x
Loading
+ -
Hüben und drüben. (02/2023)

Feldforschung am Ende der Welt.

Text: Angelika Jacobs

Die Arktis erwärmt sich im Zuge des Klimawandels überdurchschnittlich stark. Welche Pflanzenarten kommen dort heute überhaupt noch vor und wo? Im Sommer 2023 machte sich ein kleines Forschungsteam mit dem Segelschiff Nanuk auf, um diese Frage zu beantworten.

Das Segelschiff Nanuk vor der Küste Spitzbergens.
(Foto: Marcel Schütz)

Sich anpassen, umziehen oder aussterben, diesem Druck sind Artengemeinschaften in einem sich immer schneller wandelnden Klima ausgesetzt. Das gilt vor allem auch für die Pflanzenwelt kalter Regionen wie der Alpen oder der Arktis. Wo heute noch welche Arten wachsen und wie selten sie bereits sind, erforschen Sabine Rumpf und ihr Team. Sie folgen den Stationen einer Expedition, die erstmals vor 100 Jahren die Flora Spitzbergens erfasste. Der Vergleich mit Daten von heute soll helfen, die Klimazukunft von Artengemeinschaften in kalten Weltregionen besser abzuschätzen.

Mit dem Segelschiff Nanuk fuhr das Team im Juli und August 2023 zu etwa 20 Orten rund um Spitzbergen, um aktuelle Daten zur arktischen Vegetation zu sammeln.

Sabine Rumpf an Bord des Segelschiffs mit der gesamten Ausrüstung für einen Tag Feldarbeit. Das Forschungsteam orientiert sich mit GPS-Geräten, um die Koordinaten für die Datenerhebung zu finden.
(Fotos: Marcel Schütz)

Neben Proviant und gutem Schuhwerk gehören auch GPS-Gerät, Satellitentelefon und Waffen zur Ausrüstung, die Sabine Rumpf (im Bild) und jedes Teammitglied im Tagesgepäck hat. Die Bewaffnung ist auf Spitzbergen vorgeschrieben: Eine Begegnung mit Eisbären ist jederzeit möglich und lebensgefährlich. (links)

Das Team aus Doktorandin Sophie Weides, Feldassistent Hakîm Schepis, Professorin Sabine Rumpf und Doktorand Raphael von Büren (v.l.n.r.) steuert ganz bestimmte Koordinaten an, wo Forschende erstmals vor rund 100 Jahren und ein weiteres Team noch einmal vor 14 Jahren Daten gesammelt haben. (rechts)

Das Team läuft systematisch Hänge ab, um die Ausbreitung von Pflanzenarten zu erheben.
(Foto: Marcel Schütz)

An insgesamt sieben Bergen auf Spitzbergen laufen die Forschenden systematisch die Hänge ab. Sie notieren dabei die höchst- und tiefstgelegenen Höhenmeter, zwischen denen verschiedene Arten vorkommen. Die Frage: Hat sich ihre Verbreitung im Vergleich zu früher verschoben? Sind bestimmte Arten in die Höhe gewandert und wenn ja, wie weit?

Während der Datenerhebung hält immer ein Teammitglied Wache. Ein Abgleich mit einer Karte auf dem Mobiltelefon, ob eine bestimmte Pflanzenarte hier schon mal beschrieben wurde..
(Fotos: Marcel Schütz)

Zusätzlich erfasst das Team an 13 weiteren Stellen die Arten, die dort als Pflanzengemeinschaft wachsen. Eine Person muss immer Wache halten, ob sich ein Eisbär nähert. (links)

Doktorandin Sophie Weides prüft anhand einer Karte, wo auf Spitzbergen eine bestimmte Pflanzenart vorkommt und ob sie an dieser Stelle, an der sich das Team befindet, schon einmal beschrieben wurde. (rechts)

Mit Heringen und Schnur steckt das Team Flächen von einem Quadratmeter ab. Kugelschreiber markieren Pflanzen, die noch genauer bestimmt werden müssen. Mit der Lupe untersuchen die Forschenden winzige Pflanzenmerkmale, um die Art zu bestimmen.
(Fotos: Marcel Schütz)

Mit Heringen und Schnur stecken die Forschenden Flächen von jeweils einem Quadratmeter ab, in denen sie sämtliche Pflanzenarten bestimmen. (links)

Wo sich die Forschenden bei der Bestimmung der Art nicht sicher sind, lassen sie einen Stift als Markierung stecken, damit eine zweite Person die Pflanze ebenfalls anschaut. Bei diesem Exemplar kam das Team zum Schluss: Hier blüht das Steinbrechgewächs Saxifraga hyperborea – allerdings in kleinerer Wuchsform als gewöhnlich auf Spitzbergen. (Mitte)

Die typische Arbeitshaltung eines Botanikers bei der Feldforschung, mit der Lupe ganz nah dran: Um verschiedene Arten von Gräsern auseinanderzuhalten, kommt es auf winzige Merkmale an. (rechts)

Das Forschungsteam bei der Datenerhebung, im Hintergrund die Gletscher Spitzbergens.
(Foto: Marcel Schütz)

Die Daten, die das Team erhebt, analysiert Sophie Weides im Rahmen ihrer Doktorarbeit: Im Vergleich mit den früheren Erhebungen möchte sie die Verbreitungsgrenzen von Arten über die Zeit nachvollziehen. Wie schnell verschieben Arten ihr Ausbreitungsgebiet? Und sind sie dabei schnell genug, um mit dem Klimawandel mitzuhalten und fortzubestehen?

Die Pflanzenarten werden per Hand notiert. Ein Steinbrechgewächs vor dem Panorama von Spitzbergen.
(Fotos: Marcel Schütz)

Im Feld ist Low-Tech angesagt: Da Laptop und Co unter den harschen Aussenbedingungen leiden, notieren die Forschenden alle gefundenen Arten mit Stift und Papier. Zurück in Basel, werden die Daten digitalisiert und unter anderem für Modellierungen verwendet. (links)

Die Arbeit des Teams wird begleitet vom Krachen der schmelzenden Gletscher und dem Aufprall grosser Eisbrocken auf die Meeresoberfläche. Nicht nur die Gletscher haben die Schweiz und Spitzbergen gemein: Auch manche Arten kommen in beiden Weltregionen vor, wie der nickende Steinbrech Saxifraga cernua. (rechts)

Sabine Rumpf ist Assistenzprofessorin für Ökologie an der Universität Basel und erforscht, welche Faktoren die Verbreitung und Verbreitungsveränderungen von Pflanzen bestimmen. Finanzielle Unterstützung für die Feldforschung auf Spitzbergen erhielt sie vom Schweizerischen Polarinstitut (SPI).


Weitere Artikel dieser Ausgabe von UNI NOVA (November 2023).

nach oben