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«Zeitungmachen hat sich eigentlich noch nie finanziell gelohnt»

Ein Mann mit Brille sitzt in einem Café. Vor ihm eine aufgeschlagene Zeitung, eine Tasse Kaffee und ein Glas Wasser. Durchs Fenster ist im Hintergrund eine Stadtszene mit Gebäuden zu sehen.
Medienhistoriker David Tréfás im Café Huguenin am Barfüsserplatz in Basel. Er wählte diesen Schauplatz als Einstieg seines Buch über die Entwicklung der Basler Medienlandschaft. (Foto: Universität Basel, Eleni Kougionis)

Seit 1831 hat sich die Basler Presselandschaft stetig gewandelt. Der Historiker David Tréfás hat das in einem Buch aufgearbeitet. Im Interview erzählt er, wie Krisen die Medienwelt veränderten, warum die Basler Redaktionen im 19. Jahrhundert einen Standortvorteil hatten und wie die Medienwelt künftig aussehen könnte.

08. Dezember 2025 | Noëmi Kern

Ein Mann mit Brille sitzt in einem Café. Vor ihm eine aufgeschlagene Zeitung, eine Tasse Kaffee und ein Glas Wasser. Durchs Fenster ist im Hintergrund eine Stadtszene mit Gebäuden zu sehen.
Medienhistoriker David Tréfás im Café Huguenin am Barfüsserplatz in Basel. Er wählte diesen Schauplatz als Einstieg seines Buch über die Entwicklung der Basler Medienlandschaft. (Foto: Universität Basel, Eleni Kougionis)

Herr Tréfás, wie informieren Sie sich über das Geschehen in und um Basel?

Ich habe verschiedene Newsapps auf dem Handy, zum Beispiel Baseljetzt, und schaue mir die Basler Zeitung an. Und ich habe die Morgenberichte von Bajour und Prime News abonniert. Damit bin ich, glaube ich, so weit informiert, wie man informiert sein kann.

Stellen Sie bei diesen verschiedenen Formaten grosse Unterschiede fest in der Themenauswahl?

Ja, natürlich. Bajour arbeitet für ein bestimmtes Segment der Gesellschaft, Prime News ebenso. Dort gibt es zum Beispiel Themen, die mit dem Gewerbeverband zu tun haben, weil das Portal eher in der Nähe des Gewerbes angesiedelt ist. Bajour lanciert Umfragen zu Themen, bei denen ich überhaupt nicht überlegt habe, dass es diese geben könnte. Sie sprechen damit ein eher jüngeres und sehr urbanes Publikum an. Ich bin gar nicht sicher, ob ich als Historiker, der auf dem Bruderholz wohnt, wirklich mit diesen Themen in Berührung kommen würde. Das sollen Medien ja eigentlich auch tun. Die Basler Zeitung hat von allem ein bisschen. Es sind teilweise Themen, die ich auch in anderen Zeitungen lese. Zudem schaue ich auch andere Medientitel an wie die NZZ.

Bajour ist eher links, Prime News eher wirtschaftsnah. Wie unabhängig sind diese Medienberichte?

Zeitungen sind seit jeher milieu-verhaftet. In Basel gab es früher eigentlich nur die linksliberale National-Zeitung, die konsequent versucht hat, auszubrechen.

Sie war eine Art Forumszeitung und nicht wirklich an eine Parteilinie gebunden. Dieses Sich-Lossagen von Parteien fand ab den 1960er-Jahren statt. Die Zeitungen wollten nicht mehr Parteipresse sein. Mittlerweile wird die politische Haltung nicht nur von den lokalen Medien gemacht, sondern sie entsteht unter allen möglichen Einflüssen. In Basel hat ein grosser Teil der Bevölkerung ausländische Wurzeln und konsumiert womöglich auch Medien aus anderen Ländern. Was wir lesen und was die öffentliche Meinung ist, sind wirklich zwei ganz verschiedene Sachen.

Wo nahm die Geschichte der Basler Medien ihren Anfang?

Dass es überhaupt eine Basler Presse gibt, ist der Kantonstrennung zu verdanken. Der erste Bericht in einer Tageszeitung stand im Januar 1831 in der sogenannten Baseler Zeitung. Er fasste den bürgerkriegsähnlichen Zustand in den Wochen zuvor zusammen. Die Baseler Zeitung war nicht nur für die Basler konzipiert, sondern für die gesamte Eidgenossenschaft als Stimme der Basler. Auch im Baselbieter Teil des Kantons entstand eine Zeitung, die anfing, gegen die Stadt oder für das Baselbiet zu schreiben. Es ist sehr spannend, wie sich die einzelnen Fraktionen bewegten. Die Baselbieter Presselandschaft entwickelte sich dann weitgehend unabhängig von der Stadt.

Wie Krisen die Medienlandschaft verändern können, zeigt die aktuelle Ausstellung der Universitätsbibliothek. Können Sie das kurz erklären?

Der Anspruch an die Medien ändert sich je nach Situation. 1976 brannte in Norditalien eine Chemiefabrik und setzte hochgiftiges Dioxin frei. Da reichte der Basler Bevölkerung eine Print-Zeitung als Informationsquelle, weil sie nicht unmittelbar betroffen war. Zehn Jahre später beim Brand von Schweizerhalle 1986 war das anders. Da wollten alle wissen, was passiert ist, und laufend informiert sein. Radio Basilisk berichtete zuerst direkt vom Ort des Geschehens. Das Medium war genau die richtige Antwort auf diese Krise und konnte sich deshalb durchsetzen. In der Corona-Pandemie wiederum deckte das Radio die Bedürfnisse weniger gut ab als die sozialen Medien: Damit liessen sich Kommunikationsnetzwerke aufbauen, die den Leuten weitergeholfen haben.

