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Wie wir entscheiden. (01/2020)

Wenn Kinder bestimmen könnten.

Text: Christoph Dieffenbacher

Geldanlagen werden selten rational getätigt. Doch zeigt ein Experiment einer Ökonomin, dass bereits Kinder einfache Wahrscheinlichkeiten einschätzen können.

Illustriertes Portrait von Prof. Dr. Ola Mahmoud. (Illustration: Studio Nippoldt)
Prof. Dr. Ola Mahmoud. (Illustration: Studio Nippoldt)

Seine Eier soll man nicht alle in denselben Korb legen, lautet das bekannte Sprichwort. Bereits im Talmud hiess es um 200 n. Chr., dass man sein Geld am besten in drei Teile teilt, «von denen einer in Immobilien, einer in der Wirtschaft und der dritte Teil immer in (der) Hand bleiben soll». Diversifikation heisst diese Strategie in der Finanz- und Anlagewirtschaft heute. Fachleute wie Wissen­schaftler empfehlen den Menschen einhellig, ihr Vermögen an verschiedenen Orten und möglichst breit anzulegen – um die Gewinnchancen zu verbes­sern und das Verlustrisiko zu vermindern.

Dass diese Strategie im wirtschaftlichen Handeln zu mehr Wettbewerb, Innovation und Wachstum führt, gilt als unbestritten. Gegen die Unwägbarkeiten des Markts soll man sich mit einem breit gefächerten Portfolio wappnen. Das Problem sei aber, dass dies in Realität oft nicht der Fall sei, sagt Prof. Dr. Ola Mahmoud, Assistenzprofessorin für Corporate Fi­nance an der Universität Basel: «Das Gebot, zu diver­sifizieren, wird von den Anlegern in Finanzmärkten viel zu oft wenig befolgt.» Viele Investoren würden sich auf zu wenige, einfache Produkte einlassen – und sich damit erst recht Risiken einhandeln.

Die Professorin, geboren in Kairo und teilweise aufgewachsen in Deutschland, ist promovierte Ma­thematikerin mit praktischer Erfahrung als Anlage­strategin. Viele Menschen würden sich auf «naive» Modelle verlassen, ohne die Wahrscheinlichkeiten und Korrelationen zu gewichten. Sogar der promi­nente Begründer der Theorie der Diversifikation, Harry Markowitz, habe die Anlage für seine Pension ganz einfach geteilt, je zur Hälfte in Anleihen und in Aktien, so Mahmoud. Dies habe der bekannte Öko­nom psychologisch begründet: «Meine Absicht war es, mein zukünftiges Bedauern zu minimieren.»

Dass man typischerweise nicht optimal anlegt, so Mahmoud, hat oft psychologische und verhalten­sökonomische Gründe. Um zu erfahren, wie Kinder entscheiden, führte sie ein Experiment durch – «das erste seiner Art». Verwendet wurden dabei Würfel, deren Seiten immer wieder anderes bemalt waren: einmal zum Beispiel je drei Seiten in Rot und Blau oder einmal fünf von sechs Seiten in Rot. Nachdem den jungen Probanden gesagt wurde, wie sich die Farben auf den sechs Würfelseiten verteilten, konn­ten sie auf eine Farbe tippen und würfeln. Wer rich­tig wählte, erhielt Coupons in Form von Gummibär­chen. Die 76 Schulkinder zwischen 6 und 12 Jahren, ohne besondere mathematische Vorkenntnisse, hat­ten sich also zu überlegen, welches Tippverhalten am meisten Süsses einbrachte.

Das Resultat überraschte die Forscherin: «Die Kinder wählten bei ihren Entscheidungen nur dann die einfache Strategie, wenn es gemäss der Theorie auch sinnvoll war», sagt Mahmoud. «Also wenn zum Beispiel je drei Seiten eines Würfels die gleiche Farbe trugen und die Gewinnchance damit bei 50 Prozent lag.» Angenommen hatte sie zuvor, dass Kinder etwa noch auf eine Farbe setzten, wenn nur eine oder zwei von sechs Würfelseiten damit bemalt waren. Doch die Schülerinnen und Schüler würden wahrnehmen, wenn ein Tipp eher einen Gewinn erwarten lässt als ein anderer.

Das Würfelexperiment belege, so Mahmoud, dass bereits Kinder mit den Phänomenen Risiko und Wahrscheinlichkeit intuitiv umzugehen wissen. Das Bemühen, bei Wahlmöglichkeiten zu diversifizieren, könnte damit im Verhalten des Menschen primär angelegt sein, meint sie. Bei Erwachsenen gehe die­ses wieder zurück, was auf diversen psychologischen Gründen basiert. Übrigens hätten sich zwei der älte­ren Jungen bei dem Experiment etwas Besonderes einfallen lassen, um ihre Chancen zu verbessern: Sie planten, die Gewinne aus ihren unterschiedlichen Tipps zusammenzulegen und unter sich aufzuteilen, wie die Forscherin lächelnd erzählt: «Ein weiteres denkbares Verhalten, das zeigt, wie pfiffig Kinder sein können.»


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