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Blick in die Vergangenheit mit aktuellen Standards

Lucas Burkart und Susanna Burghartz
Lucas Burkart und Susanna Burghartz halten erstmals die eben erschienen Bände der «Stadt.Geschichte.Basel» in den Händen. (Foto: Universität Basel, Eleni Kougionis)

Mit der «Stadt.Geschichte.Basel» erhält Basel eine neue, umfassende historische Darstellung seiner Geschichte in insgesamt zehn Bänden. Zahlreiche Forschende der Universität Basel sind an der Entstehung beteiligt – als Herausgeberinnen und Autoren. Das umfangreiche Werk ist mehr als eine chronologische Abhandlung von Geschehnissen.

11. März 2024 | Noëmi Kern

Lucas Burkart und Susanna Burghartz
Lucas Burkart und Susanna Burghartz halten erstmals die eben erschienen Bände der «Stadt.Geschichte.Basel» in den Händen. (Foto: Universität Basel, Eleni Kougionis)

Es ist ein besonderer Moment, als Lucas Burkart und Susanna Burghartz das Schutzpapier von den Büchern entfernen. Der Professor für Geschichte des Mittelalters und der Renaissance und die emeritierte Professorin für die Geschichte der Frühen Neuzeit haben lange an diesem Projekt gearbeitet. Nun liegen die ersten vier Bände der «Stadt.Geschichte.Basel» vor, für die sie als Mitglieder des Herausgebergremiums und als Autoren mitverantwortlich sind. Sie widmet sich der Geschichte der Stadt Basel von 50 000 vor Christus bis heute.

«Unsere Aufgabe war es, aus der Fülle der Quellen und Forschungen eine Erzählung zu machen und die grösseren Zusammenhänge aufzuzeigen, die die Stadt Basel und ihre Umgebung prägten und bis heute prägen», sagt Susanna Burghartz. Und Lucas Burkart ergänzt: «Unsere heutige Wahrnehmung der Welt ist seit dem 19. Jahrhundert stark nationalstaatlich geprägt. Das greift zu kurz. Mulhouse etwa war für Basel zeitweise viel wichtiger als Bern oder Zürich.»

Basler Sonderfall

Insgesamt neun Bände sowie ein Übersichtsband umfasst das Werk. Es ist die erste Basler Stadtgeschichte, die sich über einen so langen Zeitraum erstreckt: rund 52 000 Jahre. Die letzte mehrbändige «Geschichte der Stadt Basel» von Rudolf Wackernagel ist 100 Jahre alt und endet mit der Reformation. «Nach damaliger Meinung war damit das Ziel für die Gesellschaft erreicht», sagt Lucas Burkart. Im Gegensatz zu anderen Kantonen wie Zürich, Bern oder Basel-Landschaft, die ihre Kantonsgeschichten bereits in den 1970er- und 1980er-Jahren in Auftrag gaben, brauchte es in Basel mehr Zeit: Erst 2016 bewilligte der Grosse Rat 4,4 Millionen Franken. Die Initiative dazu ging von der Zivilgesellschaft aus.

Die ersten vier Bände der «Stadt.Geschichte.Basel».
Die ersten vier Bände der «Stadt.Geschichte.Basel». Sechs weitere werden folgen. (Foto: Universität Basel, Eleni Kougionis)

Die Basler Bevölkerung habe ein «intensives Verhältnis zur Geschichte», sagt Lucas Burkart. «Es gibt zum Beispiel viele Familienarchive, die heute im Staatsarchiv verwahrt sind. Zudem existiere eine grosse Sammlerkultur.» Auch die Vergangenheit als Druckerstadt und die lange Geschichte der Universität sorgten dafür, dass die Überlieferungssituation ausserordentlich gut sei.

Disziplinäre Vielstimmigkeit

Die Universität Basel spielt auch eine wichtige Rolle bei der Erschliessung und Präsentation der Quellen nach den neusten wissenschaftlichen Methoden. «Aber die Stadtgeschichte entspringt nicht einfach einem Auftrag des Kantons an die Akademie, sondern sie ist viel breiter abgestützt», betont Susanna Burghartz.