Durch das Internet und die sozialen Medien können wir uns laufend über Geschehnisse weltweit informieren. Das kann auch überfordern. Wie war das früher?

Als in den 1850er-Jahren die Telegrafendienste aufkamen, gab es plötzlich eine unglaubliche Informationsflut. Die neue Technologie war allerdings teuer, und nicht alle Zeitungen konnten sie sich leisten.

Cover des Buches "Presseschau. Die Geschichte der Basler Medien 1831–2025"
In «Presseschau. Die Geschichte der Basler Medien 1831–2025» beleuchtet David Tréfás die Entwicklung der Medienlandschaft in der Basel. (Bild: Schwabe Verlag)

Zuvor waren viele Zeitungen voll mit Berichten aus anderen Zeitungen. Wenn ein Zug der Elsässerbahn ankam, gingen die Basler Redakteure zum Bahnhof und bekamen als Erste in der Schweiz die Zeitungen aus Paris. So konnten sie vor allen anderen abdrucken, was in Paris passierte. Mit dem Telegrafen bekam man dann viel mehr und schneller Informationen. Das Papier war allerdings teuer, man konnte also nicht endlos drucken.

Welche Anekdoten aus Ihren Recherchen können Sie sonst noch erzählen?

Ich erwähne gern das Archiv des Schwabe-Verlags, das die UB übernehmen konnte. Darin fand ich die Geschäftsunterlagen der Basel Nachrichten mit Listen der Korrespondenten, aber auch Aufstellungen von Einnahmen und Ausgaben der Zeitung. Ein kleiner Teil der Einnahmen kam offenbar durch den Verkauf von Kölnisch Wasser zustande.

Es galt also einen Zusatzverdienst zu generieren, damit die Zeitung überlebte?

Genau. Eine der Grunderkenntnisse meiner Recherchen ist, dass sich das Zeitungmachen im finanziellen Sinn eigentlich nie wirklich lohnt. Es gibt Ausnahmefälle, aber viele Zeitungen mussten immer querfinanziert werden, sei es von Mäzenen, von Kirchen oder sonst jemandem. Oft war es auch Selbstausbeutung wie bei den Arbeiterblättern.

Bei allem Wandel in der Basler Presselandschaft gibt es mit der Basler Zeitung heute noch eine gedruckte Tageszeitung. Der Mantelteil kommt mittlerweile aus Zürich.

An der Basler Zeitung kam über Jahrzehnte niemand vorbei. Auch die verschiedenen Medienneugründungen wie zum Beispiel die TagesWoche hatten nicht den Anspruch die BaZ zu ersetzen, sondern wollten sie ergänzen. Auch die bz Basel hat sich etabliert.

Heute würde ich sagen, man kann sich informieren, ohne die BaZ gelesen zu haben. Daneben gibt es neue Ideen, auch idealistische, die meistens aus dem Kulturjournalismus kommen, und es gibt verschiedene Geschäftsmodelle. Information wird immer noch nachgefragt. Ob dafür bezahlt wird, ist eine andere Frage.

Wie wird sich die Basler Medienlandschaft weiterentwickeln?

Ich bin kein Medienwissenschaftler, mein Metier ist die Geschichte. Wenn ich daraus schöpfe, kann ich sagen: Was im Moment gut läuft, ist Community Building, wie das Bajour macht. Und es gibt viele Quartierzeitungen, die nahe bei den Leuten sind. Lokaljournalismus ist interessant für Journalistinnen und Journalisten und für die Leserschaft. Es könnte sein, dass es künftig vermehrt in die Richtung geht, dass es eigentlich nur noch gedruckte Lokalzeitungen gibt. Die Medienvielfalt in Basel hat sich vergrössert, seit 1977 aus der Fusion der National-Zeitung und den Basler Nachrichten die Basler Zeitung hervorgegangen ist. Man findet viele unterschiedliche Formate: Radio, Fernsehen, Print- und Onlinemedien. Sie berichten lokal und haben nebeneinander Platz.

Wir und der Journalismus

Die aktuelle Ausstellung Auf der Suche nach der Wahrheit in der UB bietet Gelegenheit, sich auf vielfältige Weise mit dem Journalismus und seiner Bedeutung auseinanderzusetzen und die eigene Medienkompetenz zu verbessern. Die Begleitausstellung «Medienplatz Basel» beleuchtet die Rolle, die Katastrophen bei der Entwicklung der Basler Medien spielten. David Tréfás hat sie kuratiert.

Am Mittwoch, 10. Dezember, findet der Themenabend «Neuste Nachrichten über die Pressegeschichte Basels» mit David Tréfás statt. (Dauer: 75 Minuten)
Treffpunkt: 18 Uhr, UB Hauptbibliothek, Vortragssaal (1. Stock). Der Eintritt ist kostenlos, keine Anmeldung erforderlich.

Die Ausstellung dauert noch bis zum 24. Januar 2026. UB Hauptbibliothek, Ausstellungsraum (1. Stock), Schönbeinstrasse 18–20, Basel. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag, 8 bis 19.30 Uhr, Samstag 10 bis 19.30 Uhr; der Eintritt ist frei.

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