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«Wissenschaft dient nicht nur der Neugierde. Wissenschaft hilft, Probleme zu lösen.»

Kelly Chibale während des Interviews am Swiss TPH in Allschwil.
Prof. Kelly Chibale ist Direktor von H3D, Afrikas erstem integrierten Zentrum für Wirkstofforschung und Entwicklung, in Kapstadt (Foto: Universität Basel, Christian Flierl)

Die Philosophisch-Naturwissenschaftliche Fakultät der Universität Basel hat Prof. Dr. Kelly Chibale die Ehrendoktorwürde für seine Verdienste um die Entwicklung des Life-Sciences-Clusters in Basel verliehen. Der Chemiker gründete das Holistic Drug Discovery and Development Center (H3D) in Kapstadt, Südafrika, wo er unter anderem Wirkstoffe gegen Malaria entwickelt.

28. November 2023 | Interview: Christian Heuss

Kelly Chibale während des Interviews am Swiss TPH in Allschwil.
Prof. Kelly Chibale ist Direktor von H3D, Afrikas erstem integrierten Zentrum für Wirkstofforschung und Entwicklung, in Kapstadt (Foto: Universität Basel, Christian Flierl)

Kelly Chibale, wie haben Sie reagiert, als Sie die Nachricht erhielten, dass Sie die Ehrenpromotion der Philosophisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel erhalten werden?

Ich konnte es zuerst kaum glauben. Es ist eine grosse Ehre, die Ehrendoktorwürde von einer so angesehenen Universität von Weltrang zu erhalten. Auch vorher schon hatte ich das Privileg, am ‘Next Generation Scientist Programm’ mitzuwirken, einem gemeinsamen Projekt der Universität Basel und des Pharmaunternehmens Novartis, bei dem viele junge Forschende aus Entwicklungsländern teilnehmen. Ich halte diese Partnerschaft zwischen der Universität Basel und der Industrie für ein Erfolgsmodell.

Sie sind in armen Verhältnissen in Sambia aufgewachsen. Und man könnte sagen, dass Sie nicht in eine wissenschaftliche Karriere hineingeboren wurden. Was hat Ihr Interesse geweckt, Wissenschaftler zu werden?

Meine Reise begann tatsächlich in einem Township in Sambia. Die Regierung unseres ersten Präsidenten, Dr Kenneth Kaunda, machte Bildung für alle zugänglich. Das hat mein Leben tiefgreifend beeinflusst. Viele von uns wären nicht in der Lage gewesen, sich diese Art von höherer Bildung leisten zu können. Sie galt als Schlüssel, um der Armut zu entkommen. Meine Faszination für Chemie begann dann in der Sekundarschule, inspiriert durch einen indischen Lehrer, der dieses Fach mit viel Leidenschaft erklärte. Das hat mich in den Bann gezogen und ich glaube, das war der Ursprung meiner Liebe zur Chemie.

Kelly Chibale
Kelly Chibale im Interview am Swiss TPH in Allschwil. (Foto: Universität Basel, Christian Flierl)

Was fasziniert Sie an diesem Gebiet, insbesondere der organischen Chemie, auch heute noch?

Für mich ist die organische Chemie ein bisschen wie Architektur. Anstelle von Häusern bauen oder verändern wir Moleküle. Durch einfache Änderungen an einer bestehenden chemischen Struktur können Moleküle neue Eigenschaften erhalten, die für den Menschen oder die Gesellschaft von Nutzen sein können. Das ist es, was mich an der organischen Chemie fasziniert.

Mit einem Stipendium bekamen Sie die Chance, für ein Doktoratsstudium an die Universität Cambridge zu gehen, eine der angesehensten Hochschulen der Welt. Das muss eine ziemliche Umstellung gewesen sein. Wie haben Sie diese Veränderung gemeistert?

