x
Loading
+ -

«Land unserer Väter»: Lesothos Nationalhymne wurde in Basel komponiert

Auf den Spuren von Lesothos schweizerischer Nationalhymne: Die Basler Musikwissenschaftler Prof. Matthias Schmidt und Andreas Baumgartner (aussen) mit dem lesothischen Chor «Black is Beautiful» (Lehlonolo Kele, Lebohang Ntloi, Katleho Tlali, Mathebe Kopo sowie Alain Amstutz vom Swiss TPH). (Bild: Universität Basel, Fachbereich Musikwissenschaft)
Auf den Spuren von Lesothos schweizerischer Nationalhymne: Die Basler Musikwissenschaftler Prof. Matthias Schmidt und Andreas Baumgartner (aussen) mit dem lesothischen Chor «Black is Beautiful» (Lehlonolo Kele, Lebohang Ntloi, Katleho Tlali, Mathebe Kopo sowie Alain Amstutz vom Swiss TPH). (Bild: Universität Basel, Fachbereich Musikwissenschaft)

Dass die Landeshymne von Lesotho Wurzeln in Basel hat, ist hier wie dort kaum bekannt. Musikwissenschaftler der Universität Basel sind nun der unwahrscheinlichen Geschichte dieses alten Lieds im südlichen Afrika nachgegangen. Bald soll sich der Kreis schliessen: Der Basler Gesangverein ist dabei, Lesothos Nationalhymne einzustudieren.

14. Juni 2018

Auf den Spuren von Lesothos schweizerischer Nationalhymne: Die Basler Musikwissenschaftler Prof. Matthias Schmidt und Andreas Baumgartner (aussen) mit dem lesothischen Chor «Black is Beautiful» (Lehlonolo Kele, Lebohang Ntloi, Katleho Tlali, Mathebe Kopo sowie Alain Amstutz vom Swiss TPH). (Bild: Universität Basel, Fachbereich Musikwissenschaft)
Auf den Spuren von Lesothos schweizerischer Nationalhymne: Die Basler Musikwissenschaftler Prof. Matthias Schmidt und Andreas Baumgartner (aussen) mit dem lesothischen Chor «Black is Beautiful» (Lehlonolo Kele, Lebohang Ntloi, Katleho Tlali, Mathebe Kopo sowie Alain Amstutz vom Swiss TPH). (Bild: Universität Basel, Fachbereich Musikwissenschaft)

Die heutige Nationalhymne Lesothos basiert auf einer Tonfolge, die der Basler Musiklehrer Ferdinand Samuel Laur (1791–1854) vor fast 200 Jahren in Basel aufgeschrieben hat. Es ist eine Allerweltsmelodie, wie sie der Chordirigent damals zu Dutzenden produzierte: eingängig und triumphal, aber auch harmlos und austauschbar. Als Schul-, Trink- und Vaterlandslied mit wechselnden Texten verbreitete sich das Lied zunächst in der Schweiz, dann in Frankreich.

Wie aus diesem gewöhnlichen Stück Musik viel später ein wichtiges Stück nationaler Identität werden konnte, interessiert Prof. Dr. Matthias Schmidt, Leiter des Fachbereichs Musikwissenschaft, und seinen Assistent Andreas Baumgartner. Sie recherchierten in Archiven Lesothos und dokumentierten, wie einheimische Chöre verschiedene Versionen des Laur’schen Musikstücks sangen. «Die Intensität des Gesangs war eindrücklich, denn Musik ist im Alltag Lesothos noch heute sehr präsent», fassen die Forscher ihre Eindrücke zusammen.

Mehrstimmigkeit der Geschichte

Die Idee für das Forschungsprojekt kam mit der Post. Ein Ururenkel des Komponisten hatte dem Fachbereich zwei Pakete mit Unterlagen geschickt: Autografe, Notenblätter, Gesangsbücher. So weit, so unspektakulär. Laur, der ehemalige Leiter des Universitätschors, prägte zwar das Basler Musikleben mit, geriet aber zunehmend in Vergessenheit. Seine Lieder fanden Platz in Lehrmitteln und Gesangsbüchern, Chöre intonierten sie an patriotischen Festen, Schüler in der Musikstunde, Studenten in ihren Weinstuben.

Umso erstaunlicher, dass diese Melodie aus Basel den Weg in den Süden Afrikas fand und im Königreich Lesotho zur Nationalhymne wurde. Wie kam es dazu? Möglicherweise, so die beiden Forscher, schnappte der Missionar François Coillard (1834–1904) die Melodie während seiner Ausbildung im Elsass auf. Jedenfalls dichtete er ihr in Lesotho jene Worte hinzu, die heute rund zwei Millionen Menschen als ihre Hymne bezeichnen: «Lesōthō fatše la bo ntat'a rōna» («Lesotho, Land unserer Väter»).

Ein Lied wandelt sich

Laut Coillard soll das Stück bald landauf, landab gesungen worden sein und sich allmählich zu einer Art Volkslied entwickelt haben, sagt Baumgartner. 1967, ein Jahr nach der Unabhängigkeit von Grossbritannien, bestimmte man das europäische Lied zur offiziellen Nationalhymne.

Anders als in weiteren Ländern mit kolonialer Vergangenheit wird die europäische Herkunft der Nationalhymne in Lesotho nicht grundsätzlich als problematisch wahrgenommen. Dies könnte mit der traditionell engen Bande zwischen dem lesothischen Königshaus und den Missionaren wie Coillard zusammenhängen, vermutet Baumgartner: «Uns geht es denn auch nicht in erster Linie um einen Beitrag zur Kolonialgeschichte, sondern um die Wandlung dieses bestimmten Lieds – und um dessen verschiedene Kontexte. In Basel ging die Melodie vollständig vergessen, und in Lesotho zirkuliert sie mehr denn je.»

Gesang über Grenzen hinweg

Die Nationalhymne Lesothos demonstriert damit die Mobilität und die Flüchtigkeit von Musik. Melodien kommen und gehen, doch nur selten erfahren sie über längere Zeit Aufmerksamkeit. Für ihr Projekt «Das Fremde und das Eigene» filmten die Musikwissenschaftler unter anderem Chöre in Lesotho, wie diese Laurs – weitgehend vergessene – deutsche Version des Liedes singen. In wenigen Wochen soll das Gegenstück entstehen, womit sich ein Kreis schliessen wird: Der 1824 von Laur gegründete Basler Gesangverein wird die Nationalhymne in sesothischer Sprache vortragen.

Die transkulturelle Bedeutung dieser Melodie beleuchtet das Buch «Unser Land»? Lesothos schweizerische Nationalhymne, das im September erscheint. Zurzeit erarbeitet der Fachbereich Musikwissenschaft zusammen mit Studierenden eine Ausstellung, die am 28. September 2018 in der Universitätsbibliothek Basel eröffnet wird. Diese multimediale, zweisprachige Präsentation ist so konzipiert, dass sie sich später auch in Lesotho aufstellen lässt – leicht und mobil, fast wie eine Melodie.


Weitere Auskünfte

  • Prof. Dr. Matthias Schmidt, Universität Basel, Fachbereich Musikwissenschaft, Tel. +41 61 207 28 00, E-Mail: matthias.schmidt@unibas.ch
  • Andreas Baumgartner, M.A., Universität Basel, Fachbereich Musikwissenschaft, Tel. +41 61 207 12 18, E-Mail: an.baumgartner@unibas.ch
nach oben