Drei ERC-Advanced Grants für Forschende in der Chemie und Biologie
Drei Forscher der Universität Basel haben im hochkompetitiven Wettbewerb den Zuspruch des Europäischen Forschungsrats erhalten. Über einen Zeitraum von fünf Jahren erhalten sie je rund 2,5 Millionen Franken für Untersuchungen zu Stickstoffgewinnung, zu bahnbrechender Chemie und zur inneren Organisation von Embryos.
17. Juni 2025 | Angelika Jacobs
Mehr als 2500 Anträge auf einen ERC Advanced Grant gingen beim Europäischen Forschungsrat (ERC) ein. Nur rund 280 Projekte erhalten die angesehenen EU-Fördergelder. In diesem Wettbewerb konnten auch drei Forscher der Universität Basel mit ihren Projektanträgen überzeugen.
Neue Wege zum Stickstoff
Einen der Advanced Grants hat Prof. Dr. Thomas Ward vom Departement Chemie erfolgreich eingeworben. In seinem Projekt «Bionix» («Biocatalytic oxidative dinitrogen fixation») geht es um völlig neue Wege, Stickstoff zu gewinnen. Stickstoff spielt als Pflanzennährstoff in Düngemitteln eine zentrale Rolle für die globale Landwirtschaft. Ziel des Projekts von Ward und seinem Team ist, ein effizientes Verfahren zu etablieren, das weniger Energie verbraucht und weniger Emissionen verursacht.
Stickstoff ist ein zentraler Baustein in allen Lebewesen. In der Luft liegt Stickstoff aber als Dinitrogengas N2 vor, das die meisten Organismen nicht aufnehmen können. Erst durch das Haber-Bosch-Verfahren gelang es ab Anfang des 20. Jahrhunderts, Stickstoff aus der Luft in die für Pflanzen nutzbare Form Ammoniak NH3 umzuwandeln. Die Reaktion im Kern dieses Verfahrens ist eine sogenannte Reduktion.
Im Rahmen von «Bionix» möchte Thomas Ward mit seinen Mitarbeitenden eine völlig andere Richtung einschlagen, nämlich ein Verfahren etablieren, bei dem N2 stattdessen oxidiert wird. Hierfür wollen die Forschenden sogenannte Metalloenzyme aus Bakterien und Archäen umprogrammieren, um die Oxidation von N2 zu Nitrat zu katalysieren.
Nitrat hat gegenüber Ammoniak einige Vorteile als Dünger, insbesondere in trockenen Böden. Zudem benötigt die Oxidation von N2 weniger Energie als die Reduktion. Das neue Verfahren könnte somit den Energieverbrauch in der Landwirtschaft nachhaltig senken.
Grenzen der Fotochemie überwinden
Prof. Dr. Oliver Wenger vom Departement Chemie erhält einen Advanced Grant für seine Forschungsvorhaben in der Fotochemie. Dabei geht es um chemische Reaktionen, die durch Licht angestossen werden. Unter anderem spielt dies eine Rolle bei der Umwandlung von Sonnenenergie in andere Energieformen.
Wenger und seine Mitarbeitenden möchten das Potenzial der Fotochemie erweitern, indem sie eine grundlegende Hürde zu überwinden versuchen: Gemäss der sogenannten Kasha-Regel kann nur der Zustand eines Moleküls mit der niedrigsten Energie für eine chemische Reaktion genutzt werden. Höher angeregte Zustände verlieren ihre Energie zu schnell und lassen sich deshalb nicht für Reaktionen nutzen.
Ziel des nun geförderten Projekts «Breaking Kasha» ist es, die Grenzen der Fotochemie bezüglich der Kasha-Regel zu sprengen und Reaktionen aus höher angeregten Zuständen heraus zu starten. Zum einen wollen die Forschenden den Energieverlust dieser höher angeregten Zustände verlangsamen, zum anderen arbeiten sie daran, die fotochemischen Reaktionen zu beschleunigen, damit sie schneller ablaufen, als die Energie verloren geht.
Gelingt es, diese Art von Reaktionen verlässlich zu etablieren, könnte dies bestimmte Bereiche der synthetischen Chemie sowie die Umwandlung von Sonnenenergie massgeblich beeinflussen.
Vorne, hinten, oben und unten: Wie Embryos sich organisieren
Prof. Dr. Alex Schier, Direktor des Biozentrums, erhält einen Advanced Grant für sein Projekt «Selforganize» im Bereich Entwicklungsbiologie. Dabei geht es um die grundlegende Frage, wie sich Körperachsen (also vorne-hinten, oben-unten) im Embryo entwickeln und damit auch die Positionen verschiedener Organe festgelegt werden.
Nach bisherigem Stand des Wissens helfen bestimmte mütterliche Signalmoleküle, die innere Organisation des Embryos voranzutreiben. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass sich im Labor aus einzelnen Zellen ebenfalls embryoähnliche Gebilde oder Organe formen können – ganz ohne mütterliche Signalstoffe. Dieses Phänomen nennen Fachleute «Selbstorganisation».
Schier und sein Team erforschen dieses Phänomen am Beispiel des Killifischs. In dessen Embryonalentwicklung scheinen mütterliche Faktoren keine Rolle zu spielen. Zudem verteilen sich die Embryonalzellen zunächst zufällig und finden sich erst später wieder zusammen, um einen Embryo zu bilden. Die Forschenden möchten herausfinden, wie genau die Selbstorganisation im Killifisch funktioniert, also wie die Zellen miteinander kommunizieren und welche Botenstoffe und mechanischen Signale eine Rolle spielen. Ein tieferes Verständnis der Selbstorganisation im Killifisch könnte die Grundlagen liefern, um Organe im Labor via Selbstorganisation nachzubauen.
Schweiz wieder voll eingabeberechtigt
Nach mehrjähriger Unterbrechung stand die Ausschreibung der ERC Advanced Grants erstmals wieder auch Forschenden in der Schweiz offen. Da die Ausschreibung noch ins Jahr 2024 fiel, greift eine Übergangsvereinbarung: Die Anträge aus der Schweiz wurden zwar vom ERC bewertet, die Finanzierung stellt jedoch für diesmal das Staatssekretariat für Forschung, Bildung und Innovation (SBFI) zur Verfügung. Ab dem Ausschreibungsjahr 2025 ist die Schweiz wieder voll eingabeberechtigt im EU-Forschungsrahmenprogramm «Horizon Europe».