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Rund um den Mund. (01/2025)

Von Elvis bis Adele.

Text: Christoph Dieffenbacher

Gesang prägt bis heute die internationale Popkultur. Der individuelle Klang trägt dabei die Botschaft ebenso wie der Text.

Collage eines Rockers mit Vollbart und einem Mund, der sich verschämt auf die Lippe beisst
(Collage: SUAN Conceptual Design GmbH)

Eigentlich mag Julia Landmann Opernarien am liebsten. Doch auch die sanft vibrierende Stimme von Elvis Presley geht ihr nahe – und weckt bei ihr frühe Erinnerungen: Als Kind tanzte sie um den Wohnzimmertisch herum zu den Liedern des «King», die ihre Mutter ab Kassette spielte. Heute beschäftigt sich die Anglistin am Departement für Sprach- und Literaturwissenschaften der Universität Basel mit englischen Popsongs, wie sie von einem Millionenpublikum konsumiert werden. Besonders gerne tut sie das zusammen mit ihren Studierenden.

Klangfarbe, Ausdruck, Emotion.

«Erfolgreiche Pophits der letzten Jahre unterscheiden sich in Klangfarbe, Ausdrucksstärke und emotionaler Tiefe ziemlich voneinander», sagt Landmann. Nur schon bei der Frage, was eine Singstimme sympathisch macht, gebe es Abstufungen: «So kann die warme, volle Stimme von Adele Nähe und Verbundenheit herstellen. Ein klarer, heller Mezzosopran wie jener von Taylor Swift klingt nach jugendlicher Leichtigkeit, während Ed Sheerans sanfter und melodiöser Tenor an eine intime Atmosphäre denken lässt.»

Differenzen gebe es auch in der Aussprache und der Dialektfärbung der gesungenen Texte. So werde in manchen Songs bewusst die Sprache von unterprivilegierten Schichten oder Randgruppen eingesetzt – etwa bei Rihanna, die Elemente ihrer karibischen Herkunft in ihre Musik integriert.

Heute würden die Popstimmen samt der instrumentalen Begleitung klanglich optimiert und auf ein Millionenpublikum abgestimmt, begleitet von einem aufwendigen Marketing, erklärt Landmann. Das gehe so weit, dass in den Konzerten nicht die einzelne Stimme, sondern deren massenwirksame Inszenierung im Vordergrund steht: «Besonders deutlich wird das bei den theatralischen Bühnenauftritten von Madonna und Lady Gaga – für mich sind die beiden in ihrer Wandelbarkeit unübertroffen.»

Dagegen hören sich die Stimmen bekannter Sänger und Liedermacher wie Bob Dylan oder Leonard Cohen nicht besonders schön an, sondern eher dünn und krächzend. Gerade dann wirken sie besonders authentisch, so die Linguistin, und hätten damit einen hohen Wiedererkennungswert. Die inhaltliche Botschaft von Songs würde dann wichtiger als die Töne – wie etwa bei Dylans «Blowin’ in the Wind», dem Antikriegslied, das in den 1960er-Jahren zur Hymne einer ganzen Bewegung wurde.

Grell statt sanft.

Klar ist, dass die Stimmen der Popstars immer bestimmte politische und gesellschaftliche Botschaften aussenden. Dabei könnten auch alte Geschlechterklischees ins Wanken geraten, stellt Landmann mit Blick auf die Geschichte der Popmusik fest: Weibliche Stimmen würden im Lauf der Zeit immer weniger sanft und schmeichelnd klingen und könnten auch laut und grell werden. Gleichzeitig seien Männerstimmen tendenziell weicher geworden. Eine ähnliche Entwicklung lasse sich übrigens auch im Unterhaltungsfilm der USA seit den 1950er-Jahren beobachten.

Von Herzschmerz bis zur sozialen Anklage: Manche Songs in der Popmusik folgen den vorherrschenden Normen und Werten ihrer Zeit, während andere sie radikal infrage stellen. Innovative Ansätze und der Bruch mit Althergebrachtem bleiben indes beim Publikum länger in Erinnerung. Und oft überdauern ausser den unvergessenen Stimmen auch einfache Körpergesten – wie Elvis’ berühmter Hüftschwung, mit dem der Star seine Songs verführerisch zu begleiten wusste.


Weitere Artikel in dieser Ausgabe von UNI NOVA (Mai 2025).

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