x
Loading
+ -
Augenforschung: Sehkraft erneuern (02/2019)

Therapien gegen den grünen Star.

Text: David Herrmann

Einer von 50 Menschen über 50 leidet an einem Glaukom, auch grüner Star genannt, der unbehandelt zu Sehverlust führen kann. Die Erkrankung wird in der Augenklinik des Universitätsspitals Basel besonders erforscht.

Nahaufnahme einer Retina
Bild: Suren Manvelyan

Viele der von einem Glaukom betroffenen Patientinnen und Patienten erblinden, ohne es zu merken. Denn mit dem Fortschreiten der Krankheit werden die Sehnerven irreversibel geschädigt und sterben langsam ab. Objekte im Zentrum des Gesichtsfelds sehen die Erkrankten noch klar, in der Peripherie jedoch verliert sich die Sicht zunehmend – bis zum vollständigen Erblinden.

Der grösste Risikofaktor, an einem Glaukom zu erkranken, ist ein erhöhter Augendruck. Doch haben zwei von fünf Patientinnen und Patienten normale Werte und leiden trotzdem an grünem Star. Bei ihnen liegt die Ursache der Krankheit oft an Durchblutungsstörungen. Der frühere Leiter der Augenklinik des Universitätsspitals Basel, Prof. Dr. Josef Flammer, hatte seinen Forschungsschwerpunkt lange Jahre auf diesem Krankheitstyp. Seit seiner Emeritierung vor sechs Jahren treibt nun Prof. Dr. Konstantin Gugleta, leitender Arzt an der Augenklinik, die Glaukom- Forschung voran. Ihn interessieren vor allem neue Therapieansätze gegen die Krankheit.

Ginkgo und Antioxidantien wirken

Verstärkt wird die Relevanz dieses Forschungsgebiets angesichts der demografischen Entwicklung. Unsere Gesellschaft wird immer älter, und mit zunehmendem Alter steigt das Risiko einer Glaukomerkrankung: Aus den zwei Prozent der über 50-Jährigen, die davon betroffen sind, werden es bei den über 70-Jährigen schon fünf bis acht Prozent. So besteht aus medizinischer Sicht ein grosser Bedarf nach neuen Behandlungsmethoden.

Konstantin Gugleta (Illustration: Studio Nippoldt)
Konstantin Gugleta (Illustration: Studio Nippoldt)

Heute bedient sich ein grosser Teil der Therapieansätze für Normaldruck-Glaukompatienten der Erkenntnisse und Erfahrungen der Alternativmedizin. In klinischen Untersuchungen mit kleinen Probandenzahlen wurden positive Auswirkungen von Ginkgo und in Lebensmitteln enthaltenen Antioxidantien auf den Schutz der Sehnervenzellen festgestellt – zum Beispiel in dunkler Schokolade, Grüntee oder Rotwein. Herkömmliche Behandlungsmethoden versuchen vor allem, den Augendruck zu senken und den Blutdruck zu regulieren. Doch die dabei eingesetzten Medikamente haben teilweise starke Nebenwirkungen. Noch gibt es keine Behandlung, die bei der Erkrankung selbst ansetzt. Mit seinen Forschungsarbeiten möchte Gugleta diese Lücke schliessen und Medikamente zum Schutz der Sehnervzellen entwickeln helfen.

Als Grundlage versucht der Augenforscher, die Ursachen für das Absterben der Sehnervzellen zu verstehen. Die entsprechenden Erkenntnisse sollen zu Ansatzpunkten dazu führen, wie diese Zellen geschützt werden können. Dabei setzt Gugleta grosse Hoffnungen auf die Zusammenarbeit mit dem Institut für molekulare und klinische Ophthalmologie Basel (IOB), das als Kompetenzzentrum Grundlagenund klinische Forschung vereint.

