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Erinnern und Vergessen. (01/2021)

Wissenschaft und Kochkunst.

Text: Michael Podvinec

Mein Buch: Der Molekularbiologe Michael Podvinec empfiehlt zwei Lieblingsbücher aus seiner Kochbuchsammlung.

Porträt von Dr. Michael Podvinec
Dr. Michael Podvinec. (Foto: Andreas Zimmermann)

Angefangen hat das Ganze als Antwort auf die Twitternachricht eines Biozentrumskollegen, den der Restaurant-Lockdown im Spätherbst 2020 in eine kulinarische Aufbruchstimmung versetzte. In einer Reihe Tweets beschrieb ich Lieblingsbücher aus meiner Kochbuchsammlung, der rote Faden war der Zusammenhang zwischen Naturwissenschaft und Kochkunst. Zwei dieser Werke möchte ich hier herauspicken: Zum einen «Modernist Cuisine: die Revolution der Kochkunst» von Nathan Myhrvold, Chris Young und Maxime Bilet.

Dieses 2011 erschienene Kompendium ist bahnbrechend: In sechs Bänden und rund 2500 Seiten im Kunstdruck werden alle modernen Kochtechniken exegetisch dargelegt, mit wissenschaftlicher Akribie, bei der sich die Rezepte wie Labormethoden lesen, mit didaktischer Klarheit und mit hervorragenden Illustrationen und Fotografien. Das Autorenteam ergründet Stück für Stück traditionelle und neue Kochmethoden, vorwiegend anhand von Rezepten aus der modernistischen, sogenannten molekularen Küche der Nullerjahre. Dieser Kochstil hat seine Blütezeit zwar etwas hinter sich, aber gleichwohl vermittelt das Werk ein enorm breites Spektrum an Hintergrundwissen zu naturwissenschaftlichen Prozessen, die sich beim Zubereiten von Speisen abspielen. Und macht einen so zu einem besseren oder wenigstens besser informierten Koch.

Das zweite Buch, das ich hier hervorheben möchte, ist «Desserts» von Julien Duvernay. Er ist der beste Patissier, den ich kenne, und wirkt hier in Basel auf dem Bruderholz. Im Keller des Restaurants Stucki entwickelt Duvernay Desserts, die die Menüs der Sterneköchin Tanja Grandits reflektieren und zu ihrem logischen Abschluss bringen.

Das Buch erlaubt einen Einblick in die Techniken, Konzepte und vor allem Rezepte dieses Ausnahmetalents. Aber Achtung: Wer sich ans Nachmachen wagt, sollte schon einen oder zwei Tage Zeit einplanen und sich dennoch bewusst sein, dass die Desserts im Restaurant oft noch komplexer sind: Da können gut und gerne 16 Komponenten auf einem Teller zusammenkommen. Diese Komplexität und der gleichzeitig geforderte und zelebrierte Hang zur Präzision sind es, warum Patisserie mich stets an die Forschungsarbeit im Labor erinnert.

Michael Podvinec leitet am Biozentrum der Universität Basel die Technologieplattform Research IT, die Forschungsgruppen und die Administration in wissenschaftlichen IT-Aspekten berät und unterstützt. Daneben ist der promovierte Molekularbiologe auch passionierter Koch, der ab und an in Sterneküchen anzutreffen ist und mit dem Koch Heiko Antoniewicz an fünf Büchern an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Kochkunst mitgewirkt hat.

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