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Familien im Wandel. (02/2020)

Herzstücke für stromsparende Elektronik.

Text: Christine Möller

Topologische Isolatoren stellen eine ganz neue Materialklasse dar. Ihre besondere Eigenschaft macht sie zu vielversprechenden Kandidaten für energiesparende, leistungsstarke Elektronik und Quantencomputer.

Smartphones und Computer sind allgegenwärtig. Telefonieren, chatten, Filme streamen, Fotos und Videos aufnehmen, im Internet surfen, Apps für Fitness, Gesundheit oder zur Unterhaltung nutzen, das alles benötigt grosse Mengen Energie. Und zwar nicht nur, um die Milliarden mobiler Endgeräte zu laden, sondern auch, um die Server zu betreiben, auf denen die stetig wachsenden Datenmengen gespeichert sind.

Grundlage der heutigen Elektronik sind Bauteile aus Silizium. Silizium ist ein Halbleiter, dessen elektrische Eigenschaften sich durch die gezielte Einlagerung von anderen Atomen (Dotierung) in seine Kristallstruktur nach Wunsch einstellen lassen.

Die Optimierung von Siliziumbauteilen stösst jedoch bald an ihre Grenzen. Daher sind ganz neue Materialien gefragt, welche die Herstellung noch kleinerer Chips und Transistoren ermöglichen, die mit wenig Energie auskommen und dabei kaum Wärme produzieren. Topologische Isolatoren sind eine solche neue Materialklasse, die einen wesentlichen Beitrag dazu leisten könnten, unsere heutigen elektronischen Geräte noch leistungsfähiger und zugleich sparsamer zu machen.

Innen isolierend, aussen leitend

Das Besondere an topologischen Isolatoren: Im Inneren verhalten sie sich wie Isolatoren, leiten also keinen Strom. Ihre Ränder dagegen besitzen metallische Eigenschaften, sind also elektrisch leitend. Ein dreidimensionaler Kristall eines topologischen Isolators leitet den Strom also nur an seiner Oberfläche, während im Inneren kein Strom fliessen kann. Zweidimensionale topologische Materialien, die nur aus wenigen Schichten Atomen bestehen, leiten Strom nur an den Kanten. Bei einem eindimensionalen Material, also einem ein Atom dünnen Draht, bewegen sich die Ladungsträger nur an den beiden Enden.

Ein eindimensionaler topologischer Isolator, also ein Draht aus einer Reihe von Atomen, leitet den Strom nur an beiden Enden. Ein zweidimensionaler topologischer Isolator aus nur wenigen Atomschichten leitet nur an den Kanten und ein dreidimensionales Kristall eines topologischen Isolators leitet den Strom nur an seiner Oberfläche. Im Inneren verhalten sich diese Materialien wie Isolatoren.
Ein eindimensionaler topologischer Isolator, also ein Draht aus einer Reihe von Atomen, leitet den Strom nur an beiden Enden. Ein zweidimensionaler topologischer Isolator aus nur wenigen Atomschichten leitet nur an den Kanten und ein dreidimensionales Kristall eines topologischen Isolators leitet den Strom nur an seiner Oberfläche. Im Inneren verhalten sich diese Materialien wie Isolatoren.

Nahezu ohne Verluste

Besonders ist ausserdem, dass der Strom in den erwähnten Bereichen nahezu verlustfrei fliesst, also fast ohne Reibung und damit ohne Entwicklung von Wärme. Grund dafür sind quantenmechanische Phänomene. Daher verspricht der Einsatz dieser Materialien in elektronischen Bauteilen eine bisher unerreichte Effizienz ohne Energieverlust durch Wärmeentwicklung.

Zudem könnten eindimensionale topologische Isolatoren ein idealer Speicher für Quanteninformation sein und damit Herzstück für künftige Quantenrechner werden. Die beiden stromleitenden Punkte an den Enden des atomar dünnen Drahtes lassen sich eventuell als die beiden Komponenten eines Quantenbits definieren, der kleinsten Informationseinheit eines Quantencomputers.

