Wie sich die Wirksamkeit moderner RNA-Therapien verbessern lässt
Eine neue Studie unter Mitwirkung der Universität Basel zeigt, dass sich die Wirksamkeit von RNA-basierten Medikamente deutlich steigern lässt, wenn man ihren Transport innerhalb der Zelle verlangsamt. Derzeit kommen solche Wirkstoffe vor allem bei der Behandlung seltener genetischer Erkrankungen zum Einsatz.
30. Juni 2025 | Katrin Bühler
In der modernen Medizin gewinnen massgeschneiderte Therapien zunehmend an Bedeutung – insbesondere bei der Behandlung genetisch bedingter Krankheiten. Ein vielversprechender Ansatz sind sogenannte Antisense-Oligonukleotide, kurz ASOs. Diese kleinen, künstlich hergestellten Moleküle greifen gezielt in den Zellstoffwechsel ein, indem sie die Bildung krankmachender Proteine verhindern. Schon heute werden solche RNA-basierten Therapien erfolgreich zur Behandlung von bisher unheilbaren genetischen Erkrankungen wie Amyotropher Lateralsklerose (ALS) oder Duchenne Muskeldystrophie eingesetzt.
Begrenzte Wirksamkeit von RNA-Therapien
Ein zentrales Problem ist jedoch, dass ein Grossteil der ASOs ihre Wirkung nicht richtig entfalten, weil sie nicht am Zielort in der Zelle ankommen. Ein internationales Forschungskonsortium mit Beteiligung von Prof. Dr. Anne Spang vom Biozentrum der Universität Basel und Forschenden bei Roche hat nun mithilfe der CRISPR/Cas9-Technologie verschiedene Faktoren identifiziert, welche die Wirksamkeit dieser Moleküle erheblich beeinflussen. Die in «Nature Communications» veröffentlichten Erkenntnisse zeigen neue Wege, bestehende RNA-Therapien effektiver zu machen bzw. ihre Entwicklung zu beschleunigen.
Antisense-Nukleotide sind winzige massgeschneiderte Erbgut-Stücke, die spezifisch an RNA-Moleküle in der Zelle binden und auf diese Weise in die Herstellung von Proteinen eingreifen. Die meisten ASOs werden von der Zelle einfach aufgenommen und erreichen über kleine Transportvesikel die sogenannten Endosomen. Dort wird das aufgenommene Material sortiert. Um ihre volle Wirkung in der Zelle zu entfalten, müssen die ASOs jedoch aus den Endosomen ausbrechen. Ansonsten werden sie als «Zellmüll» deklariert und vom Endosom rasch ins Lysosom gebracht, wo sie schliesslich abgebaut werden. Da nur ein Bruchteil der ASOs diesen Ausbruch schafft, ist ihre therapeutische Wirkung begrenzt.
Verweildauer in Endosomen beeinflusst Wirkung
Wie erfolgreich die Moleküle die Endosomen verlassen, hängt unmittelbar mit der Transportgeschwindigkeit zusammen. Je länger sie im Endosom verweilen, desto mehr Zeit bleibt ihnen, daraus zu entweichen. Hier setzt die Studie an: Die Forschenden haben mithilfe von CRISPR/Cas9 tausende von Genen systematisch ausgeschaltet und untersucht, wie sich dadurch die Wirkung der ASOs verändert. «Wir konnten eine grosse Anzahl an Genen identifizieren, die ihre Wirksamkeit verbessern oder verschlechtern», sagt Erstautorin Dr. Liza Malong, Forscherin bei Roche. «Viele dieser Gene steuern den Transport von ASOs innerhalb der Zelle.»
Die Forschenden konnten zudem zeigen, dass das Gen AP1M1 dabei eine Schlüsselrolle spielt. Es steuert den Transport vom Endosom zum Lysosom. «Schalten wir dieses Gen gezielt aus, so verbleiben die ASOs länger in bestimmten Endosomen», erklärt Dr. Filip Roudnicky ebenfalls Forscher bei Roche und Hauptmitautor. «Dies erhöht ihre Chance aus den Endosomen auszubrechen und in der Zelle wirksam zu werden.» In Zellkulturen sowie im Mausmodell liess sich auf diese Weise die Wirksamkeit der ASOs deutlich steigern, ohne dass die Dosis erhöht werden musste.
Schlüssel zu wirksameren RNA-Therapien
Die Studie liefert einen umfassenden Überblick, welche Gene die Aktivität der ASOs beeinflussen und macht deutlich, dass eine Verlangsamung des zellulären Transportweges die therapeutische Wirkung von ASOs deutlich verbessern kann. «Der Schlüssel zu wirksameren Therapien liegt also nicht nur im Wirkstoff selbst, sondern auch beim Transport innerhalb der Zelle», fügt Anne Spang hinzu. «Auch für andere Arzneistoffe und sogar Krankheitserreger trifft dies zu. Könnte man beispielsweise die Verweildauer von Keimen in den Endosomen verkürzen, sinkt ihre Chance auszubrechen und sich in der Zelle zu vermehren. Möglicherweise liessen sich so auch Infektionen bekämpfen.»
Originalpublikation
Liza Malong, Jessica Roskosch, Carolina Hager, Jean-Philippe Fortin, Roland Schmucki, Marinella G. Callow, Christian Weile, Valentina Romeo, Christoph Patsch, Scott Martin, Mike Costa, Zora Modrusan, Roberto Villaseñor, Erich Koller, Benjamin Haley, Anne Spang, Filip Roudnicky.
A CRISPR/Cas9 screen reveals proteins at the endosome Golgi interface that modulate cellular anti-sense oligonucleotide activity.
Nature Communications (2025), doi: 10.1038/s41467-025-61039-y