Die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Gedächtnisinstitutionen wie der Universitätsbibliothek, dem Staatsarchiv, der Archäologischen Bodenforschung, der Denkmalpflege, dem Historischen Museum und vielen anderen sei ausgezeichnet gewesen. «Auch die Tatsache, dass die Texte von einem Autorenkollektiv stammen und nicht von einer Person, die alles zusammenschreibt, hilft, einen vielfältigen Blick auf die Stadt und ihre Geschichte zu erhalten», so die Historikerin.

Mit der «Stadt», das betonen Burkart und Burghartz mehrfach, ist mehr gemeint als das, was sich innerhalb der Stadtmauern oder der Kantonsgrenze befand und befindet. Sie sprechen viel von Vernetzung und Verflechtungen, die schon in der frühen Neuzeit bis in die Karibik oder nach Indien reichen. «Wir zoomen rein und wieder raus, um verschiedene Aspekte und auch sich bisweilen widersprechende Tendenzen aufzuzeigen», sagt Susanna Burghartz. «Oft gibt es neben grossen Zäsuren wie einem Kriegsbeginn oder -ende verschiedene Entwicklungen, die gleichzeitig ablaufen und ineinandergreifen. Geschichte verläuft nicht linear, Übergange sind fliessend.» Eine Einteilung in feste Epochendaten sei aus Sicht der heutigen Geschichtswissenschaft daher nicht sinnvoll.

Feste Gegenstände statt digitaler Content

Um ein möglichst breites und vielfältiges Bild zu zeichnen, war es den Herausgebern wichtig, sich nicht nur auf schriftliche Quellen zu stützen. «Das Interesse an der materiellen Geschichte nimmt auch in der neueren Geschichte immer mehr zu», sagt Susanna Burghartz.

Foto von silbernen Trinkgefässen
Die Bücher beinhalten viele Abbildungen von Gegenständen, etwa von silbernen Trinkbechern der jüdischen Gemeinde.. (Foto: Universität Basel, Eleni Kougionis)

Denn auch Dinge sind Gegenstand der Geschichte, beeinflussen sie und erzählen über den Alltag der Menschen. «So sind die Silberbecher der jüdischen Gemeinde ein Beleg dafür, dass es in Basel eine solche gab – und zwar auch im Zeitraum zwischen dem Pogrom von 1349 und dem 16. Jahrhundert, als Basel zu einem Zentrum des hebräischen Buchdrucks wurde», erläutert Lucas Burkart exemplarisch.

Abbildungen solcher materiellen Quellen sind in den Büchern ebenso zu finden wie Grafiken und Karten. «Die Bücher sollen zum Blättern und Entdecken einladen. Sogenannte Bleiwüsten haben wir möglichst vermieden», sagt Burkart. Und auch sprachlich bemühten sich die Autorinnen und Autoren um Zugänglichkeit. «Wir haben uns bewusst gegen ein Glossar entschieden. Vielmehr sollte sich auch die Bedeutung von verwendeten Fachbegriffen aus dem Text heraus erschliessen.»

Auf eine digitale Erweiterung der Bücher verzichteten sie bewusst. QR-Codes finden sich keine. Susanna Burghartz sagt: «Die Bücher sind auch ein Plädoyer für eine längere Aufmerksamkeitsspanne, als es beim Konsum digitaler Inhalte heute üblich ist. Wir wollen die Leute dazu einladen, anders zu denken als bisher.»

Entstehung der «Stadt. Geschichte. Basel»

Der Wunsch nach einer umfassenden Darstellung der Geschichte Basels reicht bis ins 20. Jahrhundert zurück. Das Projekt «Stadt. Geschichte. Basel» wurde im Jahr 2011 vom Verein Basler Geschichte ins Leben gerufen. Treibende Kraft hinter dem Projekt ist der Basler Germanist und Historiker Robert Labhardt, Präsident des Vereins Basler Geschichte. 2016 bewilligte der Basler Grosse Rat die Unterstützung mit 4,4 Millionen Franken. 1,6 Millionen kommen von Swisslos, weitere 3,3 Millionen tragen Stiftungen, Institutionen, Unternehmen sowie private Spenderinnen und Spender bei.

Band 1: Auf dem langen Weg zur Stadt. 50 000 v. Chr.–800 n. Chr.
Band 2: Eine Bischofsstadt zwischen Oberrhein und Jura. 800–1273
Band 3: Stadt in Verhandlung. 1250–1530
Band 4: Aufbrüche, Krisen, Transformationen. 1510–1790

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