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Rund um den Mund. (01/2025)

Mein Buch: Wasser als Ressource und Grenze kolonialer Macht.

Text: Corey Ross

Das Buch Liquid Empire zeigt, wie europäische Imperien Gewässer kontrollierten, um Herrschaft zu festigen. Und wie diese Strukturen bis heute nachwirken.

Corey Ross
Corey Ross (Foto: Universität Birmingham, zVg)

Die gängige Interpretation des europäischen Imperialismus des 19. und 20. Jahrhunderts versteht diesen als Ausübung von Herrschaft über Land, vor allem in Asien und Afrika. Ein zentraler Teil dieser Herrschaft war jedoch immer auch die Kontrolle über Wasser in den unterworfenen Gebieten. In meinem Buch Liquid Empire erforsche ich, wie der Kolonialismus die Gewässer der kolonialen Welt formte und europäische Kolonialreiche selbst durch Wasser geprägt wurden.

Wasser war ein imperialer Machtfaktor. Kolonialbehörden errichteten riesige Bewässerungsanlagen, Kanalnetzwerke und Deichsysteme, um Einkünfte und Einfluss vor Ort zu steigern. Dabei war der Zugang zu Wasser eng mit Machthierarchien verwoben: Bewässerungsprojekte kamen vor allem den mit dem Regime verbündeten Grossgrundbesitzern zugute, oft auf Kosten kleinerer Pächter. In Städten zogen zentralisierte Wasserwerke neue Grenzen, da sie meistens nur wohlhabende Viertel versorgten. Letztlich entschied sozialer Status darüber, wer Wasser kontrollierte, sprich beziehen, verteilen oder verschmutzen durfte.

Der Anspruch, die Natur durch Know-how zu bändigen, war ein ideologischer Stützpfeiler kolonialer Machtansprüche. Jedoch untergruben unbeabsichtigte Nebenwirkungen (Malariaausbrüche in Bewässerungsgebieten, durch Hochwasserdeiche verschlammte Transportkanäle oder durch Dämme zerstörte Fischgründe) diesen Herrschaftsanspruch. Während Bauern und Fischer unter den Folgen des kolonialen Wasserbaus litten, kritisierten einheimische Eliten, der Kolonialstaat entwickle örtliche Wasserressourcen unzureichend.

Aber auch postkoloniale Regierungen hielten seit der Mitte des 20. Jahrhunderts an den technokratischen Mustern der Kolonialzeit fest. Im Namen von «Entwicklung» errichteten sie zentral kontrollierte Infrastrukturen, ohne direkt betroffene Gruppen miteinzubeziehen. In vielen dieser Staaten sind bis heute extreme Wasserknappheit und Verteilungskämpfe an der Tagesordnung. Mein Buch macht deutlich, dass diese kolonialen Überreste überwunden werden müssen, um einen gerechteren und nachhaltigeren Umgang mit Wasserressourcen zu ermöglichen.

Corey Ross ist Professor für European Global Studies und Direktor des Europainstituts. Er erforscht den Imperialismus und die globale Umweltgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert. Ihn interessiert die Geschichte der Beziehungen zwischen Europa und dem Rest der Welt.


Weitere Artikel in dieser Ausgabe von UNI NOVA (Mai 2025).

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