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Alles Lüge! (01/2024)

Spurenlesen im Atem.

Text: Andreas Lorenz-Meyer

Der Luftstrom aus unseren Lungen enthält Informationen über die Medikamente, die wir einnehmen. Mit Atemmessungen möchte Pablo Sinues die Behandlung von Epilepsien verbessern.

Pablo Sinues mit einem durchsichtigen Plastikbeutel mit Atemluft vor einem Massenspektrometer
Pablo Sinues analysiert eine Atemluftprobe aus einem Probenahmebeutel. Patientinnen und Patienten müssen also nicht zwangsläufig vor Ort sein für die Analyse. Das hochauflösende Massenspektrometer liefert Ergebnisse in nur 30 Sekunden. (Foto: Universität Basel, Christian Flierl)

Blut, Urin oder Gewebeproben geben Hinweise auf den Gesundheitszustand eines Menschen. Künftig können Mediziner eine weitere Informationsquelle zu Rate ziehen: die Atemluft. Denn darin befinden sich Spuren flüchtiger chemischer Verbindungen aus unserem Stoffwechsel, Metaboliten genannt. Sie sind ein gasförmiger medizinischer Datenschatz, den Pablo Sinues vom Departement of Biomedical Engineering der Universität Basel heben will. Zusammen mit anderen Forschenden hat er ein entsprechendes Verfahren entwickelt. «Unsere Atemluftanalyse erfasst derzeit rund 400 unterschiedliche Moleküle und liefert uns den metabolischen Fingerabdruck eines Menschen», erklärt Sinues.

Die passenden Probanden.

Auf das Thema kam er vor gut 18 Jahren, als er während seines Doktorats die Yale University in den USA besuchte. Er griff damals unveröffentlichte Arbeiten des Yale- Professors John B. Fenn auf, der 2002 den Chemie- Nobelpreis für seine Beiträge zur Analyse grosser Biomoleküle erhalten hatte. Auf dieser Basis entwickelte Pablo Sinues eine Art Grundtechnik: Ausgeatmete Metaboliten werden elektrisch geladen, dann aufgespürt und analysiert. Später an der ETH Zürich verfeinerte Sinues die Technik so, dass sich damit speziell Medikamente nachweisen lassen. Auch diese hinterlassen Metabolitenspuren in der Atemluft.

Als Sinues dann 2017 ans Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB) wechselte, fand er die Probanden, mit deren Hilfe er die innovative Methode testen konnte: junge Epilepsie-Patienten. Bei epileptischen Anfällen feuern Nervenzellen im Gehirn unkontrolliert Signale ab. Je nachdem, welche Region der Hirnrinde betroffen ist, verkrampft sich der ganze Körper, andere sind nur kurz geistig abwesend. Epilepsien lassen sich oft gut mit Medikamenten behandeln, die die Erregbarkeit der Nervenzellen dämpfen.

Jedoch kommt es bei der Behandlung von Epilepsien nicht allein auf den Wirkstoff an. Es kann vorkommen, dass Patientinnen und Patienten trotz korrekter Dosierung nicht auf das Medikament ansprechen oder dass Nebenwirkungen auftreten. Daher misst das Analysesystem neben VPA auch andere Metaboliten, die Einfluss auf den Behandlungserfolg haben können, zum Beispiel Tyrosin-Stoffwechselprodukte. Tyrosin ist ein Vorläufer von Neurotransmittern wie Dopamin.

Am Ende spuckt der Algorithmus einen Risikowert aus, der zusätzliche Anhaltspunkte liefert. «Damit sollen Neurologinnen und Neurologen ein präziseres molekulares Bild bekommen und damit besser therapieren können», so Sinues.

Nächster Business Case.

Die Pläne von Deep Breath Intelligence gehen über die Tests für Epilepsie-Betroffene hinaus. Auch bei anderen Krankheiten soll der Algorithmus-unterstützte Spürnasenapparat helfen. Als Nächstes will das Start-up ein Verfahren zur Marktreife führen, das eine Verstärkung der Symptome bei chronischen Atemwegserkrankungen messen soll. Ein Atemtest kann da zusätzliche diagnostische Sicherheit bringen, weil die ausgeatmete Luft der Patientinnen und Patienten auch Metabolitenspuren enthält, die mit der Atemwegserkrankung zusammenhängen. Die bisherigen Daten seien vielversprechend, so Sinues. In drei bis fünf Jahren könnte das zweite Atemtest-Verfahren an den Start gehen.

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