Es war geradezu ein Schock. Die kulturellen und akademischen Unterschiede waren immens. Alles, vom Wetter über das Essen und die Menschen bis hin zum Bildungssystem, war ganz anders, als ich es gewohnt war. Es war eine Herausforderung, eine Kluft zu überwinden. Dank der grossartigen Unterstützung meines Mentors konnte ich mich anpassen. Wenn man die Wahl hat, unterzugehen oder schwimmen zu lernen, dann heisst es, durchzuhalten. Das habe ich bereits in meiner Jugend im Township gelernt.

Später in Ihrer Karriere haben Sie sich trotz Angeboten von renommierten Institutionen in den USA und Grossbritannien dafür entschieden, nach Afrika zurückzukehren, an die Universität von Kapstadt in Südafrika. War das nicht eine riskante Entscheidung für Ihre akademische Karriere?

Ja, in der Tat. Viele sagten, dass dies das Ende meiner Karriere sein würde. Aber für mich war es eine Art Berufung, die schwer zu erklären ist. Während meines Besuchs in Kapstadt für ein Vorstellungsgespräch spürte ich sofort eine Verbindung. Ich sah die Möglichkeit, einen sinnvollen Beitrag in einer Region zu leisten, die mit meinen persönlichen und beruflichen Zielen übereinstimmte. Ich dachte, ich könnte wirklich etwas bewirken. Aber, ehrlich gesagt, war ich mir nicht sicher, was ich da tat. Es fühlte sich einfach richtig an.

Wie wichtig ist es, dass sich das H3D in Südafrika befindet?

Sogar sehr wichtig. Erstens besteht ein sehr enger Zusammenhang zwischen der Genetik der Bevölkerung, dem sozialen und physischen Umfeld, in dem die Patientinnen und Patienten leben, und der Behandlung von Krankheiten. Daher ist es naheliegend, Kapazitäten für die Erforschung und Entwicklung von Medikamenten in der Nähe der Menschen aufzubauen, um deren dringende medizinische Bedürfnisse es geht.

Zweitens: Vor der Gründung des H3D fanden Arzneimittelentdeckung und klinische Studien kaum in Afrika statt. Wir haben das in Partnerschaft mit anderen Institutionen geändert. Am Anfang hatten wir nur Fachwissen in der Chemie. Die gesamte biologische Forschung kam zum Beispiel durch die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern zustande, wie dem Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH) in Basel.

Und drittens schafft diese Einrichtung nicht nur innerhalb des H3D Arbeitsplätze, sondern auch ausserhalb. Siebzig Prozent unserer Finanzmittel kommen aus dem Ausland. Wir geben Millionen von Dollar im Land aus, was der lokalen Wirtschaft und ihrer Entwicklung hilft. Die Botschaft lautet also: Wir sollten nicht immer auf die Politik schauen, um Probleme zu lösen. Wir als Forschende sollten genauso «Leadership» übernehmen und ein Umfeld schaffen, in dem Unternehmertum gedeihen kann.

Sehen Sie sich auch als Vorbild, insbesondere für junge afrikanische Studenten und Wissenschaftler?

Auf jeden Fall. Ich glaube wirklich, dass Vorbilder viel bewirken. Mit den Chancen, die man bekommt, geht auch eine Verantwortung einher, Spitzenleistungen zu erbringen. Wenn ich in die Townships zurückkehre, aus denen ich stamme, sehen die Leute, dass es Menschen gibt, die auch dort aufgewachsen sind, die so aussehen wie sie und trotzdem viel erreicht haben. Das ist eine wichtige Botschaft.

Welchen Ratschlag geben Sie angehenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern?

Meine Ratschläge konzentrieren sich auf drei wichtige Aspekte: jede Chance ergreifen, konsequent den eigenen Weg verfolgen und das eigene Potenzial erkennen. Jeder Mensch hat einen einzigartigen Beitrag zu leisten, und es ist wichtig, diese Individualität zu fördern.

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