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Forschen im Dienste der Nachhaltigkeit (01/2015)

Pilze, Plastik und Nachhaltigkeit

Oliver Klaffke

An der Universität Basel wird geforscht, wie Pilze und Bakterien Holz zerlegen. Die Grundlagenforschung ermöglicht so, neue Materialien zu produzieren – und liefert vielleicht Hinweise auf gesunderhaltende Prozesse beim Menschen.

Irgendwann im Erdzeitalter Karbon war die Natur plötzlich mit einem Müllproblem ungeheuren Ausmasses konfrontiert. Bäume wuchsen in die Höhe und hinterliessen nach ihrem Absterben massenweise Holz, das von den damals lebenden Organismen nicht abgebaut werden konnte. Die Schuld daran trug Lignin. Es handelt sich dabei um eine chaotische Mischung von sich strukturell ähnelnden Molekülen. Lignin füllt die Zwischenräume im Zellulosegerüst von Holz und wirkt als Stabilisator. «Erst im Laufe der Zeit haben sich Mechanismen entwickelt, um Lignin zu zersetzen», sagt Florian Seebeck.

An der Universität Basel beschäftigt sich der Professor für Chemie mit dem Abbau von Lignin durch Pilze. Besonders interessiert ihn die Frage, wie Pilze die Zersetzung des Lignins unbeschadet überstehen. Denn beim langsamen Schreddern der Molekülketten kommt es zu chemischen Reaktionen, die aggressiv für alles Leben sind. «Bei der Spaltung stehen die Pilze unter oxidativem Stress», sagt Seebeck. Dieser entsteht, wenn sogenannte freie Radikale – Moleküle mit einer starken Tendenz zur Bindung an andere Stoffe – freigesetzt werden, sich an das Körpergewebe der Pilze anheften und es schädigen.

Ein Ausgangsstoff für neue Biomaterialien

Lignin ist als Alternative für Öl im Gespräch, es soll den fossilen Rohstoff etwa bei der Herstellung von Kunststoffen ersetzen. So könnte es eine wichtige Rolle in der Holztechnologie der Zukunft spielen. Dazu muss man die Substanz aber in kleine molekulare Einheiten zerlegen. Alles, was Wissenschaftler über die Chemie und die biologischen Abbauvorgänge des Lignins herausfinden, ist deshalb relevant, um einer nachhaltigen, industriellen Nutzung von Holz näherzukommen.

«Pilze und Bakterien haben einen Schutz entwickelt, mit dessen Hilfe sie den oxidativen Stress überleben können», sagt Seebeck. Wichtig ist dabei das Molekül Ergothionein, das die freien Radikale ausser Gefecht setzt. Im letzten Jahr hat der Basler Biologieprofessor zusammen mit seinem Team die Synthese von Ergothionein aufgeklärt. Aus der Literatur war eine Vorstufe der Substanz bekannt; der Mechanismus, wie aus der Vorstufe das funktionsfähige Molekül entsteht, war bislang unklar. «Wir haben ein Enzym gefunden, das es aufbaut», sagt Seebeck. Er hat es mit dem trockenen Namen EgtB versehen.

Ergothionein kommt in der Natur nicht nur bei Bakterien und Pilzen vor. Man hat die schützende Substanz in fast allen Organismen festgestellt. «Auch für den Menschen ist es seit über 100 Jahren bekannt, ohne dass man es sonderlich beachtet hätte», sagt Seebeck. Der Grund ist einfach: Es gibt keine Mangelerkrankungen, die auf sein Fehlen zurückzuführen sind. Ergothionein ist im Körper scheinbar immer in ausreichender Menge vorhanden, weil es kaum abgebaut wird. Anders etwa als Vitamin C, das schnell zerfällt und dessen Mangel zur Krankheit Skorbut führt.

«Deshalb hat man die Bedeutung von Vitamin C für die Gesundheit des Menschen rasch erkannt», so Seebeck, «und Ergothionein übersehen.» Dabei könnte es im menschlichen Organismus eine ähnlich wichtige Rolle spielen wie bei den Lignin-spaltenden Bakterien und Pilzen. «Oxidativer Stress kommt überall in der Natur vor», sagt Seebeck. Es würde nicht erstaunen, wenn das erfolgreiche Molekül auch beim Menschen antioxidativ wirken würde.

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