Expertise bieten für die Politik.
Text: Urs Hafner
Forschende können in staatlich beauftragten Gremien viel beitragen – wenn man sie lässt. Monika Pfaffinger und Laurent Goetschel haben unterschiedliche Erfahrungen gemacht.
Gegensätzlicher könnte die jeweilige Bilanz nicht ausfallen. Monika Pfaffinger hat die vom Bundesrat eingesetzte Expertengruppe Internationale Adoption geleitet, deren Empfehlungen im Februar 2025 prominent in den Medien kamen. Pfaffinger sagt: «Diese Aufgabe war eine meiner faszinierendsten beruflichen Herausforderungen. Und eine der wirkmächtigsten.» Laurent Goetschel war bis Sommer 2024 Mitglied der vom Bundesrat eingesetzten Studienkommission für Sicherheitspolitik. Er sagt: «Meine Mitarbeit war reine Zeitverschwendung.»
Laurent Goetschel lehrt an der Universität Basel Politikwissenschaft und leitet die Schweizerische Friedensstiftung Swisspeace, Monika Pfaffinger ist in Basel habilitiert und Lehrbeauftragte für Privat-, Technologie- und Informationsrecht. Die beiden Forschenden wirkten in zwei Gremien mit, die den Auftrag hatten, die Bundespolitik zu beraten – damit diese möglichst informierte und rationale Entscheide treffen kann. «Evidenzbasierte Politik» lautet das Schlagwort dafür.
«Als die Anfrage des Bundesamts für Justiz kam, war ich überrascht. Die Verantwortung der Aufgabe, mit der ich betraut wurde, war mir schnell klar», sagt Pfaffinger. Die Juristin hatte 2007 zum Thema Adoption dissertiert, war aber nicht in die jüngeren Studien involviert, die zeigen, dass Schweizer Paare vor allem zwischen den 1970er- und 1990er-Jahren unter irregulären Bedingungen Tausende von Kindern aus Ländern des Südens adoptierten. Darum hat der Bundesrat Handlungsbedarf gesehen.
Pfaffinger durfte die Auswahl der Mitglieder der Expertengruppe mitbestimmen und die Gruppe konnte unabhängig arbeiten. «Die Verwaltung hat unser Vorgehen stets respektiert und gefördert», sagt Pfaffinger. Die Gruppe bestand aus zehn Mitgliedern, darunter waren Betroffene und Vertreter von Institutionen, die bei Adoptionen involviert waren. «Es brauchte viel Fachkompetenz und Fingerspitzengefühl sowohl innerhalb der Gruppe als auch mit den Betroffenen, den Behörden und den Medien.»
Grundsätzliche Reformen oder Verbot.
Die Expertengruppe erarbeitete an ihren 13 Sitzungen nach dem Konsent-Prinzip Empfehlungen, die von allen Mitgliedern geteilt wurden. Sie kam zum Schluss, dass ein Paradigmenwechsel nötig sei. Die Schweizer Politik müsse sich «mit den systemimmanenten Risiken und Realitäten» sowie mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Adoption beschäftigen: «Adoptierte haben ein Recht, zu erfahren, wer ihre Eltern sind», sagt Pfaffinger.
Die Gruppe legte zwei Optionen für künftige Adoptionen vor: Entweder beschliesse die Schweiz grundsätzliche Reformen oder sie erlaube «internationale Fremdkind-Adoptionen» nicht mehr. Der Bundesrat hat sich für die zweite Option entschieden, für den Ausstieg. Für Monika Pfaffinger war die Tätigkeit in der Gruppe «anspruchsvoll und konstruktiv», und ihre wissenschaftliche Arbeit hat politische und gesellschaftliche Relevanz erhalten.
Aussenseiter im Gremium.
Frustriert dagegen ist Friedensforscher Laurent Goetschel: «Wenn ich gewusst hätte, wie die Studienkommission für Sicherheitspolitik arbeitet, hätte ich nicht mitgemacht.» Als er vom Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) angefragt wurde, ob er in die Kommission Einsitz nehme, wollte er zuerst wissen, wer dabei sei. Sofort war ihm klar, dass er im 22-köpfigen Gremium, das sich vor allem aus ehemaligen Bundesbeamten, Politikerinnen und Wirtschaftsvertretern zusammensetzte, sowohl als Sozialwissenschaftler als auch mit seiner persönlichen Haltung ein Aussenseiter sein würde.
Dennoch sagte Goetschel zu: «Ich dachte, ich würde die Debatte bereichern. Immerhin hätte der Bericht ja zur Grundlage für die sicherheitspolitische Neuausrichtung beitragen können in einer Welt, die stark im Umbruch ist. Ich stellte mir vor, die Haltungen aller Kommissionsmitglieder würden zumindest in einem gewissen Masse abgebildet.»
Aber es kam anders: Das Gremium stimmte in seinen neun Sitzungen über jeden inhaltlichen Punkt einzeln ab, mit dem Resultat, dass sich aufgrund der Zusammensetzung stets die FDP und die Mitte beziehungsweise das VBS durchsetzten. «Der SVP-Vertreter war ähnlich unzufrieden wie ich», sagt Goetschel.
So schlug er etwa vor, dass Zivildienstleistende ihren Einsatz im Ausland bei friedensfördernden Institutionen absolvieren könnten. «Das wäre im Sinn einer kohärenten Sicherheitspolitik vernünftig gewesen, doch die Mehrheit war aus ideologischen Gründen dagegen.»
Für Goetschel war die Kommission falsch organisiert: «Ein Gremium, dessen Mehrheitsmeinung klar ist, darf nicht nach dem Mehrheitsprinzip funktionieren. Damit wurden die Einschätzungen der Expertinnen und Experten systematisch überstimmt, auch wenn diese wissenschaftlich korrekt waren.»
Der Bericht der «Scheuklappenkommission», wie Goetschel sagt, wartet mit über hundert Empfehlungen an den Bundesrat auf, die fast alle auf der Linie des VBS liegen: «Letztlich hätte die Verwaltung den Bericht selber schreiben können, ohne den Beizug von Forschenden.» Einen positiven Punkt aber gewinnt Goetschel seiner Kommissionserfahrung doch noch ab: «Wir hatten spannende Diskussionen.»
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