E-Bike statt Auto.
Text: Barbara Spycher
Schneller als ein Velo, umweltverträglicher als ein Auto: Das E-Bike bietet viele Vorteile. Was genau bewegt Leute zum Umsteigen von vier auf zwei Räder?
Mit bis zu 45 Stundenkilometern flitzen E-Biker und E-Bikerinnen mittlerweile über Land und durch Innenstädte. Und es werden immer mehr. In diesem Boom steckt auch verkehrs- und klimapolitisches Potenzial. E-Bikes könnten helfen, die CO₂-Emissionen im Verkehr zu reduzieren. Denn sie machen das Radfahren für breitere Kreise der Bevölkerung attraktiv und können das Auto dank der höheren Geschwindigkeit auch auf längeren Strecken ersetzen. Doch funktioniert das in der Realität auch? Unter welchen Voraussetzungen? Und wie viel CO₂ lässt sich dadurch einsparen?
Drei Jahre lang ist ein Team der Universität Basel in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich in der EBIS-Studie (E-Biking in Switzerland) diesen Fragen nachgegangen. Unter der Leitung von Beat Hintermann, Professor für Öffentliche Finanzen an der Universität Basel, haben die Forschenden die externen Kosten, die der Verkehr verursacht, eingepreist. Das heisst, sie haben die Folgekosten durch Lärm, Unfälle oder Abgase, welche normalerweise die Allgemeinheit trägt, den Versuchsteilnehmenden in einem Modellexperiment direkt verrechnet. Autofahren wurde dadurch deutlich teurer, der öffentliche Verkehr ein bisschen, das E-Bike kostete nichts zusätzlich.
Das Resultat dieses Mobility Pricings: Die Menschen reduzieren ihre Autofahrten – um ganze 8,2 Prozent. Dafür legen sie mehr Distanzen mit dem E-Bike und zu Fuss zurück. «Es ist das erste Mal in der Schweiz, dass deutlich sichtbar wird, dass die Menschen Auto- durch Velokilometer ersetzen, wenn die externen Kosten eingepreist werden», sagt Beat Hintermann. Durch diese veränderten Gewohnheiten sparen E-Bikerinnen und E-Biker 25 Prozent ihrer strassenverkehrsbedingten CO₂-Emissionen ein. «Pro Person ist das beachtlich», findet Hintermann. Wenn man es allerdings auf die Gesamtbevölkerung hochrechnet, beträgt die Einsparung nur 0,25 Prozent – weil noch vergleichsweise wenig Menschen E-Bike fahren.
Für ihr Experiment haben Beat Hintermann und seine Kolleginnen und Kollegen einen empirischen Ansatz gewählt: GPS-Tracking mittels Handy-App. Die 1085 Studienteilnehmenden waren allesamt E-Bike-Fahrende, die auch regelmässig Auto fahren. Das GPS erfasste, wie viele Kilometer sie jeden Tag mit dem Auto, dem E-Bike, öffentlichen Verkehrsmitteln oder zu Fuss zurücklegen. Nach einer Testphase erhielten die E-Bike-Fahrenden ein Mobilitätsbudget, wovon ihnen wöchentlich die externen Kosten abgezogen wurden, die sie durch ihr Verkehrsverhalten verursacht hatten.
Am teuersten kamen Autokilometer, weil deren Folgekosten in Form von Unfällen, Lärmemissionen und Luftverschmutzung am höchsten sind. Auch im Stau verbrachte Zeit erhielt ein Preisschild. Gar eine Gutschrift gab es bei zu Fuss zurückgelegten Kilometern. Denn auch der Nutzen von Bewegung, welche die gesamtgesellschaftlichen Gesundheitskosten entlastet, floss in die Berechnungen ein.
Datengrundlage für Kostenwahrheit.
«Aus ökonomischer Sicht ist es essenziell, die externen Kosten einzupreisen», stellt Beat Hintermann klar. Erst dann würden die meisten Menschen auch die Kosten, die die Allgemeinheit trägt, in ihre Entscheidungen einbeziehen. Mit ihrer randomisierten kontrollierten Studie konnten Beat Hintermann und seine Kolleginnen und Kollegen nicht nur zeigen, dass durch das Mobility Pricing weniger Auto und mehr E-Bike gefahren wird, sondern auch, dass die externen Kosten insgesamt sinken: 6,5 Prozent weniger Geld müsste die Gesellschaft für gesundheitliche oder emissionsbedingte Folgen aufwenden.
Für den Ökonomen Hintermann steht ausser Frage, dass ein solches Berechnungssystem für die Gesellschaft von Vorteil wäre. Doch wie umsetzen, ausserhalb des Tracking-Experiments? Es gebe verschiedene Möglichkeiten, um die relativen Preise von Autofahrten, öffentlichem Verkehr und Radfahren anzupassen und so eine Kostenwahrheit zu schaffen, sagt er. «Das einfachste wäre eine höhere Benzinsteuer.» So würde den höheren gesellschaftlichen Kosten des Autofahrens Rechnung getragen. Wenn man zusätzlich das Perimeter Pricing einführe – also das Besteuern von Autofahrten in Innenstädte –, erreiche man etwa 60 Prozent der Wirkung im Experiment.
Bisher haben die meisten solcher Interventionen politisch allerdings einen schweren Stand. Wichtig wäre aus Hintermanns Sicht, dass die Einnahmen aus dem Mobility Pricing an die Bevölkerung zurückverteilt werden, und zwar pro Kopf. So wird verhindert, dass ärmere Haushalte proportional stärker belastet werden.
Die EBIS-Studie zeichnet sich aber nicht nur durch das Pricing-Experiment und CO₂-Berechnungen aus, sondern auch durch einen umfangreichen Datensatz zu E-Bikerinnen und Radfahrern. Dank des GPS-Trackings können Verkehrsplanerinnen und Verkehrsplaner erstmals nachverfolgen, wo die Radfahrenden effektiv durchfahren: Sie meiden steile Steigungen, Strecken mit viel motorisiertem Verkehr oder Ampeln und bevorzugen stattdessen kürzere Routen und separate Radwege. Zudem gebe es immer noch Menschen, insbesondere Frauen, die wegen Sicherheitsbedenken kaum oder gar nicht aufs Fahrrad steigen.
«Wenn man in separate Radwege sowie in Strassen mit niedriger Geschwindigkeit und weniger Interaktionen mit anderen Verkehrsteilnehmenden investiert, wird Radfahren deutlich attraktiver», zitiert Beat Hintermann aus der Studie und bilanziert: «Verwaltung und Politik haben verschiedene Instrumente und nun auch Daten in der Hand, um das verkehrs- und klimapolitische Potenzial von E-Bikes stärker zu nutzen.»
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