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Folge mir! (02/2022)

Bürokratie als ständige Begleiterin.

Text: Jonas Bischoff

SRF-Korrespondent Jonas Bischoff
Jonas Bischoff auf Sendung aus Amman. (Foto: Jonas Bischoff)

Es ist eine schier unmögliche Aufgabe: 14 Länder von Ägypten über Katar und Iran bis Afghanistan journalistisch abzudecken. Seit einem guten Jahr sind meine Lebensgefährtin Anita Bünter und ich als Korrespondenten des Schweizer Fernsehens SRF im Nahen Osten unterwegs. Und wir haben in diesem Jahr eine riesige Bandbreite des menschlichen Lebens gesehen. Von Menschen im Libanon, die wegen der Wirtschaftskrise alles verloren haben, bis zu Superreichen in Katar, die ein eigenes Spital nur für Falken betreiben.

Der Nahe Osten ist eine schwierige Region für uns Journalistinnen und Journalisten. Auf der Karte der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen ist er fast durchgehend dunkelrot bis schwarz. Eine geringe Pressefreiheit bedeutet zwar nicht, dass man überhaupt nicht berichten kann, aber die Berichterstattung ist viel anspruchsvoller. Eines der Haupterschwernisse: die überbordende Bürokratie.

Anders als in Westeuropa können wir nicht einfach unsere Kamera aufstellen und loslegen. Fast überall, wo wir drehen wollen, brauchen wir Bewilligungen – und zwar seitenweise. Wir müssen teilweise bereits Wochen vor Drehbeginn Anträge ausfüllen, erklären, worüber wir berichten wollen; abklären, wo die Zuständigkeiten für Bewilligungen liegen, und dann viel Geduld haben. Um alle nötigen Bewilligungen zu bekommen, braucht es oft Durchhaltewillen. Die Vorbereitung von Drehreisen braucht dadurch ähnlich viel Zeit wie die Reisen selbst. Dieser Teil unserer Arbeit ist kaum in der «Tagesschau» oder «10vor10» zu sehen.

Doch die Arbeit als Nahostkorrespondenten hat auch viele spannende Seiten. In erster Linie sind es die unzähligen Begegnungen mit Menschen. Wir bekommen Einblicke in Lebensrealitäten, die man als Touristin oder Tourist kaum hat.

Im vergangenen Jahr konnten wir unter anderem Iran, Irak, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate und den Libanon besuchen und von da berichten. Es ist ein Privileg, selbst vor Ort zu gehen und mit allen Sinnen erfassen zu können, was das Leben der Menschen ausmacht. Soeben waren wir in Afghanistan und haben trotz der riesigen Armut eine grosse Gastfreundschaft erleben dürfen. Bei unserer Arbeit haben wir vonseiten SRF grosse journalistische Freiheiten und können auf Basis publizistischer Kriterien selbst entscheiden, worüber wir berichten.

Wir wohnen in der jordanischen Hauptstadt Amman. Wenn wir nicht gerade auf Reisen sind, schneiden wir hier unsere Beiträge, planen neue Reisen oder kommentieren tagesaktuelle Themen. Live-Schaltungen realisieren wir von einem Balkon mit Aussicht auf die Zitadelle von Amman. Hier, direkt oberhalb der Altstadt von Amman, bekommt man das pulsierende Leben der jordanischen Hauptstadt hautnah mit. Das kann auch zu herausfordernden Situationen führen: etwa wenn kurz vor der Live-Schaltung zu einem ernsten Thema eine laute 80er-Jahre-Hits-Party in der nahegelegenen Bar losgeht und wir innert weniger Minuten die Live-Position wechseln müssen. Oder wenn der Muezzin just in dem Moment zum Abendgebet ruft, wenn die «Tagesschau»-Schaltung beginnt.

Die einzige Konstante in unserem Leben als Nahostkorrespondenten bisher ist, dass es keine Konstante gibt. Jeder Tag ist anders. Oft wissen wir morgens noch nicht, was uns im Verlaufe des Tages erwartet: grosser Ärger, weil es nicht geklappt hat mit einer Bewilligung; grosse Freude, weil für einmal alles viel leichter war als erwartet; oder ein aktuelles Ereignis, zu dem wir eine Analyse machen sollen. Der Job als Nahostkorrespondent ist zwar eine schier unmögliche Aufgabe. Aber eine Aufgabe, die Freude macht!

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