Vier Forschende der Universität Basel erhalten ERC Consolidator Grants
Der Europäische Forschungsrat ERC fördert mit den Consolidator Grants exzellente Projektideen von fortgeschrittenen Forschenden. Wer sich im Wettbewerb um die begehrten Grants durchsetzt, gehört zu den besten im jeweiligen Forschungsfeld. Auch vier Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Basel haben einen Zuschlag des ERC erhalten.
09. Dezember 2025
Von künstlicher Intelligenz über Erinnerungen und Genregulation bis zur Behandlung gegen Blindheit: Vier Projekte an der Universität Basel erhalten je rund zwei Millionen Euro während fünf Jahren. Dies ermöglicht neue wissenschaftliche Entdeckungen und unterstützt die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, ihre eigene Forschungsgruppe ausbauen, langfristige Projekte zu verfolgen und internationale Kooperationen zu pflegen.
Nach mehrjähriger Unterbrechung stand ab 2025 die Ausschreibung für die ERC Consolidator Grants auch Forschenden in der Schweiz wieder offen. Europaweit hatten sich 3121 Forschende um einen solchen Grant beworben. Nur 349 Anträge waren letztlich erfolgreich.
Nachvollziehbare KI-Modelle
Physikerinnen und Mathematiker versuchen die Welt mit Gleichungen zu beschreiben und dadurch besser zu verstehen. Auch wenn diese mathematischen Modelle für Aussenstehende bereits kaum verständlich sind: Modelle auf Basis künstlicher Intelligenz, die mit riesigen Datenmengen trainiert werden, sind ungleich komplexer und selbst für Fachleute viel weniger durchschaubar. Zwar liefern sie manchmal gute Ergebnisse, jedoch lässt sich oft nicht nachvollziehen, warum sie funktionieren und wo ihre Grenzen liegen.
Mit seinem ERC-Projekt möchte der Informatiker Prof. Dr. Ivan Dokmanić das ändern. Sein Forschungsteam am Departement Mathematik und Informatik wird an neuen KI-Bausteinen arbeiten, die KI für die Forschung effizienter, stabiler und besser interpretierbar machen sollen. Diese will das Team anschliessend zur Modellierung komplexer Systeme in verschiedenen Bereichen einsetzen: in der Biobildgebung, um Zellen mit nahezu atomarer Auflösung sichtbar zu machen, und in den Geowissenschaften, um unser Verständnis von Erdbeben zu verbessern.
Erinnerung: Von schreibgeschützt bis anpassbar
Auch in unserer sich rasant verändernden Welt bleiben manche Tatsachen bestehen: Feuer ist heiss und fünf plus fünf ergibt zehn. Auf der anderen Seite muss unser Gedächtnis vielleicht mal aufgrund einer Baustelle einen alternativen Weg zur Arbeit abrufen. Unser Gehirn muss also gewisse Erinnerungen stabil und schreibgeschützt abspeichern, andere aber form- und überschreibbar halten. Wie genau das funktioniert, untersucht Prof. Dr. Flavio Donato am Biozentrum der Universität Basel.
Mit seinem Forschungsteam hat Donato entdeckt, dass es in diesem Zusammenhang zwei wichtige Typen von Nervenzellen im Hippocampus gibt – einer Hirnregion, die für Erinnerungen zentral ist. Der eine Neuronentyp entsteht früh in der Embryonalentwicklung und verhindert, dass Erinnerungen leicht überschrieben werden. Der andere Typ entsteht später und hält Erinnerungen veränderbar. Wie diese Nervenzellen zusammenwirken und wie sie regulieren, ob Erinnerungen in einer stabilen oder flexiblen Form existieren, werden die Forschenden im Rahmen des ERC-Projekts unter anderem durch Versuche an Ratten und Mäusen erforschen. Die Erkenntnisse daraus können das Verständnis von zu stabilen oder zu flexiblen Erinnerungen erweitern, wie etwa bei Angststörungen, posttraumatische Belastungsstörungen und Lernstörungen.
Evolution, Gene und Geschlechtsunterschiede
In Tieren und Pflanzen sind Geschlechtschromosomen erstaunlich dynamisch und sind im Verlauf der Evolution hunderte Male unabhängig voneinander entstanden. Da sie in unterschiedlicher Kopienzahl vorliegen, müssen Organismen die Genexpression ausgleichen, um eine ausgewogene Aktivität sicherzustellen – ein Prozess, der als Dosiskompensation bezeichnet wird. Menschen sind ein gutes Beispiel, da sämtliche Gene auf dem X-Chromosom bei Frauen (zwei X-Chromosomen) in zwei Kopien vorliegen, bei Männern (ein X- und ein Y-Chromosom) allerdings nur in einer Kopie. Hier greift die sogenannte «Dosiskompensation», damit – egal ob eine Kopie oder zwei – gleich viel Genprodukt entsteht. Dahinter verbergen sich Mechanismen der Genregulation, die auf chemischen Modifikationen und dem Verpackungszustand der DNA in eine Struktur, die Chromatin genannt wird, beruht.
Mit ihrem ERC-Projekt wirft Prof. Dr. Claudia Keller Valsecchi einen Blick auf die Evolution der Dosiskompensation im Tierreich. In Malariamücken etwa ist ein eigener Mechanismus dafür entstanden. An diesem Beispiel, aber auch über das ganze Tierreich hinweg, will das Forschungsteam beleuchten, wie die Mechanismen der Dosiskompensation entstanden sind, welche Aspekte in der Evolution erhalten geblieben sind und wie neue, artspezifische Lösungen entstehen. Da das Projekt jeweils beide Geschlechter verschiedener Tierarten beleuchtet, verspricht es auch neue Erkenntnisse über Unterschiede zwischen den Männchen und Weibchen in Bezug auf Mechanismen der Genregulation.
Therapien gegen Blindheit
Der Verlust des Sehvermögens gehört zu den am meisten gefürchteten Gesundheitsproblemen. Oft gibt es eine genetische Ursache, wie etwa bei der Makuladegeneration, bei der Sehsinneszellen in der Mitte des Gesichtsfelds absterben. Bisher gibt es keine Behandlung gegen Blindheit. Prof. Dr. Bence György und sein Team am Institute of Molecular and Clinical Ophthalmology Basel (IOB), das mit der Universität Basel verbunden ist, entwickeln Gentherapien, die das Sehvermögen wieder herstellen oder den Sehverlust verhindern sollen.
In seinem ERC-Projekt möchte György Krankheiten behandeln, die zum Erblinden führen, indem er eine hochpräzise Methode der Genomeditierung einsetzt, die sogenannte Baseneditierung. Dabei handelt es sich um molekulare Techniken, um die Sequenz von Genen in lebenden Zellen umzuschreiben und Defekte dadurch zu korrigieren. Eines der Ziele des Projekts ist, verbesserte Möglichkeiten zu schaffen, um Gene in der Netzhaut von Patientinnen und Patienten zielgenau und ohne unerwünschte Nebeneffekte umzuschreiben. Der Fokus liegt dabei auf häufigen Mutationen, die an Makuladegeneration beteiligt sind. Ein weiteres Ziel ist es, diese Technik zur Entwicklung einer Behandlung für Hornhautblindheit zu nutzen.
Weitere Informationen
Nähere Angaben zu den Geförderten und ihren Projekten sind in den News der Departemente Biozentrum, Mathematik und Informatik sowie des IOB zu finden.