Den topologischen Isolatoren könnte also eine grosse Zukunft blühen, dabei sind sie noch gar nicht so lange bekannt: Erst in den 80er-Jahren beobachteten Physiker um Professor Klaus von Klitzing, dass ein extrem dünnes, zweidimensionales Material, an das sie bei tiefen Temperaturen ein sehr starkes Magnetfeld anlegten, sich nicht wie erwartet wie ein reiner Isolator verhielt. Es leitete Strom sehr wohl – an den Kanten. Und das nahezu ohne Verluste. Für die Entdeckung dieses als Quantum-Hall-Effekt beschriebenen Phänomens erhielt Klaus von Klitzing 1985 den Nobelpreis.

In jüngerer Vergangenheit entdeckten Forschende, dass zahlreiche zweidimensionale und dreidimensionale Kristalle auch ohne Anlegen eines Magnetfeldes diese besonderen Eigenschaften besitzen. Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Basel erforschen diese vielversprechenden Materialien.

Stapel mit neuen Eigenschaften

Die Forschungsgruppe von Prof. Dr. Christian Schönenberger beispielsweise ist auf der Suche nach neuen topologischen Isolatoren mit besonders günstigen Eigenschaften für verschiedene Anwendungen. Im Rahmen eines «Advanced Grant» des Europäischen Forschungsrats (ERC) untersucht die Gruppe sogenannte Van-der- Waals-Heterostrukturen. Das sind Stapel zweidimensionaler Kristalle, die aus einzelnen Atomlagen verschiedener Materialien bestehen. Zusammengehalten werden die Schichten durch physikalische Anziehungskräfte, die Van-der-Waals- Kräfte. «Wir können heute neue, in der Natur nicht vorkommende Materialien herstellen – allein durch geschicktes Stapeln von zweidimensionalen Kristallen. Diese Kristalle können ganz neuartige Eigenschaften aufweisen und auch zu topologischen Isolatoren werden», erläutert Christian Schönenberger.

Ein weiteres Team um Prof. Dr. Dominik Zumbühl hat eine Methode entwickelt, mit der eng begrenzte leitende Bereiche von Materialien untersucht werden können. Mithilfe der sogenannten Tunnelspektroskopie konnten die Forschenden bereits einen exakten «Fingerabdruck» dieser leitenden Bereiche mit einer Auflösung im Nanometerbereich erstellen. Sie gehen davon aus, dass sich die Methode auch für die detailgenaue Untersuchung topologischer Isolatoren eignet. Dies könnte helfen, die Eigenschaften solcher Materialien noch genauer zu untersuchen und damit den Weg für ihre Anwendung zu ebnen.

Die Gruppe von Prof. Dr. Ernst Meyer konnte kürzlich erstmals mit Messungen an Bismut-Tellurid, einem der ersten bestätigten topologischen Isolatoren, die theoretische Annahme bestätigen, dass durch Reibung deutlich weniger Wärme entsteht, als dies bei vergleichbarem Stromfluss durch herkömmliche leitende Materialien der Fall ist. «Neben dem nur geringen Energieverlust durch Wärme konnten wir einen neuartigen, quantenmechanischen Mechanismus beschreiben, mit dem wir die Reibung ganz gezielt steuern können», so Meyer. «Denn wie im Strassenverkehr, wo Reibung für Anfahren, Beschleunigung und Bremsen nötig ist, ist sie auch auf der Nanometerskala manchmal erwünscht. Für potenzielle Anwendungen ist die Möglichkeit der Steuerung entscheidend.»

Die Forschungsgemeinschaft sieht sich noch vielen offenen Fragen gegenüber, bevor topologische Isolatoren die heutigen Siliziumbauteile ergänzen oder ersetzen könnten. In den nächsten Jahren sind noch zahlreiche neue Erkenntnisse über diese noch junge Materialklasse zu erwarten, die sie der Anwendung weitere Schritte näherbringen – womöglich auch als Komponenten eines leistungsfähigen Quantencomputers.

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