In die Sackgasse und zurück

Augenarzt Gugleta kommt aus der klinischen Forschung. Schon für seine Habilitation wollte er Ansätze für neue Therapieformen gegen Glaukom finden. Grosse Hoffnungen setzte er in ein damals neuartiges Vorgehen, mit dem er die Durchblutung im Auge eines Patienten messen konnte. Mit einer computergestützten Methode wurden die Blutgefässe im Augenhintergrund gefilmt, während das Auge unterschiedlichen Reizen ausgesetzt war. So liess sich jeweils feststellen, wie gut die Durchblutung des Auges auf verschiedene Reize reagiert und wie sich dies auf den langfristigen Zustand des Sehnervs und das Sehvermögen auswirkt.

Mit diesem Ansatz sollte über die Untersuchung der Patienten während mehrerer Jahre theoretisch ein bestimmter Zusammenhang hergestellt werden – nämlich zwischen einer fortschreitenden Durchblutungsstörung und einem zunehmenden Verlust von Nervenzellen oder einem verringerten Gesichtsfeld. Die Resultate waren jedoch enttäuschend: Die statistische Analyse zeigte keine feste Korrelation zwischen den Datenreihen. Ein Problem könnte sein, dass die Vorgänge bei Sehnervzellen von anderen Faktoren wesentlich mitbestimmt werden.

Wachstumsfaktoren im Visier

Für Gugleta liegt der Ausweg aus dieser Sackgasse in der Zusammenarbeit mit dem IOB. Dank dessen technologischer und personeller Ausstattung eröffnen sich ihm ganz neue Möglichkeiten. Schon seit einiger Zeit ist bekannt, dass sogenannte Wachstumsfaktoren für das Überleben aller Nervenzellen – und damit auch des Sehnervs – verantwortlich sind. Möglicherweise bleiben beim Glaukom diese Wachstumsfaktoren aus, und die Zellen sterben ab. Derzeit arbeitet Gugleta an den Grundlagen für ein neues Forschungsvorhaben: In einem mehrstufigen Verfahren mit komplexen Untersuchungen der biochemischen und molekulargenetischen Vorgänge im Labor und in vivo möchte der Forscher diesen Wachstumsprozessen auf die Spur kommen.

Dazu will er zunächst untersuchen, wie sich aus Stammzellen nachgezüchtete netzhautähnliche Gebilde verhalten, wenn ihnen unterschiedliche Wachstumsfaktoren zugeführt werden. In einem Projekt am IOB werden solche Organoide in Petrischalen herangezogen: Dafür geben die Forschenden unterschiedliche externe Wachstumsfaktoren zu und untersuchen die Reaktion der Zellen darauf. So möchten sie herausfinden, welche Faktoren das Absterben der Zellen beschleunigen und welche Faktoren die Zellen schützen.

Versuche mit Schweineaugen

Die Erkenntnisse daraus liefern die Grundlage für den zweiten Schritt, wenn Schweineaugen untersucht werden. Diese Organe werden beim Schlachten entnommen und kommen aus dem Schlachthaus ins Labor. Hier besteht derzeit die Herausforderung, mit den geeigneten Massnahmen das Überleben des Organs und seiner Zellen so lange wie möglich zu sichern, damit die Untersuchungen auch im gewünschten Umfang vorgenommen werden können. Auch die Sehnervenzellen in den Schweineaugen werden auf die entscheidenden Wachstumsfaktoren untersucht.

Manche Wachstumsfaktoren sind zwar bereits bekannt, aber das ganze Bild ist bei Weitem noch nicht komplett. So sollen die Erkenntnisse am lebenden Objekt in Tierversuchen mit Affen vertieft werden. Die Forschenden wollen dabei wissen, welche RNA mit welcher Proteinstruktur für die über Tod oder Leben entscheidende Signalisierung zwischen den Zellen zuständig ist. Ziel ist dabei, neue Medikamente zu entwickeln, die das Glaukom direkt an der Wurzel packen und die Sehnervenzellen schützen können. So möchte Gugleta zur Behandlung von Augenerkrankungen seinen Beitrag leisten – um Menschen auch im Alter eine hohe Lebensqualität zu erhalten. 


Weitere Artikel in der aktuellen Ausgabe von UNI NOVA.

nach oben