

Tramèr: Ja, die Fakultät kam mir bei gewissen logistischen Problemen mit Pflichtfächern entgegen. Somit konnte ich meinen Studienplan etwas personalisieren. Ich finde aber, dass die Schweizer Universitäten viel mehr tun könnten und müssten, um Spitzensportler in ihrem Studium zu unterstützen.

Inwiefern fühlen Sie sich mit der Universität Basel verbunden?

Niepmann: Ich bin in der Region Basel aufgewachsen. Mein grosses Engagement im Rudersport hat auch die Wahl der Universität beeinflusst. In Basel war ich relativ nahe bei meinen Trainingsplätzen, konnte gleichzeitig noch bei meinen Eltern wohnen und die Ausbildung vorantreiben. Gleichzeitig aber fühle ich mich an der Universität Basel auch ein wenig zu Hause.

Tramèr: Ich habe in Basel bisher drei Semester studiert und fühle mich hier sehr wohl. Mein Vater hat zu seiner Zeit auch an der Uni Basel studiert. Ausserdem wohnt der Grossteil meiner Familie in Basel, womit ich mich mit der Stadt im Allgemeinen sehr verbunden fühle.

Wie könnte die Universität Basel den Spitzensport besser fördern?

Niepmann: Ein Studium ist mit dem Trainingsaufwand für einen Sportler auf Weltspitzenniveau kaum möglich. Hier müssten für Athleten mit Potenzial andere Lösungen gefunden werden, zum Beispiel in Kombination mit Fernstudien, wie es in anderen Ländern möglich ist. Ein grosses Thema ist sicher auch die Präsenzpflicht bei Vorlesungen. Wenn man fast sechs Tage in der Woche trainiert, kann man dieser Pflicht nicht nachkommen. In solchen Fällen müsste es die Möglichkeit für individuelle Lösungen geben.

Tramèr: Ja, das betrifft aber nicht nur die Uni Basel, sondern die Schweizer Universitäten generell. Die Schweiz braucht ein richtiges System für Spitzensportler. Die Universitäten sollten offener werden für individuelle Anpassungen und in den Fakultätsreglementen ein bisschen mehr Freiheit geben. Ich würde es begrüssen, wenn eines Tages ein Gremium aus Spitzensportlern und Universitätsverantwortlichen an einen Tisch sitzen würde, um ein solches System zu entwerfen. Auf Sekundarstufe II funktioniert es ja sehr gut, warum nicht auch an der Uni?

Mit Ihrer Erfahrung haben Sie bestimmt auch Tipps für andere Studierenden mit Spitzensportambitionen?

Niepmann: Man kann alles schaffen, wenn man sich ein Ziel steckt. Für mich ist aber entscheidend, dass die Ausbildung nicht vernachlässigt wird. Ausserdem war es für mich wichtig, nebst der physischen Belastung auch kognitiv gefordert zu werden. Es ist zentral, nicht nur auf die Karte Sport zu setzen. Es kann immer etwas schiefgehen in einer Sportkarriere. In einem solchen Fall ist es wichtig, dass man auf Alternativen setzen kann, falls es im Sport nicht klappen sollte.

Tramèr: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man, wenn man beim Dekanat genügend Überzeugungsarbeit leistet, oft eine passable Lösung für die meisten Probleme findet. Ich rate somit Studierenden mit Spitzensportambitionen, ihre Wünsche offen zu kommunizieren und konkrete Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Ganz generell braucht es natürlich viel Disziplin, Time-Management und nette Mitstudenten, die einem Notizen und Zusammenfassungen zur Verfügung stellen … Ohne meine Mitstudenten hätte ich das nie geschafft.

Wie geht es nun mit dem Studium nun weiter?

Tramèr: Ich beginne im Oktober in Bülach mit dem Wahlstudienjahr in der Inneren Medizin.

Niepmann: Ich habe zwar alle Prüfungen absolviert, muss aber noch die Masterarbeit schreiben. Das Thema weiss ich schon seit drei Jahren: «Schmerztoleranz und Schmerzschwelle im Leistungssport». Es ist eine Literaturarbeit. Ich will sie möglichst bis Weihnachten fertiggeschrieben haben, damit ich dann Stellvertretungen an Schulen übernehmen und Erfahrungen als Sportlehrer sammeln kann.

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