Touchdown des Lebens.
Text: Céline Emch
Greg Starek verbindet wissenschaftliche Präzision mit seiner Leidenschaft für Sport. Sein Weg führte ihn von der Biophysik an der Universität Basel in die Datenabteilung der National Football League.
Vierter Versuch im Football, «Fourth Down» – der alles entscheidende Moment:Schafft das Team die fehlenden Yards, bleibt der Ball in seinem Besitz und sie kämpfen mit vier neuen Versuchen weiter Richtung Touchdown. Scheitern sie, übernimmt der Gegner.Anstatt das Risiko einzugehen, kann das Team auch den Ballverlust hinnehmen, aber den Ball an eine für den Gegner ungünstige Position spielen. Oder ein «Field Goal» aus grosser Distanz versuchen. Welchen Spielzug wird das Team wählen? Für Fans ein Moment höchster Anspannung.
Greg Starek hingegen hat dieses Szenario längst durchgerechnet und weiss genau, welcher Zug statistisch am erfolgversprechendsten ist. Als Director of Football Analytics bei den Indianapolis Colts analysiert Starek solche Schlüsselsituationen im Vorfeld. Gemeinsam mit seinem Team liefert er den Trainern datenbasierte Handlungsempfehlungen: Wann lohnt es sich, eine risikoreiche Strategie beim vierten Versuch einzusetzen? Wann ist es klüger, auf Nummer sicher zu gehen und den Gegner in eine ungünstige Feldposition zu drängen? «Am Ende ist das nichts anderes als Wahrscheinlichkeitsrechnung», erklärt Starek.
Vor jedem Spiel analysiert er die gegnerischen Teams bis ins Detail – bevorzugte Spielzüge in bestimmten Lagen, Stärken und Schwächen, wiederkehrende Muster. «Natürlich müssen wir auch unser eigenes Team genau verstehen – aber wer den Gegner noch besser kennt, verschafft sich den entscheidenden Vorteil», betont Starek. Doch seine Arbeit reicht über die Spielstrategie hinaus. Starek entwickelt Modelle, wie sich Verletzungen reduzieren und bestenfalls vermeiden lassen, und unterstützt das Management bei der Auswahl der Nachwuchsspieler. Seine Analysen helfen dabei, College-Talente zu identifizieren, die optimal ins System der Colts passen und dem Team langfristig zum Erfolg verhelfen.
Basel als Wendepunkt
Dass Starek heute in der NFL arbeitet, war keineswegs vorgezeichnet. Den Grundstein legte ein Auslandssemester in Schweden, wo er in einem Forschungsprojekt einen künstlichen Hemmstoff entwickelte. Dass das digital entworfene Molekül im Labor tatsächlich funktionierte, beeindruckte ihn so sehr, dass er den Weg in die computergestützte Biophysik einschlug.
Bei der Suche nach einer passenden Forschungsgruppe stiess er auf den Basler Professor Simon Bernèche – und schrieb ihm noch in derselben Nacht. Die Antwort liess nicht lange auf sich warten. Wenige Monate später zog Starek nach Basel. Als er am 1. August in Basel ankam, feierte die Schweiz ihren Nationalfeiertag und Starek den Beginn eines neuen Lebensabschnitts. Hier absolvierte er Master und Doktorat, knüpfte enge Freundschaften und legte das Fundament für eine Karriere, die ihn schliesslich in die NFL führen sollte. «Basel hat mein Leben verändert – ohne diese eine E-Mail wäre ich heute nicht da, wo ich bin», betont er.
Wissenschaft trifft Football
Nach seiner Rückkehr in die USA begann Starek während seines Postdocs, den klassischen akademischen Karriereweg zu hinterfragen. Ein Satz aus einem Seminar blieb ihm besonders im Gedächtnis: «Denkt an das, was ihr wirklich liebt – worüber ihr im Labor kaum sprecht.»
Für Starek war sofort klar: Das ist Football. Mit Data Science sah er eine Möglichkeit, seine Leidenschaft für Sport und Wissenschaft zu verbinden – statistische Analysen wurden so zur Brücke zwischen Forschung und Football.
Da dieses Berufsfeld damals noch in den Kinderschuhen steckte, entwickelte er parallel eigene Analysen – etwa, wie stark die Startposition eines Angriffs die Punktchancen beeinflusst – und veröffentlichte sie online. Das blieb nicht unbemerkt: Das Tech-Unternehmen Ezoic holte ihn ins Team, und seine Karriere nahm Fahrt auf – erst in der Tech-Welt, dann im Profisport, von den San Francisco Giants über die 49ers bis zu den Indianapolis Colts.
Blick nach vorn
Auch wenn er heute Footballmannschaften statt Proteinmodelle studiert, prägen ihn die in Basel erlernten wissenschaftlichen Fähigkeiten bis heute: kritisches Hinterfragen, Modelle durchdringen, nüchternes Bewerten scheinbarer Gewissheiten. «Es wäre einfach gewesen, den vertrauten akademischen Weg weiterzugehen», sagt er rückblickend. «Aber ich habe gelernt: Manchmal lohnt es sich, eine andere Richtung einzuschlagen.»
Sein Antrieb ist geblieben: die ständige Optimierung – von sich selbst und von seinem Team. «Ich will, dass dieses Jahr besser wird als das letzte.» Und auch sein grosses Ziel formuliert er klar: «Ich will, dass die Indianapolis Colts den Super Bowl gewinnen. Das liegt nicht allein in meiner Hand – aber ich will alles tun, um dazu beizutragen.»
Lebenslauf
2023–heute Director of Football Analytics, Indianapolis Colts
2022–2023 Senior Performance Analyst, San Francisco 49ers
2022 Senior Data Scientist, San Francisco Giants
2019–2021 Data Scientist, San Francisco Giants
2017–2019 Head of Data Science, Ezoic
2016 Senior Data Engineer, Ezoic
2014–2016 Postdoctoral Cardiovascular Research Fellow, University of Wisconsin–Madison
2010–2014 Ph.D., Biophysics, Universität Basel, Schweiz
2009–2010 M.Sc., Molecular Biology, Universität Basel, Schweiz
2003–2007 B.Sc., Biology, UCLA
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