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Rechner der Zukunft (02/2017)

Rechnen in einer Welt voller Störungen

Text: Roland Wengenmayr

Quanteninformation ist extrem empfindlich und kann durch minimale Einflüsse gestört werden. Für die Fehlerkorrektur benötigt ein Quantencomputer ausgeklügelte Reparaturmechanismen. Wie diese aussehen könnten, veranschaulicht ein Ausflug in die Gedankenwelt des Physikers James Wootton.

Beispiel für einen Surface Code: Auf einer gedachten Oberfläche befindet sich eine Art Parkett aus Quadraten, an deren Ecken physikalische Qubits sitzen, zum Beispiel Elektronen. Sie sind hier in den Zuständen 1 und 0 so angeordnet, dass jedes Quadrat eine gerade Anzahl von Einsen enthalten soll, Abweichungen sind Fehler. Dieses Muster erlaubt Schleifen (rot), aber keine Linien aus Einsen. Taucht eine Linie auf, dann müssen die Werte der Qubits 1 oder 0 falsch sein, die darauf liegen. Man kann aber Endpunkte für solche Linien finden, diese bestehen aus Quadraten (orange, oben), die jeweils einen Fehler enthalten. Indem man diese zu Schleifen zusammenführt (Beispiel rot, unten), kann man die Fehler entfernen.
Beispiel für einen Surface Code: Auf einer gedachten Oberfläche befindet sich eine Art Parkett aus Quadraten, an deren Ecken physikalische Qubits sitzen, zum Beispiel Elektronen. Sie sind hier in den Zuständen 1 und 0 so angeordnet, dass jedes Quadrat eine gerade Anzahl von Einsen enthalten soll, Abweichungen sind Fehler. Dieses Muster erlaubt Schleifen (rot), aber keine Linien aus Einsen. Taucht eine Linie auf, dann müssen die Werte der Qubits 1 oder 0 falsch sein, die darauf liegen. Man kann aber Endpunkte für solche Linien finden, diese bestehen aus Quadraten (orange, oben), die jeweils einen Fehler enthalten. Indem man diese zu Schleifen zusammenführt (Beispiel rot, unten), kann man die Fehler entfernen.

Quanteninformation ermöglicht Algorithmen, die komplexe Aufgaben lösen können, an denen herkömmliche Computer scheitern. Die Rechenkraft von Quantencomputern beruht auf einer geschickten Überlagerung der Quantenzustände von Qubits. Während der Computer seine quantenlogischen Operationen durchführt, sind die Qubits zeitweilig miteinander verschränkt. Dieser besondere Quantenzustand ist besonders anfällig für Störungen. Sobald er kollabiert, ist der Mehrwert der Quanteninformation verloren.

Eine Störung stellt allein schon das gewollte Auslesen von Quanteninformation im Zuge einer Messung dar. Zu Störungen führen aber auch äussere physikalische Einflüsse auf das Quantensystem, und unsere Welt ist voll davon. In der Mikrowelt ist es zum Beispiel die allgegenwärtige Wärmeenergie, die selbst bei tiefen Temperaturen an den physikalischen Trägern der Quanteninformation – zum Beispiel Elektronenspins – permanent rüttelt. Auch das Erdmagnetfeld kann eine Quanteninformation zerstören, da Spins ja nichts anderes sind als kleine Magnete, erklärt James Wootton, theoretischer Physiker an der Universität Basel. Wootton gebraucht dafür das Bild von Gremlins: Kleine Monster greifen von überall die hochsensible Welt der Quanteninformation an.

Verfahren zur Fehlererkennung

James Wootton erforscht neue Methoden, die erlauben, Quanteninformation sicher gegen Störungen zu verpacken. Ein Quantencomputer muss in der Lage sein, in einer Art permanenter Selbstdiagnose Fehler zu erkennen. Je nach Verfahren repariert er diese Fehler sofort oder er verfolgt sie über die Rechenoperation hinweg und korrigiert sie am Schluss aus dem Ergebnis heraus. Diagnosen und Korrekturen müssen subtil geschehen, denn die eigentliche Quanteninformation darf niemals gelesen werden, während der Computer noch rechnet. Das Lesen entspräche einer Messung und würde die für die weitere Informationsverarbeitung genutzten Quanteneigenschaften vernichten.

Man kann sich das Verfahren wie einen Briefumschlag vorstellen, den man ungeöffnet gegen Licht hält, um herauszufinden, ob auch ein Brief drinsteckt. Lesen darf man diesen aber nicht. Das trickreiche Korrekturverfahren geht noch weiter: Es soll sogar falsche oder verloren gegangene Buchstaben erkennen und ersetzen können – und dies wiederum, ohne dabei den Text zu lesen.

Physikalische und logische Qubits

Das Verfahren zur Fehlererkennung und -behebung heisst Surface Code. Der Surface Code verpackt die Quanteninformation so, dass sie gegen Störungen weitgehend geschützt ist. Zudem bietet er Diagnosemöglichkeiten, um Fehler in den Qubits erkennen und korrigieren zu können, ohne die eigentliche Quanteninformation anzutasten. Dazu werden die Qubits in zwei Sorten aufgeteilt. Die Basis bildet eine Vielzahl von physikalischen Qubits. Diese heissen physikalisch, weil jedes Qubit Quanteneigenschaften eines echten Teilchens nutzt – zum Beispiel den Spin eines Elektrons. Sie bilden sozusagen die Hardware und sind auf einer Oberfläche – daher der Name Surface Code – in einem regelmässigen Parkettmuster angeordnet, beispielsweise an den Ecken der Quadrate eines Schachbrettmusters (siehe Grafik). Auch andere Muster sind möglich.

Die physikalischen Qubits sind in der Lage, ihre Wechselwirkungen untereinander zu kontrollieren, ohne die eigentliche Quanteninformation zu lesen. Diese steckt in logischen Qubits, die – gewissermassen als eincodierte Software-Teilchen – über das Parkett der physikalischen Qubits verteilt sind. Die logischen Qubits können sich durch gezielte Manipulation der physikalischen Qubits bewegen und Operationen ausführen. Bei den Korrekturzyklen werden sie vom Surface Code nicht direkt gelesen. Wegen der breiten Verteilung der logischen Qubits über viele physikalische Qubits hinweg wirken sich lokale Fehler nicht so störend aus – ungefähr so wie ein kleiner Webfehler in einem Teppichmuster nicht auffällt.

Information stabil halten

Wie kann man die Quanteninformation möglichst stabil in logische Qubits verpacken? Wootton betrachtet den Surface Code in seinen theoretischen Überlegungen als zweidimensionale Welt, die er mit exotischen Teilchen besiedeln kann. Seine Lieblingsteilchen heissen Anyonen. Dies sind keine echten Teilchen, sondern werden als Quasiteilchen vom Kollektiv der physikalischen Qubits hervorgebracht. Anyonen sind zugleich ihre eigenen Antiteilchen. Deshalb kann Wootton Anyonen-Paare auf seinem 2-D-Spielfeld aus dem Nichts entstehen und wieder verschwinden lassen. Mehr noch: Schiebt er eines der beiden Anyonen über einen Rand des Spielfelds, sozusagen auf die Auswechselbank, dann muss dessen auf dem Spielfeld verbliebener Partner stabil überleben. Das erfordern die Regeln der Quantenphysik. So werden Anyonen zu stabilen Transportern für logische Quantenbits.

Anyonen können in der zweidimensionalen Welt zudem Dinge tun, die in 3-D unmöglich sind. Wenn eines ein anderes in einer Schleife umkurvt, so verändert sich das Anyon in der Schleife. Damit können Anyonen quantenlogische Operationen ausführen. Quantenphysiker sprechen von «braiding» (flechten). Da die Anyonen immer von mehreren physikalischen Qubits zusammen getragen werden, ist die Quanteninformation wesentlich stabiler verpackt, als dies in einem einzigen physikalischen Qubit der Fall wäre. Ebenso wirken die Regeln für die Anyonen stabilisierend. Die quantenlogischen Operationen kann man sich zudem wieder wie verschiedene Teppichmuster vorstellen, in denen «Webfehler» erkennbar sind. Der Quantencomputer kann sie – je nach Algorithmus – sofort korrigieren oder mitprotokollieren, ohne die Quanteninformation selbst zu lesen. 

Experimente werden in Zukunft beweisen müssen, ob die theoretischen Konzepte von James Wootton realisierbar sind. Noch ist das Zukunftsmusik. Die derzeit am besten kontrollierbaren Experimente mit verschränkten Qubits benutzen Ionen, also elektrisch geladene Atome, die wie Abacus-Kugeln aufgereiht in speziellen Fallen schweben. Zunächst muss der Forschung an Quantencomputern der technologische Sprung von einer Dimension in zwei Dimensionen gelingen. Erst dann werden Versuche mit Surface-Code-Fehlerkorrekturen möglich.


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