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Flugreisen: Manchmal ist weniger wirklich mehr

Verkehrsflugzeug und moderner Zug auf abstraktem Hintergrund. (Bild: Mascha Tace/Shutterstock)
(Bild: Mascha Tace/Shutterstock)

«Less for more» – die Universität Basel will ihre Flugemissionen reduzieren. Corona beschleunigt diesen Prozess. Die Pandemie hat deutlich gemacht, dass viele Meetings digital stattfinden können. Der Austausch vor Ort bleibt aber in bestimmten Fällen nach wie vor wichtig.

26. November 2020

Verkehrsflugzeug und moderner Zug auf abstraktem Hintergrund. (Bild: Mascha Tace/Shutterstock)
(Bild: Mascha Tace/Shutterstock)

Flugreisen machten bisher die Hälfte aller Treibhausgasemissionen der Universität Basel aus. Mit dem Projekt «less for more», das von Rektorat und Regenz beschlossen wurde, sollen Forschende die Flugemissionen im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2019 um mindestens 30 Prozent reduzieren. Dabei werden sie von der Fachstelle für Nachhaltigkeit unterstützt.

Ohne dass bereits konkrete Zahlen vorliegen, darf man davon ausgehen, dass dieser Wert bereits in diesem Jahr erreicht werden dürfte: Die Corona-Epidemie trägt wesentlich dazu bei, dass weniger geflogen wird. Prof. Dr. Philipp Treutlein, Professor am Departement Physik, erzählt von mehreren Konferenzen – darunter auch solche in Übersee –, die wegen Covid-19 ausfielen oder verschoben werden mussten. «Mich würde es jedenfalls nicht überraschen, wenn wir Forschenden in diesem Jahr bereits über 30 Prozent weniger geflogen wären.»

Nun gelte es, diese Reduktion auch in die Zeit nach der Corona-Epidemie «hinüberzuretten», so Treutlein. Die vergangenen Monate hätten nochmals deutlich vor Augen geführt, dass man nicht für jedes Meeting durch die halbe Welt jetten müsse. Der Physiker erinnert sich an eine Zeit, da er beispielsweise für einen einstündigen Vortrag nach Kanada geflogen sei. Auch aus familiären Gründen – er ist Vater von vier kleinen Kindern – hat er solche Verpflichtungen mittlerweile deutlich reduziert. «Mit Corona ist die Akzeptanz, dass man nicht mehr überall dabei sein muss und viele Termine auch auf digitalem Weg wahrnehmen kann, deutlich gestiegen.»

Weniger Strapazen für Körper und Natur

Das sieht auch Chiara Jeiziner so. Die Assistentin und Doktorandin in Pharmaceutical Care am Departement Pharmazeutische Wissenschaften ist überzeugt, «dass dieses Coronavirus mehr mit uns macht, als wir denken – auch wenn wir gar nicht infiziert werden». Nachdem die Forschenden die Möglichkeiten der digitalen Tools kennengelernt hätten, überlegten sie sich sicher zweimal, ob es zwingend ist, einen Referenten aus Holland für eine Stunde Referat in die Schweiz einfliegen zu lassen: «Denn wir wissen nun: Vieles ist gar nicht mehr notwendig!»

Will man sich doch physisch treffen, kann man das oft auch mit dem Zug machen. Im vergangenen Jahr beispielsweise nahm Chiara Jeiziner eine elfstündige Zugreise nach Ljubljana in Kauf, um an einer Konferenz teilzunehmen. Sie erinnert sich an ein «richtiges Abenteuer», das seine Vorteile gehabt habe gegenüber einem Flug – «weil man dem Körper und der Natur weniger Strapazen zufügt, wenn man auf dem Boden bleibt».

Roger Langenegger und seine Mitstudierenden waren gar 36 Stunden unterwegs, um an einer meeresbiologischen Exkursion in Andalusien teilzunehmen. Langenegger besucht den Masterstudiengang Sustainable Development an der Universität Basel, weil er zu einer nachhaltigen Entwicklung auf dieser Erde beitragen will. «Da wäre es verwerflich gewesen, wenn wir geflogen wären.» Die Zeit im Zug nutzte die Studierendengruppe, um an Semesterarbeiten zu schreiben, zu arbeiten oder sich untereinander auszutauschen. «Zudem hatten wir in Barcelona einen Zwischenhalt, den wir nutzten, um uns die Stadt anzuschauen.»

Wertvolle Kontakte und Erfahrungen

Ganz aufs Fliegen verzichten möchte Roger Langenegger dennoch nicht. 2016 verbrachte er ein Austauschjahr in Bolivien. Er prüfte Alternativen zum Flug, verwarf sie aber wieder; die Überfahrt mit dem Frachtschiff hätte mindestens zwei Wochen gedauert, 5000 Franken gekostet und ohne Internet stattgefunden. So blieb nur das Flugzeug. Nicht nach Bolivien zu reisen, hätte bedeutet, auf wertvolle Kontakte und Erfahrungen zu verzichten, die man digital so nicht hätte erleben können. Er hofft deshalb, dass die Flugindustrie in naher Zukunft zu 100% auf erneuerbare Energien umsteigt.

Auch Philipp Treutlein glaubt, dass es in bestimmten Fällen den direkten Austausch vor Ort weiterhin braucht. Doktoratsexamen, Begutachtungen und einzelne Konferenzen können künftig zwar mithilfe digitaler Kanäle abgedeckt werden. «Wer Forschung aber nicht nur als Handwerk versteht, ist auf den direkten Kontakt angewiesen. Denn Austausch bedeutet Inspiration, die Forschung wiederum ist genau auf diese Inspiration angewiesen.»

Treutlein erachtet es als unerlässlich, dass man künftig Qualitätskriterien anlegt, welche Treffen vor Ort stattfinden sollen und welche nur noch digital. «Klar ist aber schon jetzt: Wir werden viel weniger fliegen als früher. Der Professor, der mit seinem Vielfliegerstatus angibt, ist ein Auslaufmodell.